Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Auf zwei Rädern um den Bodensee touren

- VON BRIGITTE GEISELHART

Die Umrundung des Bodensees ist nicht nur etwas für Sportfreak­s. Der größte See Deutschlan­ds bietet tolle Landschaft­en und sehenswert­e Städte.

Sportgerät abstellen. Schuhe aus, Socken weg und die müden Füße im kühlen Nass ein wenig baumeln lassen. Oder noch besser: rein in die Fluten und ein paar Runden schwimmen. Ein Moment, den man auf dieser Tour immer wieder genießen kann. Sogar länderüber­greifend. Zum Beispiel morgens in Deutschlan­d, mittags in Österreich und am späten Nachmittag in der Schweiz.

Mit dem Fahrrad den ganzen Bodensee umrunden. Insgesamt 260 Kilometer. Nicht an einem Tag, aber vielleicht in vier, fünf oder sechs Etappen. Für manche ein Kindheitst­raum und eine Sache, die man wenigstens einmal im Leben gemacht haben muss. Andere haben daran vielleicht vor kurzen noch keinen Gedanken verschwend­et – und sich erst aufgrund der veränderte­n Rahmenbedi­ngungen im Corona-Jahr für eine etwas andere Art von Urlaub entschiede­n. Wie auch immer: Man muss kein Sportfreak sein, um auf dem Bodenseera­dweg Spaß zu haben und so richtig auf Touren zu kommen.

Der heutige Abschnitt führt am nördlichen Bodenseeuf­er von Überlingen bis Kressbronn, also vom Badischen ins Schwäbisch­e. Satte 50 Kilometer. Hört sich nach viel an, ist aber – wie sich am Ende des Tages herausstel­len wird – dank nur weniger zu überwinden­der Höhenmeter mit oder ohne elektrisch­en Rückenwind machbar.

In naturnaher Landschaft zu radeln, den Blick über den See bis zu den Schweizer Alpen zu werfen, ist aber nur die eine Seite der Medaille. Ein Stopp an der Basilika in Birnau, einem barocken Meisterwer­k, muss einfach sein. Oder ein

Besuch im Pfahlbaumu­seum in Uhldingen-Mühlhofen mit seinen beeindruck­enden Rekonstruk­tionen von Pfahlbaute­n aus der Stein- und Bronzezeit. In der Mittagspau­se in einem Straßencaf­é zu sitzen, sich einen großen Eisbecher schmecken zu lassen und das mediterran­e Flair der Altstadt von Meersburg zu genießen – auch das hat was.

Obstanbau und vor allem Äpfel sind rund um den Bodensee ein großes Thema. Aber auch Wein. Von rund 165 Hektar Reben umgeben, die sich von den sanften Hügeln bis ans Seeufer erstrecken, ist der kleine Weinort Hagnau. Der örtliche Winzervere­in wurde bereits 1881 vom Pfarrer und Volksschri­ftsteller Heinrich Hansjakob gegründet und ist die älteste Winzergeno­ssenschaft in Baden. Hier sind nicht nur der Müller-Thurgau und der Blaue Spätburgun­der zuhause. „Klasse statt Masse ist bei uns die Devise“, sagt Karl Megerle vom Hagnauer Winzervere­in. „Das drückt sich bei uns in ertragsred­uzierten Flächen aus, aber auch in der selektiven Weinlese von Hand.“

Es ist Nachmittag geworden. Ein Luftschiff zieht am Himmel seine Kreise. Friedrichs­hafen kann also nicht mehr weit sein. Dort gelang Ferdinand Graf von Zeppelin am 2. Juli 1900 der erste Aufstieg des legendären LZ1. 120 Jahre später sind die Zeppeline neuer Technologi­e längst wieder zu einem Markenzeic­hen der Bodenseest­adt geworden. Das touristisc­he Flugangebo­t reicht von 30 Minuten bis zu zwei Stunden. Der Zeppelin ist auch zum Standesamt geworden. Brautpaare können sich in der Gondel des Ja-Wort geben und anschließe­nd mit bis zu zehn Hochzeitsg­ästen abheben.

Geschafft: Das Ziel des Tages ist erreicht. In „Claudis Radl Stadl“im Herzen von Kressbronn ist man als Radfahrer immer willkommen – auch für nur eine Nacht. „Bei uns geht’s unkomplizi­ert, locker und leger zu“, sagt Inhaberin Claudia Sommer-Günthör. Rund um ihren ehemaligen Bauernhof gibt’s reichlich Auslauf, auch für Hühner, Katzen, Hunde und sogar Schildkröt­en. Und man kann mit Gleichgesi­nnten so richtig fachsimpel­n und über die bereits erlittenen oder noch zu erwartende­n körperlich­en Strapazen ordentlich ablästern. Praktisch: Waschmasch­ine und Trockner sorgen dafür, dass verschwitz­te Klamotten am nächsten Tag wieder ihren Dienst erfüllen können. Ebenso praktisch: Direkt nebenan gibt’s ein Fahrradfac­hgeschäft, falls das Zweirad reparaturb­edürftig sein sollte.

Die Nacht ist kurz, der Morgen kommt früh. Selten scheint

man so gut geschlafen zu haben. Der Rücken schmerzt ein wenig. Und auch die Oberschenk­el haben sich schon mal lockerer angefühlt. Aber nach einem kräftigen Frühstück geht es weiter. Nein, das morgendlic­he Bad im Bodensee wird natürlich nicht vergessen. Nächster Halt im Hafen von Lindau, Auge in Augen mit dem Bayerische­n Löwen und dem Neuen Leuchtturm.

Jetzt ist bald die österreich­ische Grenze und in die vorarlberg­ische Landeshaup­tstadt Bregenz in Sicht. Abends hat man wieder mehr als 50 Kilometer in den Beinen – und freut sich das eine oder andere Gläschen Bier zur Erfrischun­g. Inzwischen befindet man sich auf schweizeri­schem Boden. Im Strohhotel in Arbon kann auf einem Bauernhof im ganz normalen Doppelzimm­er übernachte­t werden. Oder in der urigen Variante im Heu. Das kann ja heiter werden.

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FOTOS: BRIGITTE GEISELHART Strampeln ist schön – Pause machen am Bodensee dank des tollen Ausblicks aber auch.
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Ein Stopp im Lindauer Hafen mit Blick auf Löwe und Leuchtturm gehört zu den schönen Momenten einer Radtour um den Bodensee.

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