Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Wandern mit Gütesiegel
Der Naturpark Schwalm-Nette darf sich mehrerer zertifizierter Premium-Wanderwege rühmen, die alle einzigartige Naturerlebnisse bieten. Unsere Autorin hat die Zwei-Seen-Runde in Schwalmtal ausprobiert.
SCHWALMTAL Am Parkplatz des „Mühlrather Hofs“beim Naherholungsgebiet Hariksee sind wir mit unserem Wegescout Dieter Polmans verabredet, übrigens bewusst in den frühen Abendstunden. „Das ist die beste Zeit, um mit etwas Glück auch Wild beobachten zu können – und es ist weniger los“, sagt der Ehrenamtler, der sich für den Naturpark intensiv um „seinen Weg“kümmert: Schilder richtet oder ersetzt, wo gelegentlich welche „verschwinden“, Gras schneidet, damit die Wegweiser immer gut zu sehen sind und auch schon mal kurzerhand zur Säge greift, wenn ein Ast zu weit über den Weg ragt oder ein kleinerer Baum nach einem Sturm umgestürzt ist.
Während wir losmarschieren rund um Laarer und Borner See bei Schwalmtal, klären wir als Erstes die Frage: Was macht einen Premium-Wanderweg aus? Dazu erklärt Dieter Polmans: „Das Deutsche Wanderinstitut vergibt das Wandersiegel alle drei Jahre nach Qualitätskriterien und verteilt Punkte.“Die gibt es für Wegeformat (Belag, Breite, Straßennähe …), Natur und Landschaft (Wald, Feld, Fluss, Gebirge …), Kultur und Zivilisation (gibt es auch Gestank, Lärm, triste Bebauung …) sowie Wanderleitsystem und übergreifende Kriterien wie etwa Abwechslungsreichtum der Strecke.
Über mangelnde Abwechslung kann man sich nicht beklagen, wenn man mit Polmans unterwegs ist. Der hat das Fernglas immer dabei, zeigt hier auf einen Fasan in der Wiese, dort auf einen Hasen auf dem Acker oder auf einen markanten Baum voller Löcher: „Hier haben Spechte genistet, aber auch andere Vögel nutzen die Bruthöhlen nach ihnen“, erklärt der Wegescout, den man wirklich alles zu fragen können scheint. Aber er kann auch ganz ruhig werden: Wenn er mit Wandergruppen unterwegs ist, bietet er gerne an geeigneter Stelle eine wunderbare Achtsamkeitsübung an, die jeder auch für sich allein machen kann. Einfach mal für ein paar Minuten nur dastehen, still sein und hören, was die Natur so macht: Gras raschelt, Vögel zwitschern, Wasser plätschert im nahen Flüsschen Schwalm, das der Region ihren Namen gab, eine Kirchturmglocke schlägt – das ist Entschleunigung pur und ja gerade das, was das Wandern für viele so attraktiv macht.
Zurück in der Realität erreichen wir nach einem schattigen Waldstück auf dem kiesig-sandigen Weg, vorbei am Laarer See, schließlich den Borner See, wo gleich zwei Picknickplätze zu einer kleinen Pause einladen – entweder unterhalb der Kirche St. Peter, die schon seit etwa 1136 an diesem Ort steht oder ein Stück weiter am Sängerplatz, jeweils mit schönem Blick auf den See.
Auch dazu hat Dieter Polmans interessante Informationen parat: „Der Borner See entstand im 17. Jahrhundert durch den Torfabbau, wurde in den 70er-Jahren ausgebaggert und dient seitdem als Rückhaltebecken für die Wasserwirtschaft der Region.“Und als Brutstätte für viele Wasservögel, wie wir uns gleich überzeugen können, sogar die hübschen Haubentaucher sind dabei. Kein Wunder, dass der Naturpark gerade hier, unterhalb der Kirche, einen seiner „Wasser.Blicke“, besonders schöne Aussichtspunkte mit Bezug zum Wasser, eingerichtet hat. Auf der im Boden eingelassenen Metallplatte befindet sich ein QR-Code, mit dem man Informationen über den Standort abrufen kann.
In der idyllischen Abendstimmung mit dem im Sonnenlicht glitzernden See wird Polmans, der hauptberuflich als Verwaltungsleiter in einer Kölner Senioreneinrichtung arbeitet, beinahe philosophisch: „Wenn man so einen Weg achtsam geht, kommt man dem Begriff Heimat sehr nahe.“Recht hat er, wie wir uns auch gerade bewusstmachen, nimmt man doch die Schönheiten vor der eigenen Haustür „betriebsblind“oft gar nicht mehr richtig wahr.
Unübersehbar sind allerdings die zahlreichen Kopfweiden auf dem nächsten Wegstück, „der“charakteristische Baum des Niederrheins, sozusagen unkaputtbar, da seine Wurzeln viel Wasser aufnehmen können und so mit Überschwemmungen, aber auch Trockenheit bestens zurechtkommen. In den hohlen Stämmen finden übrigens Steinkäuze gute Nistplätze. Und noch einen Baum zeigt Dieter Polmans, seinen Lieblingsbaum, eine knorrige Buche, die er „Elefantenbaum“nennt. Mittlerweile hat sich das Landschaftsbild erneut gewandelt, wie es sich für einen anständigen Premium-Wanderweg schließlich gehört. Wir sind in einem Auwald in der Nähe der Schwalm, auch der Bodenbelag hat sich verändert, ist mehr Wald- als Sandboden, wenn man darauf achtet, erkennt man auch, wie sich das Geräusch der Schritte verändert – ja, wir lernen durchaus dazu auf dieser Wanderung.
Und wir erfahren noch, dass dies früher ein sogenannter Hutewald war, in den das Vieh zum Weiden getrieben wurde. Dadurch entstand ein parkähnlicher Charakter, da das Unterholz kontinuierlich abgegrast wurde. An einer Stelle hat die Corona-Zeit im Frühjahr kreative Blüten getragen: Eine Künstlerin hat aus Materialien des Waldes kleine Figuren erstellt, die Elfen und Feen darstellen könnten, vielleicht auch Waldgeister, in manchen Bäumen hängen Mobiles mit guten Wünschen – eine tolle Aktion, die sicher nicht nur kleine Entdecker begeistert. Entlang der auf diesem Stück begradigten Schwalm führt der Weg kurz darauf über eine Straße zur Mühlrather Mühle am Hariksee, deren beide Mühlräder noch von einer langen Tradition als Öl-, Getreide- und Sägemühle zeugen. Spannend ist auch die aufwendig angelegte Fischtreppe, die Aalen aus der Schwalm ermöglicht, das Wehr der Mühle zu überwinden und sich durch den Fluss dann weiter zu ihren Laichgründen in der Sargassosee zwischen Florida und den Bermudas zu bewegen.
Zurück über die Straße erreichen wir nach knapp zwei Stunden wieder den Ausgangspunkt unserer Wanderung. Die Wege rund um Laarer und Borner See bleiben in sehr guter Erinnerung.