Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Kohle-Aus kostet 6000 RWE-Jobs
Die Beschäftigten in NRW tragen die Hauptlast des Kohleausstiegs. RWE bekommt 2,6 Milliarden Euro Entschädigung. Das umstrittene Kraftwerk Datteln darf ans Netz.
BERLIN/DÜSSELDORF Nach langem Ringen haben sich Bund und Länder auf einen Stilllegungszeitplan für die 30 deutschen Braunkohle-Kraftwerksblöcke bis 2038 geeinigt. Das erste RWE-Kraftwerk soll noch im Laufe dieses Jahres vom Netz gehen.
Der Essener Energiekonzern will nun bis 2030 in der Braunkohle 6000 Stellen abbauen, wie RWEChef Rolf Martin Schmitz ankündigte. Allein im ersten Schritt bis 2023 fallen über 3000 Stellen in Kraftwerken und Tagebauen weg. „Das zeigt die volle Tragweite der Entscheidung“, sagte Schmitz. Der Abbau solle sozialverträglich erfolgen. Für Beschäftigte ab 58 Jahren soll es das vom Bund bis 2043 bezahlte Anpassungsgeld geben.
Insgesamt will RWE bis Ende 2022 knapp drei Gigawatt vom Netz nehmen. Die Tagebaue Hambach und Inden enden 2029, Garzweiler wird bis 2038 ausgekohlt. Entsprechend gehen für Garzweiler auch die Umsiedlungen
und der Abriss von Dörfern wie geplant weiter.
Für den vorzeitigen Kohle-Ausstieg zahlt der Bund hohe Entschädigungssummen. Allein RWE bekommt 2,6 Milliarden Euro vom Staat, die Betreiber der ostdeutschen Kraftwerke erhalten 1,75 Milliarden Euro. Insgesamt kommen auf die Steuerzahler Kosten von mindestens 50 Milliarden Euro zu, davon 40 Milliarden als Strukturhilfen für die Regionen.
Entgegen den Beschlüssen der Kohlekommission vor einem Jahr soll das moderne Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in den Dauerbetrieb gehen. Dafür werden andere westdeutsche Braunkohle-Kapazitäten früher als geplant abgebaut. Auch das ostdeutsche Kohlekraftwerk Schkopau darf noch bis 2034 betrieben werden. Ein Ost-WestKonflikt um die Betriebsdauer einzelner Kraftwerke wurde damit aufgelöst. Auch der Hambacher Forst bleibt stehen.
Mit dem Kompromiss konnten Bund und Länder Hindernisse beim längst beschlossenen Kohleausstieg aus dem Weg räumen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will das Kohleausstiegsgesetz nun Ende Januar ins Kabinett bringen.
Allerdings zeigten sich Klimaschützer sowie die Grünen empört über die Vereinbarungen. Der Ausstiegspfad sei nicht ambitioniert genug, der Abbau von Kraftwerksleistung komme zu spät. Die Ministerpräsidenten der vier Kohle-Länder reagierten dagegen zufrieden. „Wir haben uns auf ein Paket der Vernunft geeinigt, das die verschiedenen berechtigten Anliegen aus Schutz für das Klima, Strukturstärkung für die betroffenen Regionen und Versorgungssicherheit für unsere Industrie zusammenbringt“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). NRW übernehme 70 Prozent der zu reduzierenden Kapazitäten bis 2029. Dann wird auch überprüft, ob der gesamte Ausstieg auf 2035 vorgezogen werden kann.
„Der nationale Alleingang beim Ausstieg aus der Kohleverstromung wird unnötig teuer“, kritisierte hingegen Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel. „Sinnvoller wäre es, auf das bewährte Instrument des europäischen Zertifikatehandels zu setzen.“Die Umweltorganisation BUND nannte den Stilllegungsplan einen „Skandal“, weil ein großer Teil der Kraftwerksleistung erst nach 2030 abgeschaltet würde. Die Inbetriebnahme von Datteln 4 sei nicht von der Kohlekommission vorgesehen. Es werde so zum neuen Symbol der Umweltbewegung.