Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Wandern mit Gütesiegel

- VON JULIA SIEGERS (TEXT) UND JANA BAUCH (FOTOS)

Der Naturpark Schwalm-Nette darf sich mehrerer zertifizie­rter Premium-Wanderwege rühmen, die alle einzigarti­ge Naturerleb­nisse bieten. Unsere Autorin hat die Zwei-Seen-Runde in Schwalmtal ausprobier­t.

SCHWALMTAL Am Parkplatz des „Mühlrather Hofs“beim Naherholun­gsgebiet Hariksee sind wir mit unserem Wegescout Dieter Polmans verabredet, übrigens bewusst in den frühen Abendstund­en. „Das ist die beste Zeit, um mit etwas Glück auch Wild beobachten zu können – und es ist weniger los“, sagt der Ehrenamtle­r, der sich für den Naturpark intensiv um „seinen Weg“kümmert: Schilder richtet oder ersetzt, wo gelegentli­ch welche „verschwind­en“, Gras schneidet, damit die Wegweiser immer gut zu sehen sind und auch schon mal kurzerhand zur Säge greift, wenn ein Ast zu weit über den Weg ragt oder ein kleinerer Baum nach einem Sturm umgestürzt ist.

Während wir losmarschi­eren rund um Laarer und Borner See bei Schwalmtal, klären wir als Erstes die Frage: Was macht einen Premium-Wanderweg aus? Dazu erklärt Dieter Polmans: „Das Deutsche Wanderinst­itut vergibt das Wandersieg­el alle drei Jahre nach Qualitätsk­riterien und verteilt Punkte.“Die gibt es für Wegeformat (Belag, Breite, Straßennäh­e …), Natur und Landschaft (Wald, Feld, Fluss, Gebirge …), Kultur und Zivilisati­on (gibt es auch Gestank, Lärm, triste Bebauung …) sowie Wanderleit­system und übergreife­nde Kriterien wie etwa Abwechslun­gsreichtum der Strecke.

Über mangelnde Abwechslun­g kann man sich nicht beklagen, wenn man mit Polmans unterwegs ist. Der hat das Fernglas immer dabei, zeigt hier auf einen Fasan in der Wiese, dort auf einen Hasen auf dem Acker oder auf einen markanten Baum voller Löcher: „Hier haben Spechte genistet, aber auch andere Vögel nutzen die Bruthöhlen nach ihnen“, erklärt der Wegescout, den man wirklich alles zu fragen können scheint. Aber er kann auch ganz ruhig werden: Wenn er mit Wandergrup­pen unterwegs ist, bietet er gerne an geeigneter Stelle eine wunderbare Achtsamkei­tsübung an, die jeder auch für sich allein machen kann. Einfach mal für ein paar Minuten nur dastehen, still sein und hören, was die Natur so macht: Gras raschelt, Vögel zwitschern, Wasser plätschert im nahen Flüsschen Schwalm, das der Region ihren Namen gab, eine Kirchturmg­locke schlägt – das ist Entschleun­igung pur und ja gerade das, was das Wandern für viele so attraktiv macht.

Zurück in der Realität erreichen wir nach einem schattigen Waldstück auf dem kiesig-sandigen Weg, vorbei am Laarer See, schließlic­h den Borner See, wo gleich zwei Picknickpl­ätze zu einer kleinen Pause einladen – entweder unterhalb der Kirche St. Peter, die schon seit etwa 1136 an diesem Ort steht oder ein Stück weiter am Sängerplat­z, jeweils mit schönem Blick auf den See.

Auch dazu hat Dieter Polmans interessan­te Informatio­nen parat: „Der Borner See entstand im 17. Jahrhunder­t durch den Torfabbau, wurde in den 70er-Jahren ausgebagge­rt und dient seitdem als Rückhalteb­ecken für die Wasserwirt­schaft der Region.“Und als Brutstätte für viele Wasservöge­l, wie wir uns gleich überzeugen können, sogar die hübschen Haubentauc­her sind dabei. Kein Wunder, dass der Naturpark gerade hier, unterhalb der Kirche, einen seiner „Wasser.Blicke“, besonders schöne Aussichtsp­unkte mit Bezug zum Wasser, eingericht­et hat. Auf der im Boden eingelasse­nen Metallplat­te befindet sich ein QR-Code, mit dem man Informatio­nen über den Standort abrufen kann.

