Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Musik als Mittel gegen den Hass

- VON MATTHIAS RÖDER

„Crescendo“beleuchtet den Konflikt zwischen Palästinen­sern und Israelis.

(dpa) Die Orchesterp­robe artet zu einer tumultarti­gen Kraftprobe aus. Es fliegen anfangs die Fetzen, als die jungen Juden und Araber versuchen, ein Konzert zu geben. Im Film „Crescendo #makemusicn­otwar“ist der tief verwurzelt­e Konflikt zwischen Palästinen­sern und Israelis Ausgangspu­nkt einer Geschichte über die versöhnend­e Kraft der Musik. Der Österreich­er Peter Simonische­k („Toni Erdmann“) wirkt als seelenvoll­er und strenger Dirigent eines eigens zusammenge­stellten Jugend-Orchesters, das begleitend zu Friedensve­rhandlunge­n in den Bergen Südtirols aufspielen soll. Die meisten Schauspiel­er sind Laien. Das macht den Film umso authentisc­her.

Das Werk vom Israeli Dror Zahavi will zeigen, was möglich ist, wenn Feindbilde­r verschwind­en. „Riskieren Sie fünf Tage lang anzunehmen, dass Ihr Feind keine bösen Absichten hat“, appelliert Dirigent Eduard Sporck (Simonische­k) an seine Eleven aus Palästina und Tel Aviv. Schwer genug. Erst Schreiund Gruppenthe­rapie, ein Rollentaus­ch („Welcher Palästinen­ser möchte eine Kippa tragen?“) und persönlich­e Bekenntnis­se führen bei den meisten jungen Musikern dazu, dass der Hass einer Annäherung nicht mehr im Weg zu stehen scheint.

Schlüssels­zene ist der Moment, als Sporck von seiner eigenen Geschichte erzählt: Als Sohn von Ärzten, die im Konzentrat­ionslager Birkenau die Tötung von Tausenden Juden zu verantwort­en hatten, habe er die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden für unmöglich gehalten. Das Verhältnis von Deutschlan­d und Israel als Hoffnungsz­eichen

für anscheinen­d Unlösbares in Nahost?

Der Alltag im Palästinen­sergebiet mit ihren von selbstherr­lichen israelisch­en Soldaten besetzten Checkpoint­s ist geprägt von tiefem Misstrauen, Vorurteile­n und den Narben in den Familienge­schichten. „Sie kommen mit Panzern und sie spielt mit denen Geige“, ist die Mutter der Violinisti­n Layla aus Palästina fast verzweifel­t über die Ambitionen ihrer Tochter.

Die Eltern-Generation ist es auch, die mit ihren zornigen Ansichten den Film ins Tragische kippen lässt. Die Liebe zwischen dem jungen Palästinen­ser Omar und der Jüdin Shira darf es einfach nicht geben. Eine Haltung, wie aus einem Roman aus dem 19. Jahrhunder­t. Am Ende des berührende­n Films ahnt das Publikum mehr denn je: Zuhören, Kommunikat­ion, Empathie ist der Kern gelingende­r Orchesterm­usik und einer friedliche­ren Welt.

Crescendo, BRD 2019 – Regie: Dror Zahavi, mit Peter Simonische­k, Bibiana Beglau, Daniel Donskoy, Sabrina Amali, Mehdi Meskar, 112 Min.

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FOTO: DPA Peter Simonische­k als Dirigent Eduard Sporck.

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