Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Die Macht der Sponsoren
Viele Athleten sind auf Sponsorengelder angewiesen. Diese Realität zu leugnen, wäre weltfremd. Aber die Abhängigkeit darf nicht noch größer werden – dafür müssen die Sportverbände sorgen.
Abgekämpft kommen die Skirennfahrer oder Biathleten ins Ziel. Wenig später stehen sie zum Interview bereit, nehmen schnell noch einen Schluck von ihrem Energie-Drink oder stellen ihre Trinkflasche auf das TV-Pult. Alltägliche Szenen für die Fernsehzuschauer. Die meisten werden diese Szenen genauso beiläufig registrieren wie die unterschiedlichen Schuhmodelle, mit denen die Fußballstars über den Platz laufen. Genau das ist gewollt und zugleich ein Problem. Denn mit Zufall hat das alles nichts zu tun, sondern mit einer ausgeklügelten Marketingstrategie.
Viele Sportler haben diesen Schluck aus ihrer Sponsorenflasche in ihren Werbeverträgen stehen. Ähnlich zufällig stehen so manche Leichtathleten, Fußballer oder Basketballer mit Kopfhörern bekannter Hersteller vor den TV-Kameras. Sportler eignen sich für Heldengeschichten, als Idole und Vorzeigeobjekte. Und als solche hat sie längst die Werbebranche entdeckt. Unternehmen sponsern oder kaufen ganze Sportteams, tauchen als Trikot- oder Stadionsponsor auf. Das ist wichtig, weil es dem Sport die finanziellen Mittel für Erfolg und große Events gibt. Einzelsportler werden zu lebendigen Werbetafeln – tragen Sponsorenlogos auf Helmen, Kleidung und Sportgeräten. Und sie haben gar keine andere Wahl als sich in Teilen an Unternehmen zu verkaufen. Viele Athleten – auch in Deutschland – sind auf genau diese Sponsoren angewiesen, um ihren Leistungssport und ihr Leben zu finanzieren.
Anders als zum Beispiel Fußballer erhalten Einzelsportler in der Regel kein festes Gehalt. In Deutschland gibt es für viele Athleten zwar Sportförderung, einige sind als Polizisten oder Zollbeamte beim Staat angestellt, um in den Wettkampfpausen Geld zu verdienen. Aber selbst mit Siegprämien reicht das für die Allermeisten nicht, um davon zu leben
– erst recht nicht, wenn der Erfolg und damit Prämien ausbleiben.
Während Stars wie Roger Federer, Sebastian Vettel oder Lionel Messi aufgrund ihrer Strahlkraft Millionen mit Werbung verdienen, muss der Großteil der Sportler um Sponsoren kämpfen. Das Problem: Das wissen auch die Sponsoren. Deswegen können sie das Auftreten der Sportler in der Öffentlichkeit bestimmen, oder was sie in den sozialen Medien zeigen. Sie können von den Sportlern aber auch versteckte Werbung fordern. Schleichwerbung. Sportler dienen dann als Instrument, um zum Beispiel TV-Zuschauer beiläufig zu beeinflussen. Trinken die Sportler vor laufenden Kameras aus Sponsorenflaschen, sollen die Zuschauer gar nicht merken, dass sie gerade eine Werbeaktion sehen. Eine Beeinflussung, die zumindest in Deutschland unerwünscht und bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF nach dem Rundfunkstaatsvertrag verboten ist.
Solche zweifelhaften Sponsorendeals entgegenwirken können nur die Sportverbände und Wettkampforganisatoren – mit höheren Sieg- und Startprämien für die Sportler. Die Preisgelder sind oft so gestaffelt, dass nur die Allerbesten davon profitieren. Höhere Prämien und eine bessere Verteilung würden den Sportlern größere finanzielle Unabhängigkeit bieten – auch von Sponsoren. Denn wie schwierig der Umgang mit solchen Werbetricks ist, zeigt aktuell ein Streit zwischen Wintersportlern und den Fernsehsendern ARD und ZDF eindrücklich.
Die beiden TV-Anstalten verbieten es Sportlern neuerdings, ihre Sponsorenflaschen mit in Interviews zu bringen. Sie bewerten das als Schleichwerbung. Erlaubt ist es hingegen, dass Sportler die Namen oder Logos ihrer Sponsoren an der Kleidung oder dem Sportgerät tragen – weil in diesen Fällen deutlich sei, dass es sich um Werbung handle. Das müsse als Werbemöglichkeit vor der Kamera reichen, befanden die Sender.
Vorausgegangen waren dem Verbot Zuschauerbeschwerden beim Fernsehrat über die aus ihrer Sicht aggressive Werbetaktik von Red Bull. Von dem österreichischen Brausehersteller gesponserte Athleten tranken zuletzt nicht mehr wie bisher geduldet aus Flaschen mit dem Unternehmenslogo, sondern gleich aus der handelsüblichen Red-Bull-Dose. Sportler wie der deutsche Skirennfahrer Thomas Dreßen bestätigten, dass es Teil der Verträge mit dem Sponsor sei, die Dosen mit zu den Interviews zu nehmen.
Dass Unternehmen Sportler beeinflussen, ist kein neues Phänomen, es liegt schon in der Natur des Sponsorings – ein Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Das Verhältnis wird aber zunehmend schwieriger, weil große Unternehmen mit viel Geld locken, dafür aber auch viel Gegenleistung erwarten. In Anbetracht der schwierigen finanziellen Situation vieler Sportler ist die Verlockung groß, für Geld große Zugeständnisse zu machen.
Darunter leiden im schlimmsten Fall der Sport und die Fans. Wenn Sponsoren zum Beispiel durch ihre Vorgaben reglementieren, welche TV-Stationen ihre Sportler interviewen dürfen. Österreichische Skistars boykottierten nach dem Flaschenverbot zunächst Interviews mit ZDF und ARD. Weil sie befürchteten, sonst gegen ihre Sponsorenverträge zu verstoßen. Inzwischen zeigen sich die Sponsoren kooperativ, sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky.
Kaum verwunderlich: Der Streit ist auch ein Problem für die Sponsoren. Negative Schlagzeilen mit ihrem Namen, erst recht über ihre Werbetricks, wollen sie vermeiden. Denn in den meisten Fällen lassen sich Fans nur allzu gerne davon täuschen und beeinflussen. Diese Erfolge steigern den Einfluss der Werbepartner. Und es wird auch immer Athleten geben, dich sich trotz Millionen-Einnahmen auf weitere Werbeaktionen einlassen. Es muss den Sportlerinnen und Sportlern aber leichter gemacht werden, Sponsoren abzulehnen – um sie und die Fans vor deren Einfluss zu schützen.
Viele Athleten sind auf genau diese Sponsoren angewiesen, um ihren Leistungssport und ihr Leben zu finanzieren