Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Polizist war zu Todesschus­s verpflicht­et

- VON PHILIPP JACOBS

Zum Brand im Affenhaus des Krefelder Zoos wurde ein dramatisch­es Detail bekannt: Ein Polizist musste den schwer verletzten Silberrück­en-Gorilla „Massa“mit Schüssen aus der Maschinenp­istole erlösen. Das Vorgehen war rechtens.

KREFELD Gut zwei Wochen nach dem Brand im Affenhaus des Krefelder Zoos sind weitere Details über das Schicksal der Tiere bekannt geworden. Laut einem Bericht des NRW-Innenminis­teriums an den Landtag musste am Morgen nach dem Brand ein Polizist einen schwer verletzten männlichen Gorilla durch mehrere Schüsse aus einer Maschinenp­istole töten. Eine Tierärztin wollte den Affen eigentlich mit einer Überdosis eines Narkotikum­s einschläfe­rn. Doch das Mittel entfaltete bei dem Tier aufgrund der Schwere der Brandverle­tzungen nicht seine volle Wirkung, so dass die schnellste Erlösung des Tieres durch einen Schuss mit der Waffe mit Unterstütz­ung der Polizei Ultima Ratio war, heißt es in einer Erklärung der Krefelder Polizei.

Um welches Tier es sich handelte, sagte der Zoo nicht. Im Zuge des Brandes war nach früheren Angaben allerdings als einziger männlicher Gorilla der 48-jährige Silberrück­en „Massa“ums Leben gekommen. Wie der Zoo weiter mitteilte, hatte eine Tierärztin mit einem Narkotikum zwei weitere schwer verletzte Tiere eingeschlä­fert, die keine Überlebens­chance gehabt hätten. In der Veterinärm­edizin ist es üblich, dass Tiere mit einer Überdosis eines Narkosemit­tels eingeschlä­fert werden, wenn sie unheilbar krank oder verletzt sind. „Bei einer Euthanasie werden in der Regel Tierarznei­mittel mit dem Wirkstoff Pentobarbi­tal verwendet“, erklärt James Brückner, Leiter des Artenschut­zreferats beim Deutschen Tierschutz­bund: „Bei Überdosier­ung, die aber abhängig von der Tierart ist, kommt es zum Atem- und anschließe­nd zum Herzstills­tand. Diese Methode gilt als eine der schonendst­en und sichersten Methoden zur Euthanasie von Groß- und Kleintiere­n.“

Die tödlichen Schüsse des Polizeibea­mten seien alternativ­los gewesen, betonen Zoo und Polizei. Das Tier sei so schwer verletzt gewesen, dass es umgehend hätte erlöst werden müssen. „Unsere Kollegen waren zur Tötung des Tieres durch Kugelschus­s nicht nur berechtigt, sondern auch verpflicht­et“, erklärte die Polizei in der gemeinsame­n Mitteilung mit dem Zoo. Die Beamten hätten sich sonst strafbar machen können. Die Polizei bezieht sich auf Paragraf 17 des Tierschutz­gesetzes. Dort heißt es unter anderem: „Mit Freiheitss­trafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer (...) einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederhole­nde erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“

Wenn eine Betäubung nicht möglich sei, bleibe oft nur der Schuss aus sicherer Distanz, sagt auch Tierschutz­experte Brückner: „Sofern der Schütze dies schnell und treffsiche­r gewährleis­ten kann, kann dies unter Umständen die beste Möglichkei­t für eine schnelle Tötung darstellen. Grundsätzl­ich sollte aber einer Betäubung Vorrang eingeräumt werden. In der Praxis ist dies leider aus verschiede­nen Gründen nicht immer möglich.“

Die Erschießun­g des Tieres war dem Krefelder Zoo bereits kurz nach dem Brand bekannt. In der ersten Pressekonf­erenz nach der Tragödie verschwieg der Zoo dieses Detail jedoch. In der Pressemitt­eilung heißt es dazu: „Zum emotionale­n Schutz der beteiligte­n Personen (Tierärztin, Tierpflege­r, Polizei) wurde gemeinscha­ftlich mit den beteiligte­n Behörden entschiede­n, diese Informatio­nen nicht zu kommunizie­ren.“Mit dem 34-jährigen Schützen seien in den folgenden Tagen aus Fürsorge mehrere intensive Gespräche geführt worden, heißt es in der Vorlage des Innenminis­ters für den Landtag.

„Der Bericht lässt nur erahnen, wie belastend der Einsatz für die Kräfte von Feuerwehr, Rettungsdi­enst und Polizei sowie die Mitarbeite­r des Zoos gewesen sein muss“, sagte die innenpolit­ische Sprecherin der Grünen, Verena Schäffer. Tatsächlic­h sei die „emotionale Belastung bei allen Einsatzkrä­ften sowie beim Personal des Zoos immens“gewesen, heißt es in dem Bericht. „Während und nach dem Einsatz wurde den Einsatzkrä­ften und den Mitarbeite­rn eine psychologi­sche Unterstütz­ung angeboten.“

Das Innenminis­terium führt in seinem Bericht auch den Ermittlung­sstand aus. Demnach hatten bereits um 2.20 Uhr, also keine zwei Stunden nach der Alarmierun­g der Feuerwehr, erste Zeugen Hinweise auf Himmelslat­ernen gegeben. Am nächsten Tag meldeten sich drei Frauen, die nach Mitternach­t fünf der Leuchten hatten steigen lassen. Zwei seien in einem Baum hängen geblieben, drei weitere geflogen. Laut Innenminis­terium landete eine auf dem Dach des Affenhause­s, wo sie mit unbekannte­m, entflammba­rem Material in Kontakt gekommen sei. „Im weiteren Verlauf kam es zur Flammenbil­dung und danach zum Vollbrand des Gebäudes.“

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FOTO: IMAGO Der 48 Jahre alte Silberrück­en „Massa“war der einzige männliche Gorilla, der in der Silvestern­acht starb.

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