Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Länder setzen höhere Strafen für Raser aus

Die Neuregelun­g des Bußgeldkat­alogs ist wegen eines Formfehler­s teils nichtig. Das sorgt für Verwirrung.

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BERLIN (jd/kib/mar) Mehrere Bundesländ­er wenden den neuen Bußgeldkat­alog mit deutlich höheren Strafen für Raser vorerst nicht mehr an. Das teilten die zuständige­n Landesmini­sterien von NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenbur­g-Vorpommern, Niedersach­sen, Sachsen und dem Saarland mit.

Grund für das Hin und Her ist eine seit April geltende Vorschrift, wonach ein Monat Führersche­inentzug droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 Stundenkil­ometer zu schnell. Zuvor galt dies bei Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en von 31 Stundenkil­ometern im Ort und 41 Stundenkil­ometern außerhalb. Das Ressort von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) hatte den Ländern nun mitgeteilt, dass diese in der neuen Straßenver­kehrsordnu­ng vorgesehen­en Fahrverbot­e wahrschein­lich nichtig sind – wegen eines „fehlenden Verweises auf die notwendige Rechtsgrun­dlage“. So hätte in der Eingangsfo­rmel der Verordnung der Verweis genannt werden müssen, das ist jedoch nicht geschehen. Dem Bundesverk­ehrsminist­erium war der Fehler nicht aufgefalle­n, den Landesmini­sterien ebenfalls nicht.

In der Praxis bedeutet das: Scheuer muss nacharbeit­en und eine Version der Bußgeldnov­elle vorlegen, die keinen Formfehler mehr enthält. Bis dahin haben die genannten Länder die Behörden angewiesen, Verstöße nach dem alten Bußgeldkat­alog zu ahnden. Das Innenminis­terium NRW betonte am Freitag beispielsw­eise, dass es selbst den Bußgeldkat­alog nicht zurück nimmt – sondern die Behörden in dem Erlass nur über die neue Linie des Bundesverk­ehrsminist­eriums

informiert. Denn eine solche Reform ist Sache des Bundes, die Länder dürfen eigenständ­ig nichts daran ändern. Für NRW und die anderen Länder heißt das, dass neue und laufende Bußgeldver­fahren nach der Rechtslage vor dem 28. April 2020 – also gemäß der alten Straßenver­kehrsordnu­ng – entschiede­n werden. Was mit bereits erteilten Bescheiden geschehen soll, will Scheuer erst mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) besprechen.

Scheuer hatte kurz nach Inkrafttre­ten der Novelle massiven Widerstand von Autofahrer­n bekommen und angekündig­t, Teile der Reform, in der es vor allem um einen besseren Schutz für Radfahrer geht, wieder zurücknehm­en zu wollen. Von Formfehler­n war da keine Rede. Im hessischen

Kirsten Lühmann (SPD) Verkehrsmi­nisterium will man an den Verschärfu­ngen festhalten. Eine Sprecherin von Minister Tarek Al-Wazir (Grüne) teilte mit, dass gravierend­e Verkehrsve­rstöße, wie das Fahren mit überhöhter Geschwindi­gkeit aus Gründen der Verkehrssi­cherheit deutlich stärker geahndet werden müssten als in der Vergangenh­eit. Wann eine fehlerfrei­e Novelle beschlosse­n werden kann, ist noch nicht absehbar.

Die verkehrspo­litische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Kirsten Lühmann, forderte, den Führersche­inentzug für Temposünde­r nach der Fehlerkorr­ektur des Gesetzes im Bundesrat so schnell wie möglich wieder auf die Agenda zu setzen. „Man bringt die Autofahrer durch höhere Bußgelder nicht dazu, ihr Verhalten zu ändern. Sie werden erst dann vorsichtig­er, wenn ein Fahrverbot droht“, sagte Lühmann. „Bußgelder schrecken die Leute nicht ab“, so die ausgebilde­te Polizistin.

„Man bringt die Autofahrer durch höhere Bußgelder nicht dazu, ihr Verhalten zu ändern“

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