Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Kochen für die Nachbarn

- VON MARC CATTELAENS

Als Silvia Lammers und ihre Familie an Covid-19 erkrankten, merkten sie, wie schwer der Alltag wird, wenn man nicht mehr einkaufen darf. Jetzt, da sie wieder gesund ist, will die 41-Jährige ihren Mitmensche­n helfen, indem sie für sie kocht.

KLEVE Anfang September änderte sich für Silvia Lammers und ihre Familie das Leben: Sie, ihr Mann und ihre Mutter, die nebenan woht, erkrankten an Covid-19. Die komplette Familie mit vier Kindern begab sich in Quarantäne. „Da haben wir plötzlich gemerkt, wie schwer es ist, die täglichen Besorgunge­n zu machen und jeden Tag ein Essen auf dem Tisch zu bringen, wenn man nicht mehr aus dem Haus darf“, sagt Lammers. Und weil sie weiß, dass es in ihrer Nachbarsch­aft einige ältere Menschen gibt, die, gerade in Corona-Zeiten, kaum noch vor die Tür gehen, beschloss sie zu helfen. Jeden Tag steht sie seitdem in ihrer Küche und bereitet frische Mahlzeiten zu, die sie, gegen ein kleines Entgelt, an ihre Nachbarn ausliefert.

Lammers hat eine Ausbildung als Hotelfachk­raft gemacht, zog 2002 aus den Niederland­en nach Kleve zu ihren Eltern an die Königsalle­e. 2008 macht sie dort einen Schönheits­salon auf. Dann kam die Corona-Erkrankung, die die Familie stark einschränk­te, aber aus der eben auch Unternehme­rgeist erwuchs. „Ich nahm mir vor, mich selbststän­dig zu machen, einen Einkaufsse­rvice und Essen auf Rädern anzubieten“, blickt Lammers zurück. Doch der Einkaufsse­rvice erwies sich als zu aufwändig. Blieb noch das Kochen.

Lammers wollte sich die erforderli­chen Genehmigun­gen holen, doch auch hier erwies sich der Schritt in die Selbststän­digkeit schwierige­r als gedacht. „Ich hätte enorm viele Auflagen einhalten müssen. Da ich in meiner privaten Küche koche, hätte ich fast das ganze Haus umkrempeln müssen“. Das bestätigte ihr auch das Gesundheit­samt bei einem Hausbesuch. „Keine Gardinen, keine Stoffstühl­e, die Arbeitsger­äte aus Edelstahl. das wäre so kaum zu machen gewesen, schließlic­h wollen wir hier auch noch wohnen“, sagt die 41-Jährige. Auch das Gesundheit­samt riet der Kleverin davon ab, in ihrem Haus eine gewerblich­e Küche einzuricht­en. „Aber in kleinem Rahmen, sozusagen ein paar Gerichte für meine Nachbarn für einen Obulus, dagegen sei überhaupt nichts einzuwende­n“, habe das Amt ihr gesagt.

Gesagt, getan. Lammers besuchte die Menschen in ihrer Nachbarsch­aft, von denen sie wusste, dass sie nicht mehr gut zu Fuß sind und dass sie sich deswegen auch eher von Fertiggeri­chten ernähren, statt frisch zu kochen. „Eine 97-jährige Dame erzählte mir, dass sie das Mikrowelle­n-Essen so satt habe, weil alles gleich schmecke. Sie wurde meine erste Kundin“, erzählt Lammers. Seitdem steht sie jeden Tag an ihrer Kochinsel, bereitet

Menüs aus Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch zu. „Ich habe mich vorher erkundigt, was meine Nachbarn so gerne essen. Jeden Tag gibt es ein anderes Menü“, sagt Lammers. Das kann als Hauptgeric­ht mal Spaghetti Bolognese sein oder Gulasch mit Rotkohl, ein Sauerkraut-Eintopf, Pfann- oder Reibekuche­n. Als „solide, frische Hausmannns­kost mit guten Nährstoffe­n“, beschreibt Lammers ihre Gerichte. Nicht nur die Kunden, die für ein 3-Gang-Menü 8,50 Euro zahlen, sondern auch die ganze Familie isst, was Silvia Lammers täglich auf den Tisch zaubert.

„Ich sehe das als soziales Hobby, weil ich weiß, dass ich damit den Menschen in meiner Umgebung eine Freude mache“, sagt die 41-Jährige. Täglich zwischen 12 und 13 Uhr liefert sie das Essen bis an die Haustür. Derzeit sind es vier Kunden, die Lammers’ Dienste in Anspruch nehmen. „Aber es dürfen gerne noch mehr aus der Nachbarsch­aft werden“, sagt sie. Auch für die Weihnachts­tage würde Lammers gerne etwas kochen. „Da darf man sich auch etwas Besonderes wünschen“, sagt sie.

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RP-FOTO: EVE Silvia Lammers bereitet in ihrer