Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Trickbetrug als Millionengeschäft
Die Polizei in NRW findet kein wirksames Mittel gegen Trickbetrüger. Auch 2019 erbeuteten Kriminelle Millionen Euro – Opfer sind meist Senioren, deren Hilfsbereitschaft sie ausnutzen.
DÜSSELDORF Trotz umfangreicher Präventionsmaßnahmen bekommt die Polizei die Gefahr durch Trickbetrüger in NRW nicht in den Griff. Bei der Betrugsmasche „falscher Polizist und Amtsträger“zählten die Ermittler in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres bereits 284 vollendete Straftaten mit einer Schadenssumme von rund 11,2 Millionen Euro, wie das Landeskriminalamt (LKA) unserer Redaktion mitteilte. Zum Vergleich: Für das gesamte Jahr 2018 wurden in NRW 289 solcher Straftaten mit einem Sachschaden von rund 12,4 Millionen Euro registriert. „Und man muss leider sagen, dass das nur das sogenannte Hellfeld ist, also die Fälle, die der Polizei bekannt sind“, sagte ein LKA-Sprecher. Experten schätzen, dass die Dunkelziffer mindestens genauso hoch sein dürfte.
Gleichbleibend hoch sind auch die Zahlen beim sogenannten Enkeltrick. Bis zum 30. September gab es in NRW im vergangenen Jahr 160 Betrugsopfer, die um rund 2,4 Millionen
Euro gebracht wurden. Im gesamten Jahr 2018 waren es 210 Opfer und rund drei Millionen Euro Schaden. Die Zahl der Betrugsversuche indes lag deutlich höher: Laut LKA wurden 2824 Anzeigen erstattet, 2614 Mal war die Straftat nicht vollendet worden. „Leider sind fast ausschließlich Senioren die Opfer“, sagte der LKA-Sprecher. Zum Beispiel brachte ein Betrüger am 20. Dezember 2019 einen Rentner in Dortmund um 41.000 Euro. Der Unbekannte hatte sich am Telefon als Enkel in einer Notsituation ausgegeben.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft will daher Banken mehr in die Pflicht nehmen. „Die Summen, um die es geht, sind so hoch, dass sie am Schalter und nicht am Automaten abgehoben werden müssen“, sagte NRW-Chef Erich Rettinghaus. „Die Bankmitarbeiter sollten so geschult sein, dass sie bei jedem ungewöhnlichen Geldabholwunsch den Kunden in Gespräche verwickeln, um herauszubekommen, wofür das Geld bestimmt ist.“
Beim Enkeltrick bitten die Betrüger ihre Opfer um finanzielle Unterstützung. „Wir stellen zunehmend fest, dass die Täter nicht mehr persönlich das Geld entgegennehmen, sondern Ablageorte mit ihren Opfern vereinbaren“, sagte der LKA-Sprecher. Dazu zählten Hecken oder Mülltonnen nahe dem Haus des Opfers. Die Täter hätten so den Vorteil, dass sie später nicht beschrieben werden könnten.
Laut Ermittlern handelt es sich beim Trickbetrug in den meisten
Fällen um organisierte Kriminalität. Die Täter sind Profis und für die Polizei extrem schwer zu fassen. „Bei denjenigen, die das Geld bei den Opfern abholen, handelt es sich nur um die kleinsten Lichter der Organisation“, heißt es aus Polizeikreisen. „Sie packen auch nicht aus, wenn wir sie erwischen, weil sie wissen, dass ihr Leben dann in Gefahr ist. Die Hintermänner sitzen in Osteuropa.“Dahinter stecke ein ausgeklügeltes System. „Sie suchen ihre Opfer gezielt in Telefonbüchern. Sie wissen anhand von Namen ganz genau, bei wem es sich um Senioren handelt“, bestätigt Rettinghaus.
Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, rät allen Betroffenen, sich unbedingt bei der Polizei zu melden. „Das gilt auch für diejenigen, die den Betrug durchschaut und aufgelegt haben“, sagt er. Für Mertens sind die Maschen der Trickbetrüger besonders perfide. „Die Täter nutzen die Hilfsbereitschaft und Gutgläubigkeit ihrer Opfer gnadenlos aus“, sagt er. „Das ist ganz schlimm.“