In der idyllische­n Abendstimm­ung mit dem im Sonnenlich­t glitzernde­n See wird Polmans, der hauptberuf­lich als Verwaltung­sleiter in einer Kölner Seniorenei­nrichtung arbeitet, beinahe philosophi­sch: „Wenn man so einen Weg achtsam geht, kommt man dem Begriff Heimat sehr nahe.“Recht hat er, wie wir uns auch gerade bewusstmac­hen, nimmt man doch die Schönheite­n vor der eigenen Haustür „betriebsbl­ind“oft gar nicht mehr richtig wahr.

Unübersehb­ar sind allerdings die zahlreiche­n Kopfweiden auf dem nächsten Wegstück, „der“charakteri­stische Baum des Niederrhei­ns, sozusagen unkaputtba­r, da seine Wurzeln viel Wasser aufnehmen können und so mit Überschwem­mungen, aber auch Trockenhei­t bestens zurechtkom­men. In den hohlen Stämmen finden übrigens Steinkäuze gute Nistplätze. Und noch einen Baum zeigt Dieter Polmans, seinen Lieblingsb­aum, eine knorrige Buche, die er „Elefantenb­aum“nennt. Mittlerwei­le hat sich das Landschaft­sbild erneut gewandelt, wie es sich für einen anständige­n Premium-Wanderweg schließlic­h gehört. Wir sind in einem Auwald in der Nähe der Schwalm, auch der Bodenbelag hat sich verändert, ist mehr Wald- als Sandboden, wenn man darauf achtet, erkennt man auch, wie sich das Geräusch der Schritte verändert – ja, wir lernen durchaus dazu auf dieser Wanderung.

Und wir erfahren noch, dass dies früher ein sogenannte­r Hutewald war, in den das Vieh zum Weiden getrieben wurde. Dadurch entstand ein parkähnlic­her Charakter, da das Unterholz kontinuier­lich abgegrast wurde. An einer Stelle hat die Corona-Zeit im Frühjahr kreative Blüten getragen: Eine Künstlerin hat aus Materialie­n des Waldes kleine Figuren erstellt, die Elfen und Feen darstellen könnten, vielleicht auch Waldgeiste­r, in manchen Bäumen hängen Mobiles mit guten Wünschen – eine tolle Aktion, die sicher nicht nur kleine Entdecker begeistert. Entlang der auf diesem Stück begradigte­n Schwalm führt der Weg kurz darauf über eine Straße zur Mühlrather Mühle am Hariksee, deren beide Mühlräder noch von einer langen Tradition als Öl-, Getreide- und Sägemühle zeugen. Spannend ist auch die aufwendig angelegte Fischtrepp­e, die Aalen aus der Schwalm ermöglicht, das Wehr der Mühle zu überwinden und sich durch den Fluss dann weiter zu ihren Laichgründ­en in der Sargassose­e zwischen Florida und den Bermudas zu bewegen.

Zurück über die Straße erreichen wir nach knapp zwei Stunden wieder den Ausgangspu­nkt unserer Wanderung. Die Wege rund um Laarer und Borner See bleiben in sehr guter Erinnerung.

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Die Mühlrather Mühle hat eine lange Tradition, dort wurden Öl, Getreide und Holz verarbeite­t.
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Unterwegs in der Natur – das ist Entschleun­igung pur und macht Wandern für viele so attraktiv.
 ??  ?? Dieter Polmans ist Wegescout und kümmert sich ehrenamtli­ch um die Markierung­en.
Dieter Polmans ist Wegescout und kümmert sich ehrenamtli­ch um die Markierung­en.

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