Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Koalition ringt um Kohle-Entschädigung
Die Bundesregierung, mehrere Ministerpräsidenten und Energiekonzerne verhandeln, wie viel Geld für den Kohleausstieg an RWE und Co. fließen soll. Die Interessen in Ost und West gehen dabei stark auseinander.
BERLIN (jd/dpa) Vor fast einem Jahr hat die Kohlekommission den Ausstieg aus der Verstromung von Braun- und Steinkohle beschlossen. Jetzt kommt offenbar Bewegung in die Verhandlungen um Entschädigungssummen für die Betreiberkonzerne. Bundesregierung und Braunkohle-Unternehmen sind sich über einen Plan fürs Abschalten der Kraftwerke weitgehend einig, wie es am Mittwoch aus Verhandlungskreisen hieß. Die vier betroffenen Länder NRW, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen sollten am Mittwochabend bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt an Bord geholt werden. Vorab forderten vor allem die Ost-Länder Sicherheit für ihre Regionen und warnten vor einem „OstWest-Konflikt“bei der Kohle.
Spätestens 2038 soll Schluss sein mit der Stromgewinnung aus Kohle. Dafür hat die Kohlekommission im Januar 2019 ein Konzept vorgelegt. Die vier Kohleländer sollen insgesamt 40 Milliarden Euro Hilfen für den Umbau ihrer Wirtschaft und neue Jobs bekommen. Für Steinkohle-Kraftwerke soll es zunächst Ausschreibungen geben, so dass Betreiber sich aufs Abschalten gegen Entschädigung bewerben können. Komplizierter ist die Braunkohle, wo es auch um Tagebaue geht. Seit Monaten verhandeln Bund und Betreiber über Entschädigungen. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, man habe sich „weiter aufeinander zubewegt“. Der Haushaltsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs, warnte jedoch vor überzogenen Summen: „Die im Raum stehenden Zahlen scheinen mir sehr hoch gegriffen und führen derzeit vor allem zu einem Anstieg der Aktien der Unternehmen.“Man werde sich das Thema im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Strukturwandel und zum Kohleausstieg genau anschauen. „Als Haushaltsgesetzgeber müssen wir am Ende des Tages die Mittel auch für mögliche Entschädigungen der Braunkohlekraftwerksbetreiber freigeben“, sagte Kahrs. Das könne Bundeswirtschaftsminister Altmaier sicher nicht im Alleingang entscheiden. „Uns Sozialdemokraten geht es bei dem ganzen Prozess um eine sozialgerechte Ausgestaltung“, so Kahrs.
Die Kohle-Länder forderten vor dem Kohlegipfel verbindliche Zusagen. Bereits am Montag hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet eine Garantie des Bundes für die Zahlung der 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen verlangt, die die Länder bis 2038 für den Kohleausstieg
erhalten sollen. „Diejenigen, die Strukturwandel vor Ort gestalten, müssen sich darauf verlassen können, dass die notwendigen zusätzlichen Finanzmittel unstrittig zur Verfügung stehen – langfristig, verbindlich und unabhängig von künftigen Wahlterminen“, sagte Laschet. Auch Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) pochte auf Verlässlichkeit: „Unsicherheit ist das Schlimmste, was uns passieren kann.“Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warb für ein Sondervermögen: „So dass das Geld bereit liegt, egal, was passiert“, sagte er. Bayern forderte die Kohleländer dagegen auf, den Blick für das „rechte Maß“zu behalten.
Umstritten war auch, ob das neue Steinkohle-Kraftwerk Datteln 4 in NRW ans Netz darf. Betreiber Uniper hatte vorgeschlagen, dafür etwa das Braunkohle-Kraftwerk in Schkopau (Sachsen-Anhalt) früher abzuschalten.