Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Sparkasse kündigt 780 Sparverträge
Auf der Grundlage eines BGH-Urteils haben Sparkassen bundesweit Verträge aufgelöst. Nun hat die Bank für Goch, Kevelaer und Weeze nachgezogen. Das Modell sei für das Unternehmen wirtschaftlich absolut nicht mehr tragbar.
KEVELAER Als Ursula Janßen Ende April ein Schreiben der Sparkasse Goch-Kevelaer-Weeze öffnet, traut die 76-Jährige ihren Augen nicht. Ihr 1998 abgeschlossener Prämiensparvertrag wird von der Bank zum 31. Juli 2020 gekündigt. Eigentlich hatte sie mit einer Laufzeit bis Februar 2023 gerechnet. „Ich bin seit über 50 Jahren Kundin bei der Sparkasse und war immer zufrieden“, erzählt sie. „Aber diese Kündigung enttäuscht mich wirklich. So etwas geht nicht. Mein Mann und ich haben dieses Sparkonto damals als Altersvorsoge angelegt und wollten es deshalb noch bis 2023 laufen lassen – wie es meiner Meinung nach auch im Vertrag steht.“
Ursula Janßen ist nicht die einzige Sparerin, die in den vergangenen Wochen ein Kündigungsschreiben für einen laufenden Prämiensparvertrag im Briefkasten hatte. Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigt Jochen Rademacher, Pressesprecher der Sparkasse Goch-Kevelaer-Weeze, dass die Bank 780 dieser Verträge kündigen musste. „Diese Sparverträge sind mindestens 15 Jahre alt, die meisten laufen schon weitaus länger. Damals herrschte eine völlig andere Zinssituation. Niemand konnte damit rechnen, dass wir durch die Niedrigzinspolitik der EZB mal in solch eine Lage wie momentan kommen könnten“, erklärt Rademacher und führt weiter aus. „Neben dem hohen Zinssatz sind diese Verträge beim Erreichen der höchsten Stufe mit einer jährlichen Prämie von 50 Prozent ausgestattet. Das ist für uns absolut nicht mehr wirtschaftlich tragbar.“
Die Sparkasse habe das Thema lange analysiert und sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Doch es sei ein „Gebot der Wirtschaftlichkeit“, diesen Schritt zu gehen. Dass die Bank 780 der insgesamt 3000 Prämiensparverträge überhaupt kündigen kann, liegt an einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2019. Damals hatte der BGH entschieden, dass Banken Prämiensparverträge kündigen dürfen, wenn die höchste Prämienstufe erreicht ist und es sich nicht um einen Vertrag mit fester Laufzeit handelt. In dem BGH-Urteil war dies nach 15 Jahren der Fall. Auch bei Ursula
Janßen handelt es sich um solch einen Vertrag. Zwar ist in ihren Vertragsunterlagen von einer Laufzeit bis maximal zum 1. Februar 2023 die Rede, das Wort „maximal“ist aber der entscheidende Punkt. Eine Höchstvertragsdauer sei keine feste Laufzeit und die Kündigung aufgrund des Erreichens der höchsten Prämienstufe rechtens.
Verträgen, bei denen zum Abschluss eine feste Laufzeit vereinbart wurde oder die bislang noch nicht die Höchstprämienstufe erreicht haben, können nach dem BGH-Urteil noch nicht gekündigt werden. Daher laufen bei der Sparkasse Goch-Kevelaer-Weeze noch etwa 2200 dieser Verträge. „Wir haben dieses Sparmodell bis 2017 anbieten können. Ein Großteil der
Sparverträge läuft also noch“, erklärt Rademacher.
Seitdem das BGH-Urteil im vergangenen Jahr gefällt wurde, haben sich die Sparkassen bundesweit mit diesem Thema auseinandergesetzt. Bereits Anfang 2020 hatte die Sparkasse Krefeld, die auch auch in Geldern, Issum, Kerken, Rheurdt und Wachtendonk tätig ist, angekündigt, dass sie bis spätestens Ende März insgesamt 12.500 Prämiensparverträge langjähriger Kunden kündigen wird.
Für Ursula Janßen und ihren Mann bleibt der Trost, dass ihr lukrativer Sparvertrag 22 Jahre lief und das Ehepaar vor allem in den letzten Jahren trotz Niedrig- und Negativzinsen von diesem profitieren konnte.
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