Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Angeklagter soll in die Psychiatrie
Dem Mann wird vorgeworfen, einen städtischen Mitarbeiter erstochen zu haben.
KÖLN Fast immer verbergen Angeklagte ihre Gesichter vor den Fotografen hinter Aktenordnern oder Mappen. Doch Clemens K. schaut im Kölner Landgericht offen in die Kameras. Er habe jede Menge zu sagen, lässt er die Vorsitzende Richterin wissen. Die bremst ihn aus: „Alles schön der Reihe nach.“
K. ist wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Der 60-Jährige soll am 13. Dezember den städtischen Mitarbeiter Kurt B. und dessen Kollegin mit einem Messer angegriffen haben. Die beiden waren im Auftrag der Kämmerei unterwegs und wollten eine offene Forderung vollstrecken. Es ging um 380 Euro für einen Krankentransport, neun Monate vor der Tat. K. soll die Tür geöffnet und sofort auf Kurt B. eingestochen haben. Der 47-Jährige verblutete im Treppenhaus. Seine Kollegin wurde nicht verletzt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass K. paranoid schizophren und nicht schuldfähig ist. Sie hat für ihn die Unterbringung in der Psychiatrie beantragt. Und das ist es, was K. zuerst klären will: „Ich will eine echte Anklage, ich bin zurechnungsfähig und möchte auch so behandelt werden.“
Er streitet die Tat nicht ab, spricht aber von Notwehr. „Der hat nach mir geboxt, als ich die Tür aufgemacht habe“, sagt er über B. „Da habe ich zugestochen.“Das Küchenmesser habe er sich vorher vom Tisch geschnappt. Aus Angst, weil er die Situation, dass Fremde vor seiner Tür stehen und etwas von ihm wollen, schon gekannt habe. „Ich hatte aber nie die Absicht, den Mann zu töten.“
Angeklagter Clemens K.
Die Tat hatte Entsetzen ausgelöst – vor allem, weil sich herausstellte, dass K. nicht zum ersten Mal jemanden angegriffen hatte. Seit Ende der 90er Jahre war es immer wieder zu Zwischenfällen gekommen, er soll Nachbarn terrorisiert haben und wurde schließlich unter gesetzliche Betreuung gestellt. Im Laufe der Jahre weigerte sich ein Betreuer nach dem anderen, sich um den aggressiven Mann zu kümmern. Im März 2019 ging er mit einem Schraubendreher auf einen Arzt und eine städtische Mitarbeiterin los – auch diese Tat räumt er im Prozess ein. Die Frau wurde leicht verletzt. Sie hatte reflexartig eine lederne Mappe hochgerissen, sonst hätte der Schraubendreher sie mitten ins Gesicht getroffen. Das Betreuungsgericht hatte damals eine Begutachtung angeordnet. Der Arzt, zwei städtische Mitarbeiterinnen und zwei Polizisten wollten K. deshalb abholen.
Nach dem Angriff kam K. in die geschlossene Psychiatrie, wo er einen Pfleger mit einem Messer angriff. „Ich wollte raus aus dem Ding“, sagt er dazu. „Der Pfleger hatte ja die Schlüssel.“Nach sechs Wochen wurde er entlassen. Und wegen des nicht bezahlten Transports ins Klinikum stand schließlich Kurt B. vor seiner Tür. Bis zur Kämmerei war nicht durchgedrungen, wie gefährlich K. sein konnte. Dabei war Kurt B. es gewohnt, mit schwierigen Menschen umzugehen. Die Stadtverwaltung bezeichnete ihn als „besonnenen, ruhigen Menschen“. Er habe sein Gegenüber immer respektvoll behandelt. Doch am 13. Dezember hatte er keine Chance. Seine Kollegin und er waren völlig ahnungslos, als sie an der Tür des psychisch kranken Mannes klingelten.
Die Stadt Köln zog Konsequenzen: Es gibt jetzt ein Meldesystem, in dem Übergriffe auf städtische Mitarbeiter registriert werden. Ein Urteil wird für Mitte August erwartet.
„Ich bin zurechnungsfähig und möchte auch so behandelt werden“