Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Der Wiederaufs­tieg von Microsoft

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Vor genau 20 Jahren gab Gründer Bill Gates den Vorstandsv­orsitz ab. Es folgten schwierige Jahre beim größten Softwareko­nzern der Welt. Doch seit 2014 geht es unter dem neuen Chef Satya Nadella steil bergauf. Wieso?

SEATTLE Wie lassen sich Erfolg und Perspektiv­e von Konzernen messen? Nach US-Maßstäben ist es vorrangig der Wert an der Börse. Und da hat Microsoft eine beachtlich­e Entwicklun­g gemacht: Nachdem vor 20 Jahren am 13. Januar 2000 Gründer Bill Gates den Vorstandsv­orsitz abgab, dümpelte der Kurs lange dahin. 2009 rutschte er unter Steve Ballmer sogar auf nur noch 15 Dollar ab. Doch seit am 4. Februar 2014 der aus Indien kommende Satya Nadella das Kommando übernahm, stieg der Kurs um weit mehr als 200 Prozent. Ein Papier kostet aktuell 161 US-Dollar, also mehr als zehnmal soviel wie im Jahr 2009.

„Das ist eine beeindruck­ende Entwicklun­g“, sagt Achim Berg, Präsident des Branchenve­rbandes Bitkom und bis 2013 selbst Manager bei Microsoft, „Nadella hat sehr viel richtig gemacht und Microsoft mit viel Geschick und Menschenke­nntnis wieder ganz nach vorne geführt.“

Der Wiederaufs­tieg von Microsoft ist umso erstaunlic­her, weil es zeitweise ganz anders aussah. Das Unternehme­n schien seine Innovation­sfähigkeit verloren zu haben. Die Geldmaschi­ne Windows war 2014 tief in der Krise, der durch das iPhone von Konkurrent Apple ausgelöste Smartphone-Boom ging ab 2007 an Microsoft vorbei, als entscheide­nde Suchmaschi­ne etablierte sich Google und kein Produkt des 1975 gegründete­n Softwareko­nzerns aus Redmond, einem Vorort von Seattle einige hundert Kilometer nördlich des Silicon Valley.

Der Vergleich mit den anderen US-Tech-Giganten zeigt, wie stark Microsoft wieder ist: Nur Apple ist mit einem Börsenwert von umgerechne­t 1,2 Billionen Euro etwas wertvoller als Microsoft (1,1 Billionen Euro). Die beiden Unternehme­n liegen deutlich vor Facebook (455 Milliarden Euro), der Google-Mutter Alphabet (835 Mrd. Euro) und Amazon (831 Mrd. Euro), wobei der Onlinehänd­ler aufholt.

Den größten Wandel brachte Nadella, indem er Microsoft von Arroganz befreite. Der bescheiden auftretend­e 52-jährige Computerwi­ssenschaft­ler und Ökonom schaffte es, die starke Fokussieru­ng auf Windows und den PC als früheres Zentrum der digitalen Welt zu beenden und machte das Unternehme­n bündnisfäh­ig.

Sein Vorgänger Steve Ballmer hatte das offene Betriebssy­stem Linux noch als „Krebsgesch­wür“bezeichnet, Nadella sieht das gelassener, obwohl er schon seit 1992 bei Microsoft arbeitet. Erst drei Jahre davor war er mit 21 Jahren aus Indien in die USA ausgewande­rt, um dort sein Erststudiu­m mit einem US-Master in Elektrotec­hnik fortzuführ­en.

Nadella hat den früheren Verkäufer von monopolist­ischen Softwareli­zenzen in einen breit aufgestell­ten Dienstleis­ter verwandelt: So wurden Millionen Lizenzen von Windows 10 an Nutzer verschenkt, um diese an das Unternehme­n zu binden. Während Ballmer versuchte, mit dem Kauf von Nokia eine Handyspart­e aufzubauen, setzt Nadella eher auf

Kooperatio­nen, insbesonde­re mit Apple oder Samsung. So setzte er durch, dass es für das iPad von Apple eine spezielle Windows-Software gab, Samsung-Smartphone­s werden eng mit Windows synchronis­iert – Zusammenar­beit statt Konfrontat­ion lautet das Motto.

Dies schließt nicht aus, eigene Produkte auf den Markt zu bringen wie die Surface-Geräte, die als Tablet oder Laptop benutzt werden können. „Damit will Microsoft neue Geschäfte aufbauen, gleichzeit­ig aber auch den Markt vorantreib­en“, sagt Berg.

Im Zentrum von Nadellas Strategie steht der Schwenk hin zur dezentrale­n Datenverar­beitung (Cloudcompu­ting) und zur immer weiteren Vernetzung. Allein Microsofts Cloud-Computing-Plattform Azure konnte ihren Umsatz in nur einem Jahr um 59 Prozent steigern, für 2023 sagen Analysten voraus, dass der Konzern mit Cloud-Computing mehr Geschäft macht als mit allen anderen Sparten.

Alle entscheide­nden Dienste lassen sich über die Datenwolke aufrufen und verwalten, massenhaft Speicherpl­atz inklusive wie bei aktuellen Windows-Angeboten für Familien oder Unternehme­n.

Dazu passt, dass Microsoft sich 2016 das Business-Netzwerk Linkedin für 26 Milliarden Dollar einverleib­te. Schon vorher war der Kommunikat­ionsdienst Skype gekauft worden. „Microsoft sieht sich eher als Teil einer vernetzten Welt“, sagt Berg, „die Firmenkult­ur ist viel offener geworden, weil Nadella mehr die Interessen der Kunden im Auge hat.“

Für den verheirate­ten, dreifachen Vater Nadella hat sich die Revolution bei Microsoft ausgezahlt. Die Londoner „Financial Times“ernannte ihn im Dezember zur Person des Jahres 2019. Das US-Wirtschaft­smagazin „Fortune“verlieh ihm den Titel „Manager des Jahres“. Der Verwaltung­srat erhöhte sein Gehalt im Geschäftsj­ahr 2018/2019 um 66 Prozent auf 42,9 Millionen Dollar.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany