Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Geburtstagsgrüße für Beethoven
Pianistin Susanne Kessel spielt in der Stadthalle „piano pieces“
KLEVE Massiv reduzierte Bestuhlung, Maskenpflicht und ein scharfer Geruch nach Desinfektionsmittel: In der Klever Stadthalle war nichts wie sonst. Und doch tat es gut, sich wieder mit echten Menschen an einem realen Ort zu versammeln, um gemeinsam Musik zu hören. Sichtlich berührt zeigte sich auch Pianistin Susanne Kessel, die aufgrund der Corona-Pandemie seit Monaten nur Konzerte in kleinstem Rahmen gegeben hatte. Und jetzt die Stadthalle hatte.
Aus ihrem Mammutprojekt „250 piano pieces for Beethoven“(gespielt von nur einer Pianistin) wählte Kessel rund zwanzig Stücke für das Klever Publikum aus, darunter allein sieben Uraufführungen. Die überbordende Stilvielfalt der musikalischen Geburtstagsgrüße reichte von poppig bis intellektuell, von Performancekunst bis hin zu kaum verfremdetem Originalklang. Den größten Zauber strahlten dabei die Werke mit hörbarem Bezug zu Beethoven
aus – etwa Kai Schumachers „A little moonlight music“, in dem Fragmente aus der „Mondscheinsonate“aufblitzten, oder „Dreaming of E.“von Oliver Drechsel, der die berühmte Klavierbagatelle „Für Elise“in einen vornehmen Jazzwalzer verwandelte.
Auch Beethovens „Ode an die
Freude“aus der Sinfonie Nr. 9 beschäftigte die Komponisten: Die Niederländerin Miranda Driessen inspirierte sie zu politisch-philosophischen Grundsatzfragen („Werden Menschen Brüder? Alle?“), Peter Michael Hamel verflocht sie raffiniert mit indischen Elementen („Freude für Ludwig“).
In „Grattage II/Versuch über Beethoven“bediente sich Oxana Omelchuk einer Technik aus der Malerei, bei der mithilfe einer Klinge übereinanderliegende Farbschichten freigekratzt werden. Ihre packende Synthese aus den vier verschiedenen „Fidelio“-Ouvertüren erinnerte in ihrer rhythmischen Kraft stellenweise an George Gershwins „Rhapsody in Blue“.
Kessels unterhaltsame Moderation machte deutlich, wie viel Herzblut sie seit Jahren in ihr Projekt steckt. Eigens angereist waren die Komponisten Nicolaus A. Huber, Miranda Driessen und Mark Hendriks, die ihre Stücke selbst ankündigten. Vielleicht hätte man die einzelnen Kompositionen noch besser würdigen können, wenn die Fülle an Text und Musik nicht gar so groß gewesen wäre.
Am Anfang und am Ende des Konzerts kam Ludwig van Beethoven dann auch selbst zu Wort. Den ersten Satz aus der „Mondscheinsonate“und „Für Elise“gestaltete die Pianistin derart frisch und lebendig, dass man die so oft gespielten Werke noch einmal mit ganz neuen Ohren hörte.
Es tat gut, sich wieder mit echten Menschen an einem realen Ort zu versammeln, um gemeinsam Musik zu hören.