Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Geschichts­verein bringt Kirchenbüc­her ins Netz

In mehrjährig­er ehrenamtli­cher Arbeit haben Klaus Kuhlen, Hermann Venhofen und Günter Kühnen die Sterbedate­n der katholisch­en Kirchengem­einde von 1702 bis 1886 erfasst und ins Internet gestellt.

- VON MICHAEL SCHOLTEN

REES „Die geleistete Arbeit ist mit Geld nicht zu bezahlen – das ist wirklich ein Schatz für Rees“, lobte Stadtarchi­varin Tina Oostendorp das Projekt, das der Reeser Geschichts­verein Ressa präsentier­te. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e Klaus Kuhlen und Ehrenmitgl­ied Hermann Venhoven sowie Günter Bergmann verbrachte­n 16 Monate damit, rund 10.000 Datensätze aus den katholisch­en Kirchenbüc­hern der Jahre 1702 bis 1886 in Excel-Tabellen zu übertragen. Diese können mit jedem internetfä­higen Endgerät kostenlos auf der Vereinssei­te www.ressa.de/kirchenbuc­h eingesehen werden.

Früher mussten Ahnenforsc­her dafür nach Münster fahren, um im Bistumsarc­hiv die 16 Reeser Kirchenbüc­her studieren zu können. Auf Antrag von Ressa kamen 2013 zwei CDs mit Fotografie­n aller Buchseiten ins Stadtarchi­v, doch auch dort war das Lesen und Entziffern der handgeschr­iebenen Texte, die teilweise in lateinisch­er Sprache verfasst wurden, nicht einfach. Und wenn der genaue Todestag einer Person nicht bekannt war, begann eine langwierig­e Suche auf vielen hundert Seiten.

Jetzt genügt es, den gesuchten Namen oder auch nur wenige Buchstaben davon im Suchfeld einzugeben. Im Bruchteil einer Sekunde springt der Cursor in die entspreche­nde Zeile der Excel-Tabelle und liefert überrasche­nde Zusatzinfo­rmationen. Denn neben den Kerndaten (vor allem ältere Kirchenbüc­her beließen es beim Namen und Todestag) wurden oft auch Angaben zum Familienst­and, zum Beruf, zu den Hinterblie­benen, zur Todesursac­he („Schleimfie­ber“, „Wassersuch­t“, „Altersschw­äche“) und zu vermeintli­ch Wichtigem („uneheliche­s Kind“) festgehalt­en.

Ursprüngli­ch hatte Ressa geplant, die Ergebnisse der ehrenamtli­chen Arbeit als Buch zu drucken und dem Stadtarchi­v zur Verfügung zu stellen. Im Dialog mit Tina Oostendorp wurde jedoch deutlich, dass ein kostspieli­ger Buchdruck bei dieser Sache nicht mehr zeitgemäß ist. „Ahnenforsc­her schätzen die vielen Vorzüge der Bildschirm­arbeit“, sagt Tina Oostendorp. Durch den Computer sparen sie Zeit und können jetzt auch von zu Hause aus recherchie­ren. Wer den schnell gefundenen Eintrag dann im handgeschr­iebenen Original sehen möchte, kann immer noch das Reeser oder Münsterane­r Archiv besuchen.

Die Bücher enthalten nur Angaben zur katholisch­en Kirchengem­einde, für Informatio­nen zu evangelisc­hen Reesern müssen andere Quellen herangezog­en werden. „Doch auch die katholisch­en Kirchenbüc­her weisen große Lücken auf“, sagt Klaus Kuhlen. „So fehlen in einem Buch 20 bis 30 Jahre, als sei in dieser Zeit niemand verstorben.“ Dafür enthält ein anderes Buch gleich drei Selbstmord­e innerhalb einer Woche, in einem anderen Fall starben in einer einzigen Familie drei Kinder an der Roten Ruhr, die im Jahr 1811 in Rees insgesamt 62 Todesopfer, darunter viele Kinder, forderte. „Das ist schon keine Kleinigkei­t, wenn man bei der Arbeit so etwas lesen muss“, sagt Hermann Venhofen.

In einem Fall notierte ein Pfarrer zum Tod eines 34 Jahre alten Mannes lapidar: „Er war schon immer ein Schwächlin­g.“Auffallend oft wiederholt sich die Erwähnung von Wasserleic­hen, die in den Kribben von Reesereyla­nd und Reeserward angeschwem­mt wurden. Ein Mann aus Esserden ertrank um vier Uhr morgens, vermutlich betrunken, im Stadtgrabe­n nahe des Delltors, ein anderer Mann wurde vom Mühlenflüg­el erschlagen.

Klaus Kuhlen hat festgestel­lt, dass manche Familienna­men im Laufe der Jahrhunder­te auftauchte­n oder verschwand­en: „Viele Reeser hießen damals Fackeldey, van Thiel oder Deymann, heute leben diese Namen nur noch in unseren Straßennam­en weiter.“Tina Oostendorp findet es dennoch erstaunlic­h, wie viele Familien seit dem frühen 18. Jahrhunder­t ortsansäss­ig geblieben sind. Die Schreibwei­sen der Namen variierten allerdings stark: „Es wurde nach Gehör geschriebe­n. Wenn der Angehörige des Verstorben­en nuschelte und der Pastor schlecht hörte, dann ergaben sich daraus die interessan­testen Schreibwei­sen.“

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RP-FOTO: MICHAEL SCHOLTEN Hermann Venhofen, Tina Oostendorp und Klaus Kuhlen (v.l.).

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