Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Ich tue das für meine Enkel“
Gisela Heiroth ist 59, hat drei Enkel, einen Garten und zwei Haustiere. Doch statt sich entspannt auf die Rente vorzubereiten, hat sie mit ihrem Mann und zwei Freunden die Düsseldorfer „Omas for Future“gegründet.
DÜSSELDORF Schon bevor man Gisela Heiroth das erste Mal gesehen hat, weiß man, was ihr wichtig ist. In einem Fenster ihres Hauses im Düsseldorfer Stadtteil Derendorf hängt eine große Erde in Herzform, an der Tür ist ein „Omas for Future“-Anhänger angebracht. Die 59-Jährige, die als Gesundheits- und Präventionscoach arbeitet, lebt hier mit ihrem Mann Otto. Der 64-Jährige ist Frührentner, die beiden haben zwei Kinder und drei Enkel. „Ich tue das für sie“, sagt Heiroth, „ihnen möchte ich eine lebenswerte Erde hinterlassen.“Vor einigen Monaten hat sie deshalb gemeinsam mit ihrem Mann und einem befreundeten Paar aus Düsseldorf eine Ortsgruppe der Organisation „Omas for Future“gegründet.
Angelehnt an die von Schülern und Studenten angestoßene Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“sind die „Omas for Future“seit August des vergangenen Jahres eine Anlaufstelle für die ältere Generation. „Explizit aber nicht nur für Omas, sondern auch für Opas und natürlich Menschen, die keine Enkelkinder haben“, sagt Heiroth. Ihr und ihren Mitstreitern ist es wichtig, möglichst viele Leute der Generation 50+ ins Boot zu holen. Die Ziele der Gruppe sind die gleichen wie bei ihrem globalen Vorbild: Lebensgewohnheiten und Konsumentscheidungen überdenken, nachhaltig leben, Klima und Umwelt schützen. „Wir haben immer schon sparsam und bewusst gelebt“, sagt Gisela Heiroth beim Gespräch in ihrem Garten. Dieser ist bewusst verwildert angelegt, bunte Blumen, viele Insekten, Hund und Katze streichen frei herum. „Aber das Thema hat uns nicht mehr losgelassen.“
Den Anstoß für die Gründung der Ortsgruppe gab dann eine Aktion in der Gemeinde der Heiroths: Klimafasten mit Themenabenden zu Plastikverbrauch, Energiesparen, Ernährung und Co. „Da haben wir viel über das Thema diskutiert und zum Beispiel unseren ökologischen Fußabdruck ausgerechnet“, erzählt Gisela Heiroth. „Und wir waren entsetzt“, ergänzt ihr Mann. Eingeladen wurden sie dazu vom Pfarrer der evangelischen Tersteegen-Gemeinde, Jürgen Hoffmann, 61, und seiner Frau Felicitas, 59. Die Hoffmanns haben ein Enkelkind, beide Paare sind schon lange befreundet – und jetzt gemeinsam politisch aktiv. „Sich nur persönlich zu engagieren, reicht nicht mehr aus“, sagt Felicitas Schulz-Hoffmann, „da erreicht man viel zu wenig.“Über die „Omas for Future“hoffen sie, noch viele weitere Mitstreiter für ihre Sache gewinnen zu können.
Derzeit befindet sich das Projekt auch wegen der Corona-Pandemie noch in der Aufbauphase. „Es ist natürlich nicht so einfach, Aktionen zu planen und sich zu vernetzen“, sagt Gisela Heiroth. Deshalb geht sie den direkten Weg, nimmt auf Spaziergängen und wenn sie zum Markt radelt, immer Werbematerial mit, geht auf Menschen zu, spricht sie an. Zudem kooperiert die Gruppe mit der Nachbarschaftswerkstatt Golzheim-Stockum, die ebenfalls an die Gemeinde angebunden ist.
„Die Idee ist, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren und Menschen statt Konsum in den Mittelpunkt zu stellen“, sagt Heiroth.
Ein besonderes Anliegen ihres Mannes ist der Gebrauch von
PET-Einwegflaschen. „Ich würde gerne darauf hinwirken, dass viele Läden diese Flaschen gar nicht mehr führen“, sagt Otto Heiroth, „zum Beispiel mit Mails an die Läden oder kleinen Demos.“Die Gruppe hat aber noch viele weitere Pläne, zum Beispiel eine Müllsammelaktion zu starten oder Workshops für eine ökologische Garten- und Balkonbepflanzung anzubieten. Außerdem würden sie sich gerne mit anderen Aktivisten aus Düsseldorf vernetzen, auch solchen, die sich zum Beispiel gegen Rassismus einsetzen.
Eine weitere Idee ist, eine generationenübergreifende Ideenwerkstatt für Klimaschutz zu gründen. „Die Expertise der älteren Generation sollte genutzt werden“, sagt Jürgen Hoffmann, „zum Beispiel für den Bau von Nistkästen für Vögel oder die Herstellung von Seife.“Es sei wichtig, Werte wie Respekt, Wertschätzung
und die Liebe zur Natur und zur Schöpfung weiterzugeben, so Hoffmann.
Für alle vier ist ihr Glaube auch Teil ihres Engagements, sagen sie. Um gleich im nächsten Satz zu betonen: „Das ist natürlich keine Voraussetzung, um mitzumachen.“Ihnen ist wichtig, dass jeder willkommen ist. „Wir möchten die Gesellschaft querbeet widerspiegeln“, sagt Gisela Heiroth. Da gehe es um persönliches Engagement, um Lebenserfahrung und um den Wunsch, etwas zu verändern. Das könne auch schon im Kleinen anfangen: beim Einkauf zum Beispiel oder bei der Entscheidung, auf Fleisch zu verzichten. „Man muss sich fragen: Was brauche ich wirklich, was ist mir wichtig?“, sagt sie. Für sich hat sie diese Antwort schon gefunden: das Zusammensein mit ihrer Familie und Freunden, die Tiere, der Garten. Und die „Omas for Future“.