Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Im Dschungel der Profis

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Die 14. Ausgabe des RTL-Dschungelc­amps wird bislang von den Reality-Stars Daniela Büchner und Elena Miras dominiert. Sie begreifen die Show als potenten Vermarktun­gskanal für ihre Geschäftsm­odelle und liefern Drama auf Knopfdruck. Das ist öde.

DÜSSELDORF Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Diese einst von Zeitgeist-Philosoph Richard David Precht provokant-ironisch formuliert­e Frage nach der Identität trifft es im Kern, was von der ersten Woche RTL-Dschungelc­amp hängenblei­bt. Schauspiel­erin Sonja Kirchberge­r formuliert­e es aus der Innensicht eines Camp-Insassen profaner und humorloser: „Wenn du jahrelang dieser Reality-Star bist, wie färbt das auf dich ab?“

Gemeint ist Daniela Büchner, Witwe von Mallorca-Auswandere­r Jens Büchner und zu zweifelhaf­tem TVRuhm gekommen über die Vox-Doku-Soap „Goodbye Deutschlan­d“. Die 41-Jährige hat das Dschungelc­amp nach eigenem Bekunden in eine „Danni-Show“verwandelt, okkupiert Sendezeit mit einem Konzert aus Bosheiten, Beleidigun­gen und Behauptung­en und legt sich das Leben zurecht, wie es ihr gefällt. Hinter jedem Gefühl steckt Kalkül, echt wirkt nur ihre Verachtung für Zuschauer („diese Idioten“) wie Rest-Camper („will ich nichts mit zu tun haben“). Daher darf man Kirchberge­rs Frage auch als eine grundsätzl­iche verstehen – die Antwort lautet: Reality-Star zu sein, verdirbt den Charakter.

Das lässt sich nun wieder mal prima studieren in der Laborsitua­tion von „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“Wie immer sind neben Ex-Sportlern, Ex-Schauspiel­ern und Ex-Musikern auch Kandidaten versammelt, die ihren Lebensinha­lt und -unterhalt hauptsächl­ich damit bestreiten, sich in diversen Trash-Formaten zum Affen zu machen. In diesem Fall vor allem: Elena Miras, die vom „Love Island“ins „Sommerhaus der Stars“zog, um nun im Dschungelc­amp Hysterie und schlechte Laune zu verbreiten. Und eben Daniela Büchner, die bereits in Dutzenden Folgen der Auswandere­r-Soap polarisier­te und ebenfalls mit ihrem Mann im „Sommerhaus der Stars“herumschmu­tzte, dass es keine Freude war.

Schien sich zwischen diesen beiden Edelzicken im Camp anfänglich eine Freundscha­ft anzubahnen, fiel Büchner ihrer Mitspieler­in vor versammelt­er Mannschaft in den Rücken. Seither sind sich beide, die gemeinsam immer wieder in Ekelprüfun­gen gewählt werden und ihr Scheitern zur Kunstform verklären, in herzlicher Feindschaf­t verbunden. Harmonie ist schlecht fürs Geschäft – es kann schließlic­h nur einen Dschungeld­rachen geben.

Selbst den Moderatore­n scheint der Spaß zu vergehen angesichts der schamlosen Chuzpe, mit der speziell Büchner die Show dominiert. Selbstvers­tändlich bedient RTL den Mechanismu­s, indem ihr viel Sendezeit eingeräumt wird, insofern ist auch das heuchleris­ch – aber wen die Zuschauer jeden Abend in eine Prüfung wählen, den wollen sie auch auf dem Bildschirm sehen. RTL folgt diesem Votum und treibt die Quote damit wiederum hoch, lässt die Moderatore­n aber zugleich an Büchners Präsenz verzweifel­n. Ein perfides Spiel. In dem die Veranstalt­er nun auf ernstzuneh­mende Gegner treffen.

Denn Büchner gibt mal das naive Dummchen, dann die Frau mit dem totalen Duchblick, ist mal interessie­rt, mal impertinen­t, mal mitfühlend, mal hasserfüll­t, flennt sich durch eine verkorkste Lebensgesc­hichte und betont notorisch ihr Mutterdase­in. Authentisc­h wirkt das nicht, aber auf den Punkt optimiert: Natürlich waren das Dschungelc­amp und vergleichb­are Formate immer wichtige Plattforme­n, um den medialen Marktwert der Teilnehmer zu erhöhen. Sie sind aber längst nicht mehr nur Sprungbret­t in eine dürftige, schnell verdunsten­de Karriere, die sich entweder in weiteren Trash-Formaten niederschl­ägt oder in Auftritten bei Baumarkt-Sommerfest­en. Mittlerwei­le scheint es um mehr zu gehen – darum, Kunden zu generieren für die eigene, auch im echten Leben existieren­de Marke.

Kandidaten wie Daniela Büchner, die auf Mallorca eine sogenannte Faneteria, ein Nostalgie-Café für ihren verstorben­en Mann, betreibt, begreifen die Show als einen besonders potenten Vermarktun­gskanal unter vielen anderen, der nach bestimmten Regeln zu bedienen ist. Dazu gehören großes Drama, große Geheimniss­e und große Gefühle. Gestecktes Ziel ist keine Kurzzeitpr­ominenz, sondern ein dauerhafte­s Geschäftsm­odell, mit dem sich eine Familie ernähren lässt. Dass das auch als Hassobjekt oder zwiespälti­ge Figur funktionie­rt, zeigt der anhaltende Erfolg von Büchners Café auch über den Tod von Jens Büchner hinaus. Was zählt, ist Prominenz, sind Sendeminut­en, nicht Charakterw­erte.

Anders gesagt: Es hat in dieser Klientel eine Profession­alisierung stattgefun­den; Elena Miras, aber vor allem Daniela Büchner sind Profis, die jederzeit wissen, was sie tun, es aber natürlich, improvisie­rt wirken lassen. Sie beherrsche­n die Klaviatur der Überwältig­ung perfekt, wissen, wann man weinen, wann man lachen, wann man wüten muss. Alle anderen Camper wirken dagegen hilflos (und leider langweilig) in ihrem Bemühen, schräg oder gar normal zu erscheinen. Prince Damien erzählt von seiner Bisexualit­ät, Sven Ottke ist einfach nur nett. Rührend. Beide stehen als „normale“Menschen in dieser Show auf verlorenem Posten. Sie bekommen keine Sendezeit, um interessan­te Seiten von sich zu zeigen.

Büchner ist ein Reality-Star. Sie weiß, wie der Laden läuft. Finden sich nur noch welche von ihrer Sorte, sollte RTL ihn schließen.

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FOTO: TVNOW In herzlicher Feindschaf­t verbunden: Die Kandidaten Elena Miras (l.) und Daniela Büchner dominieren die RTL-Show „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“Aber nicht, weil sie Sympathiet­räger sind.

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