Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Als das Schwein in die Bäckerei stürmte
In Dinslaken verwüstete eine Sau am Wochenende ein Geschäft. Das weckt in Rees Erinnerungen an ein spektakuläres Ereignis vor 17 Jahren. Da endete der Ausflug eines Tieres in die Reeser City in einer Filiale von Hans Gerads.
REES/DINSLAKEN Natürlich dachte Hans Gerads gleich an „sein“Wildschwein. „Als ich die Sache da aus Dinslaken gehört habe, ging mir sofort wieder die Sache von der Dellstraße durch den Kopf“, berichtet der Bäckermeister aus Rees. Wie berichtet, rannte am Wochenende ein Wildschwein durch ein Kaufhaus in Dinslaken bevor es dann wieder verschwand. Fast genau vor 17 Jahren endete der Ausflug eines Wildschweins in die Innenstadt von Rees für das Tier weniger glimpflich: Es wurde von einem Jäger in der Gerads-Filiale auf der Dellstraße erschossen.
Ein Spektakel, an das sich viele in Rees noch heute gut erinnern. Denn das Tier hatte sich ausgerechnet nach Rees verirrt, als hier der Martinszug stattfinden sollte. Daher war die ganze Innenstadt voll. Viele Schaulustige hatten sich vor der Filiale versammelt, in der die arme
„Ich hab gedacht: Heute ist doch nicht der 1. April“
Bäckermeister Hans Gerads als er den Anruf bekam, in seinem Laden sei eine Wildsau
Sau verschreckt vor der Eingangstür lag. Gegen 17 Uhr war das Tier zum ersten Mal in der Innenstadt aufgetaucht: In Höhe von Fahrrad Arentzen war es angefahren worden und dann in seiner Not in die Bäckereifiliale geflüchtet.
Die Verkäuferin hatte das Schwein im ersten Moment für einen schwarzen Hund gehalten. „Aber unser Fahrer, der mit im Laden war, hat gesehen, dass es ein Schwein war und gesagt: Sofort raus hier“, berichtet Gerads, der zu der Zeit gerade in Sonsbeck kegeln war und dort einen Anruf von seinem Schwiegersohn bekam. Als der ihm erzählte, es sei eine Sau in seinem Geschäft grinste Gerads nur und antwortete: „Heute ist doch nicht der 1. April.“
Doch zum Scherzen war keinem vor dem Geschäft zumute. Die Polizei sperrte das Gelände ab. Denn Kinder und Jugendliche hatten immer wieder gegen die Scheiben geklopft, das Schwein zitterte am ganzen Körper, der pure Stress war der Sau anzusehen.
Der Menschenauflauf in der Dellstraße war riesig, auch deshalb diskutierten die Verantwortlichen lange über die richtige Strategie bei dem tierischen Einsatz. Die Polizei wollte keinen Schusswaffengebrauch in der Innenstadt riskieren.
Am Ende tötete ein heimischer Jäger das Tier gegen 20 Uhr mit einem gezielten Schuss. Dafür war die Tür einen Spalt geöffnet worden.
Das Spektakel war vorbei, doch die Geschichte geht bis heute weiter. Denn Hans Gerads hatte gemeinsam mit seinen Stammtischkollegen die Idee, mit dem Schwein den Senioren im Agnesheim eine Freude zu machen. Das Tier wurde zu 40 Kilogramm Gulasch verarbeitet und vom Restaurant Tillmann als Festtagsessen für das Seniorenheim zubereitet. „Das schmeckte fantastisch“, sagt Gerads grinsend.
Mit dem Wildschweinessen war eine Tradition begründet. Seitdem spendiert der Stammtisch dem Agnesheim jedes Jahr ein Festtagsmenue mit Wild. In diesem Jahr wird die Tradition erstmals ausfallen. „In diesen Coronazeiten wäre das zu problematisch geworden, das Personal hat ohnehin genug zu tun“, sagt Gerads. An der Tradition werde man aber auf jeden Fall festhalten. Im kommenden Jahr soll es dann wieder Wildschwein zu Weihnachten im Agnesheim geben.
Woher die Sau kam, wurde nie herausgefunden. Hans Gerads scherzte damals, vielleicht sei das Tier in seinen Laden gekommen, weil er zur
Eröffnung mit dem Slogan „saugut“geworben hatte. Als Gag gab es im Geschäft danach „Wildschweinkruste“und belegte Brötchen mit Wildschwein. Die waren sogar in den Filialen in Marienbaum und Kalkar der Rennen, denn bis dahin hatte sich die Geschichte herumgesprochen.
Es sollte übrigens der letzte schweinische Besuch im Laden bleiben. „Danach ist hier nie wieder eine Sau aufgetaucht“, erzählt Gerads grinsend. Vielleicht hat es sich ja bei den Wildschweinen herumgesprochen, dass ein Ausflug nach Rees kein gutes Ende nimmt.