Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Siegert – der Maler der Familien-Idylle
Das Klever Museum B.C. Koekkoek-Haus zeigt ab Sonntag, 5. Juli, Gemälde des Düsseldorfer Malers August Friedrich Siegert. Der Nachfahre des Malers, Walther Siegert, leitete später die Elefanten-Schuh in Kleve.
KLEVE Heute hätte der vielleicht fünfjährige Knirps stolz ein Smartphone in der Hand – doch 1870 ist es noch ein abgegriffener Buchschinken, der ihn so groß sein lässt, so geradezu weltmännisch. Das Gesicht leuchtet auch hier wie im Schein eines Smartphone-Displays und die blauen Augen blicken stolz – und (hätte es sie damals schon gegeben) voller Coolness den Betrachter an: Hier bin ich groß, hier darf ich sein, spricht aus ihnen beredt. Hier im dicken brokatbezogenen Sessel mit den schweren hölzernen Armlehnen. Und damit er noch ein bisschen Erwachsener wird – immerhin liegt ja Großvaters Pfeife mit dem kostbaren Porzellenkopf lässig in seiner Hand – thront der Knirps mit blondem Schopf auf einem mächtigen Folianten.
„Im Studiersessel“oder „Der kleine Bibliothekar“hat August Friedrich Siegert das etwa 40 mal 50 Zentimeter große Gemälde genannt. Es ist eine von mehreren Varianten mit verschiedenen Kindern auf dem selben Sessel, alle in der selben Pose. Ein Motiv, das ankam und das der geschäftstüchtige Maler aus Düsseldorf dann eben auch in diversen Varianten auf die Leinand brachte. August Friedrich Siegert wurde vor 200 Jahren (1820) in Neuwied geboren und starb 1883 an den Folgen einer Blutvergiftung. Die hatte er sich am Mittelfinger zugezogen und stammt wohl von seinen bleiversetzten Farben. Er zählt zu den Malern der Düsseldorfer Schule.
Jetzt, zu seinem 200. Geburtstag, haben ihn seine Ur-Ur-Ur-Enkelin Annegret Stein und Kleves ehemaliger Museumsdirektor Drs. Guido de Werd eine Ausstellung gewidmet: Zunächst im Stadtmuseum Düssedorf und jetzt im Haus Koekkoek. „Hier ist er als Romantiker im Haus der romantischen Malerei richtig gut aufgehoben. Sozusagen zuhause“, sagte Ursula Geisselbrecht-Capecki, künstlerische Leiterin des Hauses, bei der Vorstellung der Ausstellung.
Seine Eltern brachten den talentierten Jungen zum berühmten Direktor der Düsseldorfer Akademie Wilhelm von Schadow: Er möge ihn, wenn er meine, dass dieser Talent habe, gerne behalten, sonst würden man ihn wieder mitnehmen, erzählt Annegret Stein die Anekdote, wie aus Siegert ein angesehner, geschäftlich erfolgreicher Künstler wurde. Er habe schon das Talent, erklärte Schadow den Eltern. Nach dem Studium an der Akademie reiste Siegert durch Europa, blieb geraume Zeit in München und kam zurück nach Düsseldorf, wo er sesshaft wurde. Er war hier Mitglied im legendären Künstlerverein Malkasten und wurde, weil er so meisterhaft das Kostüm-Genre beherrschte, 1859 in die Amsterdamer Akademie aufgenommen. 1872 berief man ihn zum Professor an die Kunstakademie in Düsseldorf.
Vor allem seine Kinder-Bilder begeistern bis heute das Publikum: Besonders „Der kleine Bibliothekar“oder mehr noch der kleine Junge, der als „Kunstfreund“gebückt vor dem Historienbild mit der kämpfenden Reiterei steht. Letzterer ist wahrscheinlich Siegerts Sohn Adolf. Im Hintergrund ist hier ein Maler zu sehen. Es soll, so Stein, nicht Siegert, sondern dessen Freund, der Norweger Adolph Tidemand (1814 bis 1876) sein. Der war auch Patenonkel von Adolf. Das Schlachtengemälde, das in einer schwarzen Holzkiste zum Abtransport bereit steht, stammt wahrscheinlich von Wilhelm Camphausen (1818 bis 1885). Dem zeigt Siegert, dass er, der Maler der Genres, auch dieses Thema beherrscht. Zudem war Siegert detailverliebt: der kleine Adolf ist in der Betrachtung der Schlachtenszene so versunken, dass er sein hölzernes Pferd ganz vergessen hat. Dabei war seine Mutter Sophie von dem „dicken putzigen Jungen“letztlich auch deshalb so begeistert, weil er sein „Hottopferd“so schwungvoll durchs Zimmer zog. Und auch das hat Siegert überliefert: Das Brett, auf dem das Pferd auf Rollen steht, ist schon tüchtig lädiert und die Schnur mehrmals geknotet...
August Friedrich Siegert liebte diese familiären Idyllen, so wie seine anderen Arbeiten als romantisch-idyllische Genrebilder aufgebaut sind. Ob es nun die Wirtshausszenen sind oder die Blicke in Dachkammern oder die züchtigen Mägde vor sonnendurchfluteten Fenstern oder der von vielen Malern so geliebte Liebesdienst: Wo das Dienstmädchen dem einfachen Soldaten ein Glas Wein schenkt, das er genußvoll trinkt, während sie die „gute Gesellschaft“im anderen Raum im Auge behält.
Siegert hat dokumentiert, den Liebesdienst für 1700 Taler an den Hamburger Kaufmann Eduard Heerlein und seine Freunde verkauft zu haben, die es später der Hamburger Kunsthalle stifteten. Siegert wiederum stiftete den Erlös für den deutsch-französischen Krieg 1870/71. 1920 erwarb sein Sohn Adolf das Bild zurück. Anhand des Geschäftsbuches lässt sich das Werk Siegerts gut zurück verfolgen. So konnten für die Ausstellung de