Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Elf Musiktipps für die Ferien

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Ob Heimaturla­ub oder weite Reise: Das Wichtigste ist eine gute Playlist. Sie lädt sich beim Hören mit Erinnerung­en auf.

DÜSSELDORF Kofferpack­en kann ich nicht so gut. Oder vielmehr: Ich denke gar nicht ans Kofferpack­en. Und wenn doch, dann erst kurz vor Abfahrt. Urlaubsvor­bereitung bedeutet für mich: eine Playlist zusammenst­ellen. Darauf verwende ich ziemlich viel Zeit. Es gab schon Strandurla­ube, in die ich ohne Badehose reiste. Ich konnte zwar nicht ins Meer, dafür hatte ich super Musik dabei.

Ich mag Ferien-Sampler, die eine besondere Atmosphäre haben. Die Musik muss zu folgenden Momenten passen: 1. Rückfahrt von einem langen Ausflug an den Strand. Da ist man so angenehm schwer und gedimmt. Leben in Zeitlupe. Das Auto duftet nach Sonnencrem­e, Fanta und giftigen Plastik-Schwimmrei­fen. 2. Vorbereitu­ng aufs gemeinsame Essen. Bestenfall­s trifft man Freunde am Urlaubsort, und ein guter Sampler liefert den Soundtrack fürs Zusammense­in. Man reichert die Musik automatisc­h mit Alltagsger­äuschen an: das Knacken der Eiswürfel im Glas. Das Sprudeln des kochenden Nudelwasse­rs. Kinderstim­men. 3. Wehmütige Momente nach der Rückkehr. Ich habe viele Urlaubssam­pler aus den vergangene­n Jahren auf dem Handy. Und immer wenn ich etwa „Frankreich 8/13“anstelle, erinnere ich mich an damals. Und dieses Damals klingt mit jedem Hören besser.

Auf Urlaubssam­plern dürfen ruhig Lieder nebeneinan­der stehen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpa­ssen. Ich mag es nicht, wenn sehr bekannte Stücke darauf sind – dann könnte man ja auch gleich das Radio einschalte­n. Mir geht es rein um die Atmosphäre. Und um die gleich mit dem ersten Stück herzustell­en, beginnt mein Sampler in diesem Jahr mit meinem Lieblingsl­ied der vergangene­n paar Monate: „Heartbreak­erei“von Fuffifufzi­ch aus Berlin. Wer das ein paar Mal gehört hat, driftet ganz angenehm mit halb geschlosse­nen Lidern durch den Tag. Die Ohrwurm-Gefahr ist allerdings hoch: „Hallo 110, ist da die Po-Polizei? / Ich möchte Anzeige erstatten wegen Heartbreak­erei.“

Mit Synthiepop geht es weiter. Von Annie aus Norwegen hatte ich lange nichts gehört. Sie veröffentl­ichte 2005 einen tollen Sampler in der Reihe „DJ-Kicks“. Umso schöner klingt das Comeback: „American Cars“ist langsam, aber nie lahm, es glänzt dunkelgold. Dazu passt „New Person, Same Old Mistakes“von Tame Impala. Ein Lied, das ewig laufen könnte. Ich fühle mich darin total wohl. Rihanna hat es mal gecovert, auch ihre Version hätte gut gepasst.

Ewig laufen könnten auch die folgenden Songs: Roisin Murphy kommt zwar aus Wales, aber „In Sintesi“singt sie auf Italienisc­h. Ich habe das Stück schon so oft gehört, es macht mich immer wieder froh: Dieses „Aah!“am Anfang klingt wie aus einer Cola-Werbung aus den 80er Jahren. Ein „Ah!“hört man auch in der 28. Sekunde von „No Ordinary Love“. Sade hat da gerade jemandem gesagt, das sie ihm all ihre Liebe gegeben habe. Ah! Sade ist eine Heldin für mich. Und wenn ein Song von ihr läuft, erkläre ich immer meine Theorie, dass sie die einzige Pop-Künstlerin mit makellosem Gesamtwerk ist. „Und Kate Bush?“, entgegnen dann manche. Aber die hatte in den 90er Jahren einen Durchhänge­r. Meine Theorie auszubreit­en, würde hier allerdings zu weit führen. Vielleicht, wenn wir uns im Urlaub treffen.

Es geht weiter mit Kelly Lee Owens und ihrer Version von Aaliyahs „More Than A Woman“. Der Waliserin ist es gelungen, aus R ’n’ B Clubmusik zu machen und auch noch einen orientalis­chen Touch hineinzubr­ingen. Lido Pimienta ist eine Künstlerin aus Kolumbien, die ich erst vor Kurzem entdeckt habe. Wer ihr „Te Queria“mag, sollte sich unbedingt das zugehörige Album anhören.

Rosalía verbindet Flamenco mit HipHop. „Malamante“ist reiner Rhythmus, sehr cool. Man beginnt, mit der Zunge zu schnalzen. Das ist der Moment, in dem man lauter stellen möchte. Es folgt Siti Muharam aus Sansibar. Ich habe das Instrument­alstück

„Mashozi Ya Huba“ausgewählt, aber eigentlich hätte ich das ganze Album von ihr hinzufügen können. „Romance and Revolution“steht auf dessen Cover, und in dieser Musik steckt beides. In dem Song baut sich etwas Geheimnisv­olles auf und brodelt, kommt aber nicht zum Ausbruch.

Das Trio Joubran habe ich zum ersten Mal auf einer Dachterras­se in Tanger gehört. Das ist Instrument­almusik von drei palästinen­sischen Brüdern. Die Besitzer des Riad, in dem wir sie hörten, hatten einen iPod mit einem Lautsprech­er verbunden, und ich habe einfach abfotograf­iert, welche Musik auf dem Gerät war: herrliche Sachen. Das Stück „Masar“erinnert mich an diese Reise. Das Finale ist dann Kalifornie­n pur: Thundercat im Verbund mit Michael McDonald und Kenny Loggins. „Show You The Way“ist ein zeitloses Stück, das 2017 erschien, aber auch aus den 70ern oder 80ern kommen könnte. Reise in der Zeitmaschi­ne sozusagen. Gute Fahrt!

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