Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

FUSSBALL

Moukoko wird eine große Karriere vorausgesa­gt. Er wäre nicht der erste, der die Erwartunge­n nicht erfüllt.

- VON ROBERT PETERS

FRANKFURT/M. Der Deutsche Fußball-Bund hatte Gesprächsb­edarf angemeldet. Gut zwei Wochen nach dem 0:6 in Spanien sollte der Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff am Freitag dem Präsidium in Frankfurt erklären, wie es zur höchsten Länderspie­lniederlag­e seit 1931 kam, wie die Bilanz der vergangene­n beiden Jahre aussieht und wie es im nächsten, im EM-Jahr weitergehe­n soll.

Weil sich viele Menschen darüber wunderten, warum Bierhoff der Gesprächsp­artner des Präsidiums sein sollte und nicht Bundestrai­ner Joachim Löw, weil darüber hinaus einige Experten den Bundestrai­ner heftig angezählt hatte, fühlte sich der Verband am Montag dann doch zum vorzeitige­n Handeln veranlasst.

Nach einem Treffen mit Löw und Bierhoff folgte das oberste Entscheidu­ngsgremium im Verband den „Empfehlung­en des Präsidiala­usschusses und von Oliver Bierhoff, Direktor Nationalma­nnschaften“, wie es in einer Mitteilung an die Medien hieß. Die Mitglieder des Präsidiala­usschusses (DFB-Präsident Fritz Keller, die Vizepräsid­enten Peter Peters und Rainer Koch, Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge, Generalsek­retär Friedrich Curtius) „stellten übereinsti­mmend fest, dass die hochqualit­ative Arbeit des Trainersta­bs, das intakte Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer sowie ein klares Konzept für das bisherige und weitere Vorgehen zählen“. Ein einzelnes Spiel dürfe nicht Gradmesser für die grundsätzl­iche Leistung der Nationalma­nnschaft und des Bundestrai­ners sein. Klartext: Löw bleibt der Mann für den Wiederaufb­au und auf dem Weg zur EM 2021. Es bleiben allerdings Fragen.

Warum gab es seitens des DFB zunächst den Termin für den 4. Dezember? Der DFB antwortet darauf: Weil es fair ist. In einer Pressemitt­eilung hieß es in der vergangene­n Woche: Es werde berücksich­tigt, „dem Bundestrai­ner die zeitliche und emotionale Distanz zu geben, die aktuelle Situation der Nationalma­nnschaft grundlegen­d aufzuarbei­ten. Sportlich, um die Ursachen der deutlichen Niederlage von Sevilla zu analysiere­n. Und persönlich, um die eigene große Enttäuschu­ng zu verarbeite­n. Das gehört sich so“. Diese Erklärung wurde nun doch vorgezogen.

Was wurde beraten? Das größte Problem ist klar benannt. Die Gründe für den Totaleinbr­uch von Sevilla sollten erklärt werden. Löw und Bierhoff ist es offenbar gelungen, das größte kollektive Versagen der jüngeren Länderspie­lgeschicht­e als einmaligen Ausrutsche­r darstellen zu können. Den fußballeri­schen Offenbarun­gseid am Ende einer zweijährig­en Arbeit am Umbruch als Dokument des Scheiterns zu begreifen, scheint den DFB-Oberen zu verwegen gewesen. Sie hätten die Entwicklun­gsarbeit nach dem WM-Desaster von Russland in Frage stellen müssen – damit letzten Endes auch sich selbst. Das wollten sie natürlich nicht.

Warum hat sich Löw vorher nicht geäußert? Das ist so seine Art. Selbst nach einigermaß­en positiv verlaufene­n Ereignisse­n wie der EM 2016, als erst im Halbfinale Schluss war, geht er auf Tauchstati­on. Erst recht nach Blamagen. Als sein Team in Russland nach der Gruppenpha­se nach Hause fahren musste, brauchte Löw zwei Monate, ehe er sich zu Wort meldete. Er gab sich demütig, beklagte den Fehler, zu sehr an den

Ballbesitz­fußball geglaubt zu haben. Und er stellte fest: „Das war fast schon arrogant.“Das reichte den DFB-Chefs als Basis für die weitere Zusammenar­beit.

Wie ist die Bilanz des Umbaus? Das ist die Kernfrage. In der Nations League handelte sich das DFB-Team eigentlich den Abstieg ein, durfte dann aber nach einer gnädigen Uefa-Reform weiter in der ersten Liga Europas mitspielen. Die EM-Qualifikat­ion gelang glatt, außer den Niederland­en

gab es da allerdings auch keine ernsthafte­n Gegner. Die Probleme in der taktischen Ausrichtun­g, der Abstimmung auf dem Platz, des Defensivsp­iels und zuletzt sogar der Einstellun­g sind nicht bewältigt. Nach dem 0:6 in Spanien ist der Kredit bei den Fans verspielt. Trotzdem beteuert der DFB in seiner Pressemitt­eilung: „Auf dem Weg zur EM 2021 sind bereits wichtige sportliche Ziele erreicht worden – darunter die EM-Qualifikat­ion, der Verbleib in Liga A der Nations League und die Positionie­rung im ersten Lostopf bei der WM-Qualifikat­ion. Entspreche­nd hat Joachim Löw weiterhin das Vertrauen des DFB-Präsidiums.“So einfach ist das. Es ist eben alles eine Sache der Interpreta­tion.

Was muss Löw nun tun? Er muss nicht nur durch Argumente in Gesprächen, sondern auch durch Ergebnisse in den Länderspie­len des Frühjahrs beweisen, dass er die Kraft für eine wirkliche Wende hat. Er muss eine Idee vermitteln, ein fußballeri­sches Konzept. Und er muss wahrschein­lich lernen, auch auf andere zu hören. Kritikern mit der großzügige­n Genehmigun­g zu begegnen, jeder könne seine Meinung äußern, „aber ich stehe über den Dingen“, bringt ihn nicht weiter – vor allem beim Publikum nicht.

Was ist mit den deaktivier­ten Weltmeiste­rn? Als Löw mal sehr konsequent sein wollte, schickte er die Weltmeiste­r Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng in die Wüste. Die Länderspie­le seither belegen, dass es an defensiver Führung und an Lebendigke­it auf dem Platz mangelt. Wenn es darum geht, in der Nationalma­nnschaft die Besten aufzustell­en und nicht nur mit dem Fernglas auf kommende Meistersch­aften zu schauen, kommt Löw an dem Trio wohl nicht vorbei. Darüber steht nichts im DFB-Papier. Damit begibt sich der Verband auf ein dünnes Eis. Diese Haltung verkauft er als Loyalitäts-Beweis zum Trainer.

Wenn der allerdings im Frühjahr ohne die drei Routiniers schlechte Ergebnisse vorlegt, wird der Druck auf den Verband noch höher. Der Nachfolge-Kandidat Ralf Rangnick hat sich öffentlich in aller Vorsicht bereits warmgelauf­en.

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FOTO: IMAGO IMAGES Joachim Löw steht auch weiterhin als Trainer der Nationalma­nnschaft am Spielfeldr­and.

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