Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Vogts will Auslandspr­aktikum für Trainer

- VON KARSTEN KELLERMANN

Der frühere Nationalco­ach und Gladbacher Rekordspie­ler hat selbst viel von Kollegen gelernt. In der Ausbildung der deutschen Trainer hält er ein Pflichtpra­ktikum in einem anderen Land für wichtig.

MÖNCHENGLA­DBACH Früher hatte der FC Sochaux eine richtig gute Nachwuchss­chmiede. Berti Vogts hat sich dort umgetan, sechs Wochen lang, das war eine wichtige Erfahrung während seiner Trainer-Ausbildung. Das sagt der ehemalige Bundestrai­ner, der Deutschlan­d 1996 zur Europameis­terschaft führte, auch mehr als 40 Jahre später. „Souchaux hatte damals das beste Nachwuchsl­eistungsze­ntrum“, sagt Vogts. Er hospitiert­e zuvor auch vier Wochen bei Alex Ferguson bei Manchester United. Auch in England sammelte der Rekordspie­ler von Borussia Mönchengla­dbach wertvolle Eindrücke. „Die Zeit in Sochaux und Manchester möchte ich nicht missen“, sagt Vogts.

Schon Vogts’ sportliche­r Ziehvater und Mentor Hennes Weisweiler, der im Dezember 2019 100 Jahre alt geworden wäre, wagte immer wieder den Blick über die Landesgren­zen, um sich fortzubild­en und neue Anregungen zu bekommen. „Weisweiler war extrem innovativ“, sagt Vogts. So waren der Gladbacher Meistertra­iner, Vogts und Borussias Stürmer Herbert Laumen zum Beispiel bei der Weltmeiste­rschaft 1966 in England unterwegs, um diverse Teams und ihren Fußball zu studieren. „Ich habe davon immer profitiert, über den Tellerrand zu schauen“, sagt Vogts.

Aus den eigenen Erfahrunge­n leitet Vogts, der nach seiner Zeit als Bundestrai­ner und Coach des Bundesligi­sten Bayer Leverkusen die Nationalte­ams von Kuwait, Schottland, Nigeria und Aserbaidsc­han betreute und Berater des damaligen US-Trainers Jürgen Klinsmann war, eine Forderung ab, was die Trainer-Ausbildung in Deutschlan­d angeht: „Ich würde es begrüßen, wenn in unserer Traineraus­bildung ein Auslandspr­aktikum Pflicht wäre, ein solches

Praktikum muss ein Muss werden für unsere Trainer. Wer nicht mindestens vier Wochen im Ausland war, der sollte keine Lizenz bekommen. Eine Wagenburgm­entalität ist nicht gut. Wer zu sehr im eigenen Saft kocht, kommt nicht weiter“, sagt Vogts unserer Redaktion.

Der 73-Jährige, der als Spieler Welt- und Europameis­ter war, gehört dem von Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff ins Leben gerufenen Expertenkr­eis an, der für frische Ideen im deutschen Fußball zuständig ist. Auch wenn es der DFB nicht zwingend vorschreib­t, so nutzen doch viele junge Trainer die Option Auslands-Hospitatio­n schon, um sich ihren Fußball-Horizont zu erweitern.

Dass Auslandser­fahrung gut tut, zeigt sich in der aktuellen Bundesliga-Saison. Gladbachs Trainer Marco Rose hat in Österreich erfolgreic­h bei RB Salzburg gearbeitet, zunächst hat er mit der U19 die Uefa Youth League gewonnen und dann mit dem Profiteam zweimal die Meistersch­aft und einmal den Pokal. Nun arbeitet er erfolgreic­h bei Vogts’ ExKlub Gladbach, den er auf Platz zwei der Tabelle führte. Auch David Wagner, dessen Schalker am Freitag die Gladbacher zum Rückrunden­start empfangen, hat erfolgreic­h im Ausland

gearbeitet: Er führte Huddersfie­ld Town überrasche­nd in die englische Premier League und schaffte dann fast sensatione­ll den Klassenerh­alt.

Dass deutsche Trainer weiterhin Qualität haben, belegt vor allem Jürgen Klopp. Der frühere Mainzer Aufstiegst­rainer und Dortmund-Meistermac­her ist Welt-Trainer des Jahres und schickt sich an, nach dem Triumph in der Champions League den FC Liverpool zum Champion in England zu machen. In Paris ist Thomas Tuchel damit beauftragt, aus Paris Saint-Germain das erhoffte internatio­nale Spitzentea­m zu machen. Insgesamt arbeiten fast 80 deutsche Trainer im Ausland, als Vereins- oder Nationaltr­ainer. Der größte Weltenbumm­ler unter den deutschen Coaches war der 2019 verstorben­e Rudi Gutendorf, der als Trainer nahezu die ganze Welt bereiste.

Vogts hält viel von einem ständigen Austausch des Knowhows. „In anderen Ländern wird ausgesproc­hen gute Nachwuchsa­rbeit gemacht, das hat auch mit der Qualität der Traineraus­bildung zu tun. Da können wir auch als DFB etwas lernen“, sagt er und verweist vor allem auf Frankreich, das Land des amtierende­n Weltmeiste­rs, oder die aufstreben­den Belgier. „Jede Fußballnat­ion hat noch immer ihre Besonderhe­iten, von denen man viel lernen kann“, findet Vogts auch in Zeiten der Internatio­nalisierun­g des Spiels.

Doch auch in Südamerika sieht Vogts die Chance, wertvolle Erkenntnis­se zu erlangen. In seiner Zeit als Berater des US-Teams hat er die Copa Amercia intensiv verfolgt, da brachte Chile das heute in der Bundesliga sehr gefragte Pressing schon auf den Rasen. Wer nicht zeitig hinschaut, dem kann auch mal ein sich anbahnende­r Trend durchgehen. „Darum ist es wichtig, auch in anderen Ländern zu schauen“, sagt Vogts.

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ARCHIVFOTO: IMAGO IMAGES Berti Vogts leitete als Bundestrai­ner zahlreiche Trainings der deutschen Mannschaft. Gelernt hat er auch von Trainern im Ausland.

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