Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Das Boot – eine Legende zerbricht

- VON ROLF HELFERT

Der sechsfach für den „Oscar“nominierte Film „Das Boot“von 1981 basiert auf dem gleichnami­gen Roman des 2007 verstorben­en Lothar-Günther Buchheim. Darin wird die siebte „Feindfahrt“eines deutschen U-Boots (U 96) geschilder­t. An dieser Unternehmu­ng, die Ende 1941 stattfand, nahm Buchheim als Kriegsberi­chterstatt­er teil. Nun hat der Journalist Gerrit Reichert eine Doppelbiog­rafie über

Heinrich Lehmann-Willenbroc­k, der die U 96 kommandier­te, und Buchheim verfasst, die seit 1941 befreundet waren.

Reichert benutzte die 2016/17 veröffentl­ichten Tagebücher von Friedrich Grade, damals Leitender Ingenieur auf dem U-Boot. Heute, 103 Jahre alt, lebt er in einem Seniorenst­ift im Rheinland. Im Roman stirbt der Kommandant, aber der reale Lehmann-Willenbroc­k lebte nicht nur weiter. Hitler persönlich verlieh ihm Anfang 1942 das Eichenlaub

zum Ritterkreu­z.

Der Befehl, bei Gibraltar ins Mittelmeer zu fahren, verursacht­e laut Grade keineswegs, wie Buchheim behauptete, Empörung und Verzweiflu­ng. Die Crew freute sich, weil sie hoffte, mehr Feindschif­fe vernichten zu können. Einen wichtigen Aspekt ignoriert der Autor. Buchheim verschwieg die deutsche Kriegserkl­ärung an die USA vom 11. Dezember 1941. Sonst hätte er darlegen müssen, dass fast alle U-Bootfahrer dieses Ereignis stürmisch begrüßten, durften sie doch jetzt US-Schiffe ungehinder­t jagen.

Nicht erst dem 1973 publiziert­en Roman lag Buchheims U-Bootfahrt zugrunde. Bereits 1943 veröffentl­ichte er zum gleichen Thema das Propaganda­werk „Jäger im Weltmeer“. Der Gegensatz zwischen beiden Textfassun­gen könnte größer nicht sein. Buchheim, arrivierte­r Kunstmaler, gehörte 1941 der Marine-Propaganda-Kompanie an. Nach 1945 verfolgte Buchheim neue Ziele, setzte jedoch alte Manipulati­onstechnik­en

fort, obwohl er stets Faktentreu­e beanspruch­te.

Trotz allem stimmt Buchheims These, dass der verfehlte deutsche U-Boot-Krieg scheitern musste. Der Film „Das Boot“bleibt eine der besten deutschen Leinwandpr­oduktionen. Nur sollte man ihn weit kritischer beurteilen.

Gerrit Reichert: U 96. Realität und Mythos. Der Alte und Lothar-Günther Buchheim. Mittler im Maximilian Verlag, 2019, 232 S., 29,95 Euro

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