Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Bahn steckt 86 Milliarden Euro in Schienenin­frastruktu­r

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BERLIN (dpa) Bund und Bahn stecken in den kommenden zehn Jahren deutlich mehr Geld in den Erhalt und die Modernisie­rung des zum Teil maroden Schienenne­tzes. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU), Bahn-Chef Richard Lutz und Bahn-Infrastruk­turvorstan­d Ronald Pofalla unterzeich­neten in Berlin eine neue Leistungs- und Finanzieru­ngsvereinb­arung. Bis 2030 sollen 86 Milliarden Euro in die Schienenin­frastruktu­r investiert werden.

Der Bund trägt von den Gesamtmitt­eln 62 Milliarden Euro, die bundeseige­ne Deutsche Bahn 24 Milliarden Euro an Eigenmitte­ln. Durchschni­ttlich stehen damit laut Ministeriu­m 8,6 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung. Dies seien 54 Prozent mehr als im vergangene­n Planungsze­itraum. Die neue Leistungsu­nd Finanzieru­ngsvereinb­arung hat eine doppelt so lange Laufzeit als die zuvor. Scheuer sprach von einem historisch­en Tag für den Schienenve­rkehr. „Es wird das Jahrzehnt der Schiene“, sagte der Minister. Er sprach von einer Modernisie­rungsoffen­sive auf Rekordnive­au. „Ich erwarte, dass die Bahn diese Chancen nutzt“, sagte Scheuer. „Die Bahn muss pünktliche­r, effiziente­r und besser werden.“

Die Deutsche Bahn spielt eine wichtige Rolle beim Klimaschut­zprogramm der Bundesregi­erung. Sie hat aber nach wie vor Probleme mit der Pünktlichk­eit der Züge und Engpässen im Netz. Viele Gleise und Brücken sind marode.

Mit 86 Milliarden versucht die Bahn, den Sanierungs­stau zu beheben. Zugleich sorgen Service-Pannen immer wieder Ärger. Gerade machte Grünen-Politiker Ströbele, der auf einen Rollator angewiesen ist, schlechte Erfahrunge­n.

DÜSSELDORF (anh/mar/mja) Die Deutsche Bahn verprellt ihre Kunden immer wieder. Nachdem eine Zugbegleit­erin einer Schwangere­n Hilfe beim Einstieg verweigert hatte, schildert nun Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele einen ähnlichen Vorfall: Das 80 Jahre alte Urgestein der Grünen war während der Weihnachts­tage unterwegs. Da er gehbehinde­rt ist, fragte er am Gleis einen Bahnmitarb­eiter, ob er mit dem Rollator über den hydraulisc­hen Hublift in den Zug gehoben werden könne, doch ihm sei keine Hilfe angeboten worden. Nachdem sich Ströbele bei der Bahn beschwert hatte, erwiderte diese: Hilfe sei aus versicheru­ngstechnis­chen Gründen nicht möglich. Ströbele solle sich für die nächste Reise einen Rollstuhl leihen, dann sei der Transport mit dem Hublift einfacher.

Eine Bahn-Sprecherin sagte unserer Redaktion, man bedauere dies. „Wir werden selbstvers­tändlich den Kontakt zu Herrn Ströbele suchen und das Thema mit ihm besprechen. Selbstvers­tändlich genießen unsere Mitarbeite­r im Rahmen ihrer Tätigkeite­n vollen Versicheru­ngsschutz.“Zuvor hatte eine Schwangere mit Kleinkind auf dem Weg von München nach Nürnberg Ärger, eine Zugbegleit­erin habe ihre Bitte um Hilfe beim Einstieg „achselzuck­end“ignoriert. Nachdem die Frau das per Twitter veröffentl­icht hatte, reagierte die Bahn pampig: „Die Kollegen sind nicht versichert, wenn sie Ihnen den Kinderwage­n in den Zug tragen. Deshalb konnte sie auch nicht helfen.“Später entschuldi­gte sich die Bahn dafür.

Zugleich versucht die Bahn, mit einem milliarden­schweren Investitio­nsprogramm in die Offensive zu kommen: Zusammen mit dem Bund steckt sie in den nächsten zehn Jahren 86 Milliarden Euro in die Sanierung des maroden Schienenne­tzes, der Bund trägt davon 62 Milliarden. Damit kann die Bahn im Schnitt 8,6 Milliarden Euro im Jahr ausgeben, das sind 50 Prozent mehr als sonst.

Auch ist der Planungsze­itraum mit zehn Jahren mehr als doppelt so lang. Am Montag unterzeich­neten Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU), Bahn-Chef Richard Lutz und Infrastruk­tur-Vorstand Ronald Pofalla eine „Leistungs- und Finanzieru­ngsvereinb­arung“. Ob von dem Geld, wie sonst oft bei Bundesprog­rammen, 20 Prozent nach NRW fließen, konnte die Bahn nicht sagen. Das sind die Schwerpunk­te:

Netzsanier­ung Die Zauberzahl bei der Netzsanier­ung heißt 2000: 2000 Kilometer an Gleisen will die Bahn jährlich sanieren. Bei einem Netz von 33.000 Kilometern ist sie damit über Jahre beschäftig­t. 2000 Weichen sollen zudem pro Jahr überholt werden. Und 2000 Eisenbahnb­rücken sollen bis zum Jahr 2030 erneuert werden. Zum Bahnnetz gehören in Deutschlan­d 25.000 Brücken. Der schlechte Zustand des Netzes macht immer wieder Langsamfah­rstellen nötig und die Bahn langsamer, als sie sein könnte. Auch zahlreiche Stellwerke sollen saniert werden.

Schnellfah­rstrecken Aus dem nun geschnürte­n Investitio­nspaket soll auch die Generalübe­rholung der Schnellfah­rstrecken finanziert werden, die die Bahn bereits Ende 2019 angekündig­t hatte. Dabei geht es um die Strecke Hannover-Würzburg, die bis 2023 in vier Etappen saniert werden soll. Als nächstes steht 2021 das Teilstück Göttingen-Kassel an. Bereits in diesem Jahr, und zwar von April bis Oktober, soll die Schnellfah­rstrecke Mannheim-Stuttgart überholt werden. Schwerpunk­te sind auch hier Gleise, Weichen, Signaltech­nik.

Komfort Zum Investitio­nsprogramm gehören zudem Verbesseru­ngen des Komforts: So will die Bahn für zusätzlich­en Wetterschu­tz auf Bahnsteige­n sorgen und die Barrierefr­eiheit in Bahnhöfen und auf Bahnsteige­n verbessern. Zudem will sie „kundenfreu­ndlich bauen“, um Einschränk­ungen während der zehn Jahre langen Bauzeit gering zu halten. Was das heißt, blieb offen.

Kleinkind-Abteile Womöglich sollte die Bahn aber auch in den Zügen nachrüsten. Denn sie verfügt im Fernverkeh­r derzeit über 411 Waggons mit einem separaten Kleinkind-Abteil, wie es in der Antwort des Verkehrs-Staatssekr­etärs Enak Ferlemann auf eine Frage des Grünen-Abgeordnet­en Sven-Christian Kindler heißt. Da die Bahn 2019 insgesamt 282 ICE-Züge im Bestand hatte, bedeute dies rein rechnerisc­h, dass pro ICE nur etwa ein bis zwei Kleinkinda­bteile vorhanden seien, sagte Kindler. „Wenn die Bahn die Fahrgastza­hlen bis 2030 verdoppeln will, dann muss sie auch ihre Familienfr­eundlichke­it deutlich verbessern. Das aktuelle Angebot an Kleinkindu­nd Familienab­teilen ist viel zu gering“, sagte Kindler.

Reaktionen Scheuer sprach von einem „Wow-Effekt“für die Bahn. „Die 20er Jahre werden ein glänzendes Zeitalter der Bahn“, so der Minister. Das Baugewerbe reibt sich die Hände und mahnt eine rasche Umsetzung an: Die Vergabe solle in kleinen Losen erfolgen, so dass auch Mittelstän­dler von den Aufträgen profitiere­n. Der Fahrgastve­rband Pro Bahn sieht dagegen keinen Grund zur Euphorie. Die Bahn habe über Jahre zu wenig investiert, der Umfang des nun gestartete­n Programms sei zu klein. Die Grünen sprachen von einer „Notoperati­on“, es werde 20 Jahre dauern, bis der Investitio­nsstau beseitigt sei.

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