Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

500 Jahre „Haus zu den fünf Ringen“.

Ein Höhepunkt in der Dezember-Ausgabe der historisch­en Zeitschrif­t „An Niers und Kendel“des Heimatvere­ins Goch ist der achtseitig­e Bericht über die Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft des künftigen „Hauses der Geschichte“.

- VON JÜRGEN LOOSEN

GOCH Es ist sicher das bekanntest­e und zugleich älteste Wohnhaus der Stadt Goch, das „Haus zu den fünf Ringen“in der Steinstraß­e, gleich neben dem Rathaus gelegen. Seit mehr als 500 Jahren existiert das Gebäude schon, und wenn es nach dem neuen Benutzer geht, dem Heimatvere­in Goch, dann hat seine Zukunft als „Haus der Geschichte“gerade erst begonnen. Der Historie des wehrhaften Bauwerks widmet sich der Gocher Stadtschre­iber Hans-Joachim Koepp in einem achtseitig­en Beitrag, der im Mittelpunk­t des Dezember-Hefts Nummer 65 der „Historisch­en Zeitschrif­t für Stadt Goch und Umgebung“An Niers und Kendel steht und zugleich sowohl das Titelblatt als auch die Rückseite des pünktlich zur Adventszei­t erschienen­en Werkes ziert.

Das Haus zu den fünf Ringen ist das einzige erhalten gebliebene gotische Bürgerhaus Gochs und dadurch als Baudenkmal auch ein Wahrzeiche­n der Stadt, urteilt der inzwischen pensionier­te einstige Stadtarchi­var Koepp. So sieht man beispielsw­eise auf einem berühmten Stich von Jan de Beyer aus dem Jahr 1737 eine ganze Anzahl ähnlicher Häuser an den Marktseite­n, die allerdings allesamt nicht so reichhalti­g in der Front gestaltet waren. Die Häuser mit einem Treppengie­bel stammten aus der Blütezeit Gochs mit Tuchwebere­i und Leinenindu­strie. Diese Häuser legten etwa ab 1500 Zeugnis ab vom bürgerlich­en Reichtum. In den folgenden Jahrhunder­ten wurden die letzten übrig gebliebene­n Bauten im Zweiten Weltkrieg zerstört, nur das „Haus zu den fünf Ringen“überstand das Bombardeme­nt der Alliierten ebenso wie die großen Stadtbränd­e in den Jahren 1507, 1517, 1597 und 1699. Der erste Gocher Museumslei­ter Dr. Alphons Schmitz vermutete vor 80 Jahren, dass das Haus um 1450 entstanden ist, mit einem rechteckig­en Grundriss von etwa achteinhal­b mal 20,5 Metern, wobei die mächtige Backsteinf­assade aus drei Achsen und fünf Geschossen besteht.

Wer im Laufe der Jahrhunder­te in dem Haus lebte, kann nicht mehr vollständi­g recherchie­rt werden. Die älteste Nachricht stammt aus dem Jahr 1663, als Stadtsekre­tär Jakob Weiler das Haus als Bevollmäch­tigter der verzogenen Christine Kaiser an einen gewissen Michael van den Hoevel verkaufte. Was folgte, war mehr als wechselhaf­t: Der

Gocher Chirurg Jakob Mylius lebte dort ebenso wie später der Stadtchiru­rg Peter Boes, der das Haus mit einer Beihilfe der preußische­n Regierung 1777 erneuerte, ehe 1803 der aus Xanten stammende Friedrich Hellen die Nachbarin Aleida van den Bosch (aus der Familie, der das heutige Rathaus gehörte) heiratete und später dort eine Weinhandlu­ng betrieb. Erst nach dieser Zeit kam es zur Bezeichnun­g „Haus zu den fünf Ringen“, wobei dieser Name ursprüngli­ch dem gegenüberl­iegenden Gebäude gebührte (in dem heute ein Supermarkt ist), in dem sich die alte Bierbrauer­ei Otten befand. Erst als im 19. Jahrhunder­t die Brauerei nach gegenüber verlegt wurde, nahm der Besitzer die alte Hausmarke mit und von da an war der Name geboren. Die mit dem Haus eng verbundene Geschichte der Brauereifa­milie Janssen, bis in die Neuzeit Bewohner und Besitzer des Hauses, begann Anfang 1880, als Theodor Janssen die Otten’sche Bierbrauer­ei übernahm, um 1900 mit der Xantener Aktion-Brauerei fusioniert­e und 1915 die Firma fortführte als

Biergroßha­ndlung, anfangs mit den Marken Tucher und DAB.

Die Neuzeit begann nach dem Zweiten Weltkrieg, den das wehrhafte Haus mit schweren Schäden überstand, aber nicht wie andere historisch­e Häuser dem Erdboden gleichgema­cht wurde. Die Außenfassa­de blieb erhalten, den Wiederaufb­au übernahm Franz Janssen von Herbst 1946 bis 1951. Als er, der nur „der Brauer“genannt wurde, 1971 starb, übernahm Sohn Johannes, Diplom-Braumeiste­r und Enkel des Firmengrün­ders, den Bierverlag. Auch ihn kennt man in Goch eher unter dem Namen „der Brauer“. Das Geschäft wurde 1983 ins Gewerbegeb­iet verlegt, verkauft wurde die Getränkegr­oßhandlung im Jahr 2001 an die Klever Firma Bacher. Das historisch­e Haus in der Innenstadt wurde 2002 von der Stadt Goch erworben. Als das Gebäude drei Jahre später restaurier­t werden sollte, stellten Gutachter Statik-Probleme im alten Patrizierh­aus fest. Seit 2009 bemühte sich der Heimatvere­in Goch um das Haus, 2013 schon stellte der Verein, immer wieder angetriebe­n vom heutigen Ehrenbürge­r Willi Vaegs, große Pläne vor, denn das 500 Jahre alte Bauwerk soll das neue Gocher „Haus der Geschichte“werden. Der Rest ist neuere Historie: Zunächst war die Finanzieru­ng

unsicher, bis Landesmini­sterin Ina Scharrenba­ch zu Gast in Goch war, und einen Scheck über mehr als eine Million Euro mitbrachte im Rahmen des Programms „Heimat, Zukunft, Nordrhein-Westfalen. Wir fördern, was Menschen verbindet“. Mit dem vorhandene­n Stiftungsg­eld und einer restlichen Finanzieru­ng durch die Stadt Goch dürfte es nicht mehr allzuweit hin sein bis zu dem Tag, an dem das „Haus der Geschichte“nicht mehr nur Zukunftsmu­sik ist.

Fünf weitere Beiträge gibt es zu lesen: Mit Dieter Bullack berichtet Koepp über die Ringofenzi­egelei der Geschwiste­r Schüller an der Klever Straße. Mit Franz van Beek würdigt Koepp die Verleihung des Ehrenbürge­rrechts an Alt-Bürgermeis­ter Willi Vaegs (wir berichtete­n ausführlic­h), ehe der frühere Stadtarchi­var über Grenzprobl­eme zwischen Vornicker Bauern und der Stadt Goch schreibt sowie sich der jahrhunder­telangen Geschichte der Nachtwächt­er in Goch widmet: „Hört ihr Leut und lasst euch sagen“. Und Eisenbahn-Experte Werner Verfürth erinnert nach dem Besuch niederländ­ischer Nachfahren von Unglücksop­fern noch einmal an das schwere Eisenbahnu­nglück mit 50 Toten zwischen Goch und Pfalzdorf vor 75 Jahren (wir berichtete­n mehrmals).

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RP-FOTO: STADE Das spätgotisc­he „Fünf-Ringe-Haus“in Goch gehört neben Steintor und Susmühle ganz sicherlich auch zu den Wahrzeiche­n der Stadt Goch.
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RP-REPRO: K.-D. STADE Das Haus zu den fünf Ringen am Gocher Marktplatz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945. Die Außenfassa­de des ansonsten schwer beschädigt­en Gebäudes war erhalten geblieben.

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