Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Polizisten wünschen sich mehr Unterstützung
BERLIN Polizei-Alltag in Corona-Zeiten: In Göttingen fliegen bei einer Quarantäne-Anordnung für ein ganzes Hochhaus Backsteine, in Berlin reißen Demonstranten Einsatzkräften die Mund-Nasen-Maske herunter, in Erfurt wird Beamten ins Gesicht gespuckt. In ihrem digitalen Bürgerdialog mit Polizistinnen und Polizisten am Montag bekommt Kanzlerin Angela Merkel Auswirkungen der Corona-Politik zu hören. Ihrer Bitte, konkrete Wünsche zu äußern, kommen die Beamten schnell nach: mehr Rückendeckung der Politik, mehr Personal, mehr Schnelltests – und weniger Konfusion durch permanente und oft unverständliche Änderungen von Verordnungen sowie unterschiedlichstes Vorgehen der Bundesländer.
Merkel hat das notiert. Aber Abhilfe wird sie als Kanzlerin ohne die
Länder und Kommunen kaum schaffen können. Sie fragt nach Frustration und Wut, die nach Dienstschluss mit „nach Hause“genommen würden. Lorena Grube, die im Sommer mit ihren Kollegen in Göttingen Bewohner eines Hochhauskomplexes in Schach halten musste und dabei von einem Backstein getroffen wurde, will das nicht verhehlen. Ein Kollege aus Erfurt beschreibt, wie Polizisten die Verordnungen auszubaden hätten, die viele Bürger nicht nachvollziehen könnten, weil sie zu unübersichtlich seien. Da gingen auch Polizisten „mit einem Wust im Kopf ins Bett“. Insgesamt, so berichtet er, „hat die Dünnhäutigkeit zugenommen“.
Mehr Schnelltests fordern Gesprächsteilnehmer, weil sie bei Demos keinen Abstand halten könnten und Sorge vor Infektionen hätten. Schnelltests für die Polizei seien geplant, sagt Merkel. Die Bundesländer hätten solche Tests zuerst in Pflegeheimen und an deren Besucher gegeben – was Pflegeheime und deren Besucher im November allerdings oftmals gar nicht erreicht hat. Merkel fragt die Polizisten immer wieder gezielt: Was hat sich für Sie verändert, was erwarten Sie vom Staat? Erzählen die Politiker „lauter Quatsch“? Da sie coronabedingt derzeit wenig Kontakt zu den Bürgern habe, wolle sie digital ins Gespräch kommen mit jenen Gruppen, die besonders stark gefordert seien.
Gerke Stüven vom Polizeikommissariat Wildeshausen sagt, angesichts von Corona-Leugnern, Reichsbürgern und sogenannten Querdenkern seien „Kontrollen das Gebot der Stunde“. Das funktioniere nur mit einem starken Personalansatz. „Dafür müssen Mann und Maus auf die Straße gebracht werden.“Sie betont, dass Polizisten nicht mit Appellen arbeiten könnten. Sie bräuchten Rechtssicherheit. Das fehle mitunter in der Corona-Politik. Ein Polizist ein München räumt ein: „Fehler passieren einfach irgendwann mal.“Ständig seien etliche Kameras auf die Einsatzkräfte gerichtet. Die Polizei wünsche sich generelle Rückendeckung. Merkel lenkt hier kurz einen Blick auf die Debatte über Extremismus in der Polizei. Da dürfe die Politik nicht wegschauen, sagt sie. Aber es werde alles getan, damit es keinen Generalverdacht gebe.