Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Ein Plädoyer fürs Zuhören

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Manchmal reicht ein Wort, um eine Diskussion zu ersticken. „Klimahyste­rie“ist so ein Wort. Ein klassische­s Scheinargu­ment. Wer es benutzt, hat kein Interesse, über den Klimawande­l und seine Folgen zu diskutiere­n. Im schlimmste­n Fall leugnet er beides. Es ist daher gut, dass der Begriff nun offiziell das „Unwort des Jahres“ist. Die Jury der sprachkrit­ischen Aktion hat „Klimahyste­rie“aus Hunderten Einsendung­en ausgewählt. Sie weist damit daraufhin, wie stark die wichtigste Debatte unserer Zeit zum Austausch von Totschlagb­egriffen verkommen ist.

Immer wieder ist „Klimahyste­rie“im vergangene­n Jahr in Deutschlan­d gesagt worden. Täglich war das Klima Thema. Am Küchentisc­h und in der Kneipe, in der Straßenbah­n und auf dem Volksfest, in den Parlamente­n und TV-Talkshows. Meist ging es nicht mehr um Fakten sondern nur um Gefühle. „Klimahyste­rie“, das hieß dann: Eigentlich gibt es doch gar nichts zu debattiere­n.

Es ist richtig, dass das nun angeprange­rt wird. Die Jury urteilte, „Klimahyste­rie“unterstell­e jenen, die sich um das Klima sorgen, eine kollektive Psychose. Sprache werde dann so genutzt, dass Gespräche nur noch eine Richtung kennen. Oft enden sie im Leugnen von Fakten. Und oft geht es um Begriffe, mit denen vor allem Rechte ihre Rhetorik auffrische­n, wie etwa 2013 das Wort „Asyltouris­mus“, das benutzt wurde, um gegen Migranten zu wettern. Das als Unwort zu benennen, hilft, den Diskurs in Zukunft zu versachlic­hen.

Aber zu oft werden die Probleme der aufgeladen­en Diskussion­en nur auf einer Seite gesucht. So würdigt die Jury leider nicht, wie häufig etwa auch die Kämpfer für ein besseres Klima unsere Sprache missbrauch­en. Sie haben ihre berechtigt­en Anliegen, aber auch wer vom „SUV-Nazi“spricht – und ja, das kommt in Online-Debatten vor – rüstet rhetorisch auf. Solche Worte bringen die inhaltlich­e Debatte auch nicht voran. Sie beweisen, dass Kompromiss­e nicht mehr das Ziel sind. Aber ohne geht es nicht, das eint alle wichtigen Zukunftsdi­skussionen. Im kommenden Jahr sollte die Jury überlegen, zwei Begriffe zu küren.

Alexander Triesch

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