Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Geteiltes Camperglück
Mit dem Wohnmobil zu verreisen, liegt im Trend. Das spüren gerade Internetportale, über die private Camper zu mieten sind – sie verzeichnen so viele Anfragen wie nie.
DÜSSELDORF Teilen liegt im Trend. Und betrifft längst fast alle Lebensbereiche. Ob nun Autos, Wohnungen oder Gemüsegärten – geteilt wird, was sich viele wünschen, aber nicht immer brauchen. Das gilt auch für Wohnmobile. Ist deren Anschaffung doch oft teuer, vor allem, wenn die Gefährte die meiste Zeit des Jahres ungenutzt herumstehen. Aus diesem Umstand haben findige Köpfe vor Jahren ein Geschäftsmodell gebastelt: Über Internetportale wie PaulCamper, Shareacamper oder Yescapa lassen sich Wohnmobile von Privatpersonen mieten. Nach einer kurzen, Corona-bedingten Flaute im März verzeichnen die Anbieter derzeit so viele Nachfragen wie nie zuvor. Camping scheint in Corona-Zeiten offensichtlich eine Urlaubsform, die Sicherheit und Spaß verbindet.
Eins ist klar: Camping und Caravaning boomen schon länger, ob nun mit dem eigenen oder geliehenen rollenden Heim. Allein im Mai wurden laut Caravaning-Industrie-Verband (CIVD) rund 10.000 Wohnmobile zugelassen, ein Plus von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Übers Jahr betrachtet, liegt die Steigerung bei 7,4 Prozent, Ende 2019 waren etwa 533.000 Wohnmobile zugelassen. Auf sie warten in Deutschland immerhin 3000 Campingplätze, die rund 225.000 Stellplätze bieten. Würden alle Wohnmobilbesitzer gleichzeitig losfahren, könnte es also eng werden. Insgesamt geht die Branche für 2019 von 35,8 Millionen Übernachtungen auf deutschen Campingplätzen aus – 2001 waren es noch rund 20 Millionen. Die Deutschen sind demnach ein Volk von Campern, und die Zahl derjenigen, die diese Urlaubsart bevorzugen, wächst.
Bei der Vermietung durch private Anbieter spielt natürlich auch der persönliche Aspekt eine Rolle. Oft würden deren Fahrzeuge einen Spitznamen tragen, erzählt Levin Klocker, Sprecher von Yescapa, oder seien eben individuell eingerichtet. „Viele Vermieter können auch konkrete Tipps für ein Reiseland geben, weil sie selbst dort unterwegs waren“, sagt Klocker. Das ist besonders hilfreich, weil die Zielgruppe, die von privat mietet, oft wenig Erfahrung mit Campen hat und in diese neue Welt hineinschnuppern möchte, aber kein gesichtloses Flottenfahrzeug haben will. Dazu ist die private Alternative meist günstiger, im Schnitt durch alle Fahrzeugklassen laut CIVD etwa zehn Euro pro Tag.
Wer nicht auf standardisierte Fahrzeuge zurückgreifen will, muss natürlich auch bei Versicherung und
Pannenhilfe gewisse Abstriche machen. Wobei alle Plattformen mit Versicherungspartnern zusammenarbeiten und preislich wie leistungsmäßig abgestuften Schutz bieten. Das gilt auch für plötzlich anfallende Reparaturen. Zusätzlich wird eine Kaution hinterlegt, um den Vermieter abzusichern. Beschwerden über demolierte Fahrzeuge sind selten. „In der Regel läuft das sehr ordentlich“, sagt Katrin Witt, Sprecherin von PaulCamper. Bei den Freikilometern setzt der 2013 gegründete Anbieter beispielsweise auf eine Vereinbarung zwischen Mieter und
Vermieter, um Zusatzkosten zu vermeiden. Natürlich habe das auch Grenzen, sagt Witt. Credo des Unternehmens sei es, den gesamten Mietprozess für alle Seiten so einfach wie möglich abzuwickeln.
Natürlich empfiehlt es sich, nicht auf den letzten Drücker zu buchen. Bei Yescapa gab es laut Klocker an einem Tag im Juni 15.000 Buchungsanfragen, ein historischer Rekord. Ende Juni wurden in 24 Stunden 70.000 Besuche auf der Internetseite gezählt, dreimal so viele wie im selben Zeitraum des Vorjahrs. Auch PaulCamper verzeichnete in einigen Wochen im Mai und Juni im Vergleich zum Vorjahr 100 Prozent Wachstum.
Trotz der hohen Nachfrage kann es sich für Kurzentschlossene selbst in den Sommerferien lohnen, nach freien Wohnmobilen Ausschau zu halten. Denn täglich würden auf ihren Plattformen neue Inserate hinzukommen, sagen Witt und Klocker. Bei Yescapa gab es beispielsweise im Mai 245 Prozent mehr Vermietungsangebote als im April. Der Urlaub im privat gemieteten Camper kann also auch kurzfristig noch gelingen.