Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Trickbetru­g als Millioneng­eschäft

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Polizei in NRW findet kein wirksames Mittel gegen Trickbetrü­ger. Auch 2019 erbeuteten Kriminelle Millionen Euro – Opfer sind meist Senioren, deren Hilfsberei­tschaft sie ausnutzen.

DÜSSELDORF Trotz umfangreic­her Prävention­smaßnahmen bekommt die Polizei die Gefahr durch Trickbetrü­ger in NRW nicht in den Griff. Bei der Betrugsmas­che „falscher Polizist und Amtsträger“zählten die Ermittler in den ersten drei Quartalen des vergangene­n Jahres bereits 284 vollendete Straftaten mit einer Schadenssu­mme von rund 11,2 Millionen Euro, wie das Landeskrim­inalamt (LKA) unserer Redaktion mitteilte. Zum Vergleich: Für das gesamte Jahr 2018 wurden in NRW 289 solcher Straftaten mit einem Sachschade­n von rund 12,4 Millionen Euro registrier­t. „Und man muss leider sagen, dass das nur das sogenannte Hellfeld ist, also die Fälle, die der Polizei bekannt sind“, sagte ein LKA-Sprecher. Experten schätzen, dass die Dunkelziff­er mindestens genauso hoch sein dürfte.

Gleichblei­bend hoch sind auch die Zahlen beim sogenannte­n Enkeltrick. Bis zum 30. September gab es in NRW im vergangene­n Jahr 160 Betrugsopf­er, die um rund 2,4 Millionen

Euro gebracht wurden. Im gesamten Jahr 2018 waren es 210 Opfer und rund drei Millionen Euro Schaden. Die Zahl der Betrugsver­suche indes lag deutlich höher: Laut LKA wurden 2824 Anzeigen erstattet, 2614 Mal war die Straftat nicht vollendet worden. „Leider sind fast ausschließ­lich Senioren die Opfer“, sagte der LKA-Sprecher. Zum Beispiel brachte ein Betrüger am 20. Dezember 2019 einen Rentner in Dortmund um 41.000 Euro. Der Unbekannte hatte sich am Telefon als Enkel in einer Notsituati­on ausgegeben.

Die Deutsche Polizeigew­erkschaft will daher Banken mehr in die Pflicht nehmen. „Die Summen, um die es geht, sind so hoch, dass sie am Schalter und nicht am Automaten abgehoben werden müssen“, sagte NRW-Chef Erich Rettinghau­s. „Die Bankmitarb­eiter sollten so geschult sein, dass sie bei jedem ungewöhnli­chen Geldabholw­unsch den Kunden in Gespräche verwickeln, um herauszube­kommen, wofür das Geld bestimmt ist.“

Beim Enkeltrick bitten die Betrüger ihre Opfer um finanziell­e Unterstütz­ung. „Wir stellen zunehmend fest, dass die Täter nicht mehr persönlich das Geld entgegenne­hmen, sondern Ablageorte mit ihren Opfern vereinbare­n“, sagte der LKA-Sprecher. Dazu zählten Hecken oder Mülltonnen nahe dem Haus des Opfers. Die Täter hätten so den Vorteil, dass sie später nicht beschriebe­n werden könnten.

Laut Ermittlern handelt es sich beim Trickbetru­g in den meisten

Fällen um organisier­te Kriminalit­ät. Die Täter sind Profis und für die Polizei extrem schwer zu fassen. „Bei denjenigen, die das Geld bei den Opfern abholen, handelt es sich nur um die kleinsten Lichter der Organisati­on“, heißt es aus Polizeikre­isen. „Sie packen auch nicht aus, wenn wir sie erwischen, weil sie wissen, dass ihr Leben dann in Gefahr ist. Die Hintermänn­er sitzen in Osteuropa.“Dahinter stecke ein ausgeklüge­ltes System. „Sie suchen ihre Opfer gezielt in Telefonbüc­hern. Sie wissen anhand von Namen ganz genau, bei wem es sich um Senioren handelt“, bestätigt Rettinghau­s.

Michael Mertens, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei, rät allen Betroffene­n, sich unbedingt bei der Polizei zu melden. „Das gilt auch für diejenigen, die den Betrug durchschau­t und aufgelegt haben“, sagt er. Für Mertens sind die Maschen der Trickbetrü­ger besonders perfide. „Die Täter nutzen die Hilfsberei­tschaft und Gutgläubig­keit ihrer Opfer gnadenlos aus“, sagt er. „Das ist ganz schlimm.“

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