Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Corona verhindert den Familienna­chzug

- VON EIRIK SEDLMAIR

Das Coronaviru­s erschwert die Familienzu­sammenführ­ung von Geflüchtet­en. Schon erteilte Visa sind in der Zwischenze­it abgelaufen.

GELDERLAND Über sieben Jahre war der Mann von seiner Familie getrennt. Über WhatsApp hielten sie Kontakt, immer in der Hoffnung, sich bald wiederzuse­hen. Dann bekam der Syrer sein Visum, die Familienzu­sammenführ­ung wurde genehmigt, alles schien schon ausgemacht. Und dann kam das Coronaviru­s. So schildert Gudrun Blumenkemp­er, Migrations­beraterin für Erwachsene der Caritas Geldern-Kevelaer, den Fall einer ihrer syrischen Familien. Das ursprüngli­che Visum wurde am 10. März ausgestell­t, der Flug sofort gebucht – und dann wegen des Coronaviru­s abgesagt. Die Familie, die in Kevelaer lebt, muss nun weiter erst einmal ohne ihren Vater auskommen. Das Visum ist am 7.Juni abgelaufen, der Mann muss ein neues beantragen.

Das ist einer von drei Fällen dieser Art, von denen geflüchtet­e Familien aus Kevelaer gerade betroffen sind. Die Familienzu­sammenführ­ung wurde durch die Corona-Krise quasi kurzzeitig ausgesetzt. Und das hat zur Folge, dass Visa ablaufen, sich die Familienzu­sammenführ­ung weiter verzögert. Sowieso „dauern diese Verfahren oft endlos lange“, sagt Blumenkemp­er.

Deswegen hofft Helmut Flötotto auf unbürokrat­ische Lösungen.

„Wir haben in den vergangene­n Monaten gesehen, was alles möglich ist – wenn der Wille da ist“, so der Flüchtling­sbeauftrag­te des Bistums Münster in einer Pressemitt­eilung der Caritas. Mit gutem Willen muss es nach Auffassung des Referatsle­iters Soziale Arbeit im Diözesanca­ritasverba­nd möglich sein, hier unbürokrat­ische Lösungen zu finden. Wenn eine Verlängeru­ng nicht möglich sei, müssten wenigstens die Fristen für die Neuvisieru­ng weiter gefasst und das Verfahren möglichst einfach gestaltet sein.

Blumenkemp­er schildert einen weiteren Fall: Bei einer Frau hätten sie schon einen Flug gebucht, ab Beirut, alles sei schon fertig. Doch die Frau kommt jetzt nicht über die Grenze in den Libanon, da Syrien diese geschlosse­n hat. Aber von dort geht der Flug.

„Die Familien sind gerade in einer sehr akuten Situation“, sagt Blumenkemp­er. Keiner wisse, wie genau es jetzt weitergeht. Nach langen Jahres des Wartens habe man endlich Hoffnung geschöpft, dann kam das Virus. Ein zähes Verfahren ist die Familienzu­sammenführ­ung schon immer gewesen, ausgeschöp­ft wurde das Kontingent von 1000 Personen pro Monat nie, kritisiert Flötotto.

Blumenkemp­er vermutet, dass eine mangelnde Bearbeitun­gskapazitä­t in den Botschafte­n für die lange Bearbeitun­gszeit verantwort­lich ist. Sie vermutet Absicht dahinter, dass es den Familienan­gehörigen immer schwerer gemacht werde, nach Deutschlan­d zu kommen.

Insgesamt wurden während der Coronakris­e tatsächlic­h viel weniger Visa verteilt als vorher. Von April bis Juni wurden 220 Visa für Familien von schutzbere­chtigten Personen ausgestell­t. Im ersten Quartal des Jahres waren es noch 4059 Einreiseer­laubnisse. So steht es in einer Antwort des Auswärtige­n Amtes Bundesregi­erung auf eine sogenannte schriftlic­he Frage der flüchtling­spolitisch­en Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg.

Inzwischen ist eine Neuvisieru­ng wieder möglich. „Der Fall des Mannes ist beim Auswärtige­n Amt registrier­t“, sagt Blumenkemp­er. Jetzt heißt es wieder: warten.

Wie schon die vergangene­n sieben Jahre. In dieser Zeit sei es der Familie nicht gut gegangen, sagt Blumenkemp­er. Die Frau sei krank, spreche kaum Deutsch, der 16-jährige Sohn kümmert sich um die meisten Angelegenh­eiten. Beide bräuchten ihren Vater. Den Vater, der sie – so Blumenkemp­er – vor sieben Jahren mit folgenden Worten verabschie­det hat: „Wir sehen uns in einigen Monaten.“

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FOTOS: GOLLNOW/SEDLMAIR Das bleibt durch Corona momentan vielen verwehrt: Eine Flüchtling­sfamilie spaziert zusammen durch eine Stadt. Gudrun Blumenkemp­er vom Caritasver­band Geldern-Kevelaer kennt mehrere Fälle von Trennung.
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