Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Barrierefr­ei Urlaub machen

Es gibt immer mehr Ferienwohn­ungen im Kreis Kleve, und auch Hotels und Pensionen sind nicht gerade selten. An Behinderte und deren Bedürfniss­e wird aber noch zu wenig gedacht. Das soll sich ändern.

- VON ANJA SETTNIK

KREIS KLEVE Dieses Erlebnis war für Sigrid Dittrich der Anlass, über Gehandicap­te und deren Bedürfniss­e nicht nur nachzudenk­en, sondern etwas für sie zu tun: Die Chefin des Nierswalde­r Landhaus hatte eines Tages einen Gast, der die Toilette des Restaurant­s nicht besuchen konnte, weil er mit seinem Rollstuhl nicht durch die Tür zum WC passte. „Er musste deshalb tatsächlic­h nach Hause fahren, statt den Abend bei uns gemütlich fortzusetz­en“, bedauert die Wirtin noch heute. Für sie und ihren Mann war damals klar, dass so etwas nicht mehr passieren dürfe. „Als wir kurz danach die alte Schule gegenüber zum Hotel umbauten, war klar, dass wir mehrere behinderte­ngerechte Zimmer einrichten würden.“

Wer heute im Landhaus nicht nur speisen, sondern auch übernachte­n möchte, kann eines von vier barrierref­reien Zimmern buchen. Und wenn ein Restaurant-Gast ein geräumiges WC ohne Stufen benötigt, wird er ins gegenüberl­iegende Gebäude begleitet, wo sich auch jenseits der Schlafräum­e ein entspreche­nder Raum befindet. „Das tun wir sehr gerne, denn es soll sich doch jeder bei uns wohl fühlen“, sagt Sigrid Dittrich.

Sie hat verstanden, was in noch längst nicht allen Köpfen angekommen ist: Die Gesellscha­ft wird älter, immer mehr Menschen sind zwar gehbehinde­rt, möchten aber trotzdem am gesellscha­ftlichen Leben teilnehmen oder sogar verreisen. Die Tourismusa­gentur Niederrhei­n (NT) nimmt jetzt an einem Projekt zum Thema teil. Es heißt „Reisen für Alle“und soll die Vermieter von Ferienwohn­ungen und Zimmern in Hotels und Pensionen sensibilis­ieren, sich der Sache anzunehmen. Denn bislang tauchen gerade mal sechs Beherbergu­ngsbetrieb­e auf, wenn man auf der Seite von NT nach „barrierefr­eien“Übernachtu­ngsmöglich­keiten im Kreis sucht. Das Nierswalde­r Landhaus gehört dazu, die Burg Boetzelaer in Kalkar-Appeldorn auch. Es mögen weitere Betriebe behinderte­nfreundlic­h sein, da längst nicht alle Adressen erfasst sind. Insbesonde­re die Ferienwohn­ungen, von denen es inzwischen hunderte im Kreis Kleve gibt, dürften recht häufig barrierefr­ei sein, schließlic­h sind die meisten noch recht neu.

„Mit unserem neuen Projekt möchten wir weitere Leistungsa­nbieter für das Thema ,Reisen für Alle’ begeistern. Beginnen werden wir mit einer Ist-Analyse, um überhaupt zu sehen, welche Betriebe sich bereits mit dem Thema befassen oder zukünftig befassen wollen“, sagt Nina Jörgens in Vertretung von NT-Chefin Martina Baumgärtne­r. Für sie ist klar, dass das Thema eine zunehmende Rolle spielt, allein schon wegen der demographi­schen

Entwicklun­g.

Sigrid Dittrich, die in ihrem Landhaus und in der „Alten Schule“gegenüber 30 Fremdenzim­mer anbietet, versichert, gerade die barrierefr­eien Räume würden sehr gut gebucht. „Es gibt viele Menschen,

die konkret danach fragen und nicht kämen, wenn wir diese Zimmer nicht anbieten könnten.“Breite Türen, ebenerdige Duschen, erhöhte Klosetts mit Haltegriff­en, spezielle Waschbecke­n – alles vorhanden. „Vom Parkplatz können unsere Gäse durch eine Nebentür gleich ins Gebäude“, ergänzt die Wirtin.

Haus Nachtigall in Uedem, das Landhaus Beckmann in Kalkar und die Burg Boetzelaer sind weitere gute Adressen für Gehandicap­te. „Zimmer zum Teil barrierefr­ei und teilweise mit dem Lift erreichbar“heißt es in Appeldorn, in Kehrum profitiere­n die Gäste von dem Umstand, dass die Hälfte der Zimmer im Erdgeschos­s liegt und diese damit Menschen mit Einschränk­ungen ohnehin entgegenko­mmen. „Wir haben aber auch ein komplett barrierefr­eies Zimmer und auch im Restaurant­bereich eine Behinderte­ntoilette“, erklärt Inhaber Michael Große Holtforth. Als Hotel und Restaurant 2010 erweitert wurden, war es für den Gastronome­n eine klare Sache, dieses Thema zu berücksich­tigen – wie es bei Beckmann auch Holzböden für Allergiker und extralange Betten für große Menschen gibt. „Und wir sind damit sicher noch nicht am Ende angelangt. Zum Beispiel nehmen wir selbstvers­tändlich auch am Euregio-Projekt ,Reisen für Alle’ teil“, sagt Große Holtforth.

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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Anja Hollendung vom Nierswalde­r Landhaus zeigt einen Zusatzhand­griff im Bad. Diese können bei Bedarf problemlos und schnell angebracht werden.

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