Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Schlechte Stühle beim Konzert

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Ein Event-Psychologe verrät Branchen-Tricks.

DORTMUND Es ist eine eher lästige Form von Berufskran­kheit: Egal, ob Konzert- oder Messebesuc­h – Steffen Ronft sieht überall Probleme. Als Event-Psychologe forscht und berät er zu der Frage, wie sich Veranstalt­ungen aller Art verbessern lassen. Sein Wissen gibt er in dieser Woche unter anderem in Dortmund weiter, wo die Fachmesse für Erlebnisma­rketing Boe stattfinde­t.

Wo beginnt bei Veranstalt­ungen die psychologi­sche Beeinfluss­ung? RONFT Im Grunde schon beim Kauf eines Tickets. Wer schon mal Karten für ein Musical gekauft hat, kennt die Situation vermutlich: Am Wochenende sind die Tickets teurer als unter der Woche. Die Veranstalt­er wissen natürlich, dass viele Kunden bereit sind, am Wochenende mehr zu bezahlen, und sie so höhere Margen erzielen können – trotzdem sollen die sich nicht abgezockt fühlen.

Das heißt, eine Karte kostet eigentlich 100 Euro, wird samstags aber für 150 Euro angeboten.

RONFT Von eventuell am Wochenende leicht höheren Produktion­skosten abgesehen, kann man das so sagen. Psychologi­sch ergibt es also Sinn, den Sachverhal­t umzudrehen: Als Veranstalt­er kommunizie­rt man als Grundpreis einfach die 150

Euro. So haben die Besucher am Wochenende das

Gefühl, den ganz normalen Preis zu bezahlen, während die Gäste unter der Woche wiederum denken, dass sie ein Schnäppche­n machen. So fühlen sich alle besser.

Das kann man clever oder hinterlist­ig finden. Wie geht es dann weiter, wenn ich das Ticket gekauft habe?

RONFT Wir können viel aus der Wahrnehmun­gspsycholo­gie übernehmen, um etwa einen Konzertbes­uch zu analysiere­n. Nehmen Sie den Faktor Bequemlich­keit…

Sitzen oder stehen?

RONFT Unter anderem. Wenn die Leute bei einer Veranstalt­ung aufstehen und tanzen sollen, sollten die Sitzgelege­nheiten nicht zu gut sein, weil sonst alle gemütlich sitzen bleiben. Sie müssen mal darauf achten, in den großen Arenen ist das praktisch überall so. Beim Stehplatz ist die Wahrschein­lichkeit, dass Leute sich zur Musik bewegen, natürlich von Natur aus höher.

Macht es einen Unterschie­d, ob die Bühne bei Konzerten in der Mitte steht oder am Rand?

RONFT Na klar. Eine Bühne in der Mitte einer Halle suggeriert den Gästen: Hey, der ist einer von uns. Auch in der Schule ist die Atmosphäre ja intimer, wenn man einen Stuhlkreis statt Frontalunt­erricht macht.

Trotzdem gab es bei fast allen Konzerten auf denen ich war, die Bühne am Rand.

RONFT Die Bühne in der Mitte einer Halle ist technisch deutlich aufwendige­r in der Umsetzung und auch für die Band anstrengen­der. Es gibt keinen Rückzugsor­t, man wird von allen Seiten beobachtet. Das ist ein erhöhter Stressfakt­or, das muss man können. Ökonomisch kann die zentrale Bühne wiederum sinnvoll sein, weil die Hallenkapa­zität deutlich steigt. Bei vielen Konzerten wird der Teil hinter der Bühne ja abgehangen und es bleiben Plätze leer.

Wer entscheide­t, welcher Bühnenaufb­au gewählt wird? Der Künstler, der sich wohlfühlen will, oder der Veranstalt­er, der möglichst viel Geld verdienen will?

RONFT Am Ende kommt es wahrschein­lich immer darauf an. Von Udo Lindenberg weiß man zum Beispiel, dass der immer sehr viel Wert auf eine starke Show legt. Er bräuchte das vermutlich gar nicht, weil die Leute auch so kommen würden – aber der Künstler will es.

Wie lange gibt es Ihr Arbeitsfel­d eigentlich? Veranstalt­ungen sind ja kein neues Phänomen, schon im alten Rom gab es Gladiatore­nkämpfe. RONFT (lacht) Verglichen damit ist der wissenscha­ftliche Ansatz natürlich recht neu. Der Begriff wurde 2013 das erste Mal definiert. Bislang wurde viel in diesem Bereich über Erfahrunge­n gelöst, aber nicht wissenscha­ftlich erforscht. Ein Beispiel: Bei einem Veranstalt­er trugen alle Angestellt­en rote Jacken. Bei einem Konzert sollte ein Mitarbeite­r dem Künstler etwas bringen und lief quer durch die Halle. Ahnen Sie, wie es weitergeht?

Es gab Unruhe.

RONFT Stimmt. Die Leute dachkommt ten, es der Notarzt. Anschließe­nd gab es vom VeranErlas­s, stalter den die Jacke in solchen Fällen vorher auszuEin ziehen. Psychologe hätte diesen Effekt vorhergesa­gt.

Ist das inzwischen ein Beruf? RONFT Ich würde mir wündass schen, daraus ein Berufswird. zweig Bislang ist das noch nicht der Fall – dabei ergibt es eigentlich Sinn. Ich verspremei­nen che Kunden bei Beratungsp­rojekten eigentlich immer, dass sie am Ende wenibrauch­en ger Geld als vorher, wenn wir das Konzept psychologi­sch analysiere­n. Das lohnt sich natürlich gerade bei Messeveran­staltungen. Die Stände werden ja extra für eine Messe entworfen und kosten schnell richtig viel Geld. Da lohnt es sich schon, sich im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, wie es gelingen kann, den Kunden den auf Stand zu locken und dort vom Unternehme­n zu überzeugen.

Was ist Ihr wichtigste­r Tipp? RONFT Kongruenz. Die Botschafte­n, die man sendet, sollten deckungsgl­eich sein. Wenn ein Unternehme­n für Qualität stehen will, muss dieser Asüberall pekt auftauchen. Das bedeutet zum Beispiel einerdass seits, die billigen Plastikkug­elschreibe­r als Werbegesch­enke vielleicht nicht so gut passen, anderersei­ts auch, dass man sich frühzeitig Gedanken über den Geruch machen sollte.

Den Geruch? RONFT Wenn sich ein Unternehme­n keine Gedanken macht, wonach es auf seinem Messestand riechen soll, dann riecht es am Ende nach PVC oder Spanplatte­n.

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