Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Mit dem Blick von außen
Seine Bewerbung kam überraschend. Doch der Polizeibeamte und Bundeliga-Schiri möchte nun Landrat werden.
Bitte stellen Sie sich doch kurz vor. Wer sind Sie – und was macht Sie aus?
GUIDO WINKMANN 46 Jahre alt, Familienvater, Polizeibeamter, Bundesliga-Schiedsrichter. Ich bin unabhängig und treffe klare Entscheidungen. Ich kann Menschen im Team werteorientiert führen und begeistern; ich übernehme gerne Verantwortung.
Was ist Ihr wichtigstes Thema im Wahlkampf – und wie wollen Sie es anpacken?
WINKMANN Für alle 16 – mit allen 16! Für die Bürger und die 16 Kommunen da sein, digitalisieren, wo möglich, Leistungen der Kreisverwaltung dezentralisieren, wo sinnvoll, trotzdem immer persönlich und nah am Bürger. Mit Einigkeit und unter Einbindung der Jugend einen attraktiven Kreis Kleve etablieren, damit Menschen gerne hier bleiben, hierher kommen oder nach dem Studium wieder zurückkommen.
Aus welchem Fehler haben Sie schon einmal gelernt?
WINKMANN Ich habe keine Angst nachzufragen, wenn ich etwas nicht weiß. Sachliche Kritik von anderen nehme ich nicht persönlich, sondern hinterfrage erst mein eigenes Handeln. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Ich habe drei Kinder, glauben Sie, ich mache da alles richtig ?
Sehen Sie Möglichkeiten, dem ÖPNV im Kreis neue Impulse zu geben?
WINKMANN Flexiblere Zeiten bei Bussen, das Ausstatten aller Verkehrsmittel des Öffentlichen Personennahverkehrs mit W-Lan und ein verlässlicher Regionalexpress Kleve-Krefeld-Düsseldorf sind von großer Bedeutung. Darüber hinaus können neue Mitfahrkonzepte Möglichkeiten sein. Es fahren täglich sehr viele Menschen einzeln auf der B 9 die Strecke von Kleve Richtung Geldern und zurück.
Wie wollen Sie bezahlbares Wohnen im Kreis ermöglichen? Setzen Sie auf Verdichtung im Inneren oder die Erschließung neuer Wohngebiete?
WINKMANN Ich halte grundsätzlich die Erschließung neuer Wohngebiete für zielführend – und dazu ergänzend: nicht mehr genutzte Industriegebäude oder alte Häuser könnten abgerissen und zu Mehrgenerationenquartieren entwickelt werden.
Wie beurteilen Sie die Infrastruktur im Kreis, auch digital – und wie wollen Sie dieses Thema vorantreiben?
WINKMANN Im Südkreis hat sich in Sachen Glasfaser bereits viel getan. Das ist schon super. Im Norden bewegt sich nun ebenfalls einiges. Die Einrichtung von W-Lan-Hotspots im öffentlichen Raum und Nahverkehr ist der nächste Schritt. Der Fachärztemangel im Kreis ist ein wichtiges Thema. Hier müssen wir bereits bestehende Konzepte weiter entwickeln.
Viele junge Familien beschäftigt erheblich, ob ihr Kind einen guten Kita-Platz bekommt – und wie es danach auf den Schulen weitergeht. Was macht der Kreis da schon richtig – und wo muss dringend nachgebessert werden?
WINKMANN Es gibt eine wirklich gute Bereitstellungszahl. Kita-Online oder die Einrichtung von Familienzentren sind in diesem Zusammenhang weitere Stichworte. Dauerhaft im Blick halten müssen wir die neuen Geburten – und Zuzugsraten, um gegebenenfalls gemeinsam und kurzfristig auf entstehende neue Bedarfe reagieren zu können.
Muss nach der Corona-Krise in den kommenden Jahren der Gürtel noch enger geschnallt werden? Oder ist jetzt die Zeit der Investitionen gekommen? Und wenn ja – in was?
WINKMANN Wir müssen uns zunächst so aufstellen, dass wir auf eine zweite Corona-Welle vorbereitet sind, dass wir auf massenhafte Impfungen vorbereitet sind. Gleichzeitig sollten zeitnah Gespräche mit einem wirtschaftlichen Expertengremium beginnen, das heterogen und breit gefächert besetzt ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Kreiswirtschaftsförderung bereits an diesem Thema dran ist.
Der Flughafen Weeze ist ein Streitthema. Wichtiger Wirtschaftsfaktor oder Fass ohne Boden? Wären Sie bereit, in Zukunft neue Millionen zuzuschießen – und wie muss sich der Flughafen entwickeln? WINKMANN Wir brauchen transparent exakte Zahlen, Daten, Fakten und künftig zu erwartende Rahmenbedingungen. Bei Entscheidungen ist eines immer wichtig:
Jeder muss sich hinterfragen, ob er – bei gleicher
Ausgangssituation – anders handeln würde, wenn der Airport und Arbeitsplätze in seiner Kommune, also etwa in Kerken, Kleve, Bedburg-Hau oder Emmerich angesiedelt wäre.
Immer wieder hat es in den vergangenen Jahren öffentlich auch Kritik an der Führung des Landrats gegeben. Stichworte: Kita-Streiks, Flüchtlinge, die nachts bei Minusgraden ausharren müssen, zuletzt die Leiharbeiter-Diskussion. Braucht es einen neuen Stil im Kreishaus? Und wo sehen Sie die Stärken des Kreises? WINKMANN Wichtige Probleme müssen analysiert und dann direkt angegangen werden. Es kommt nicht darauf an, welcher Mitarbeiter oder welche Fraktion eine gute Idee hat, sondern ob sie sinnvoll ist. Wir sollten offen sein für Neues, nicht nur in eigenen Zuständigkeiten und Bereichen denken, sondern immer die Einigkeit und das Wohl des gesamten Kreises sehen. Als begeisterungsfähiges Team im Kreishaus zusammen stehen und für die Menschen und Kommunen im Kreis da sein.
Es gibt viele Bereiche, die mich sehr stolz machen: Die Vielfalt unserer Wirtschaft – egal ob Landwirtschaft, Handwerk, Industrie, Handel, Tourismus oder Dienstleistung –, unsere Jugend, die sich politisch und ökologisch engagiert. Vereine und Ehrenamtliche, die das soziale Miteinander fördern. Ich möchte nicht nur dafür nachhaltige Rahmenbedingungen etablieren, sondern ein Wir-Gefühl im Kreis Kleve entwickeln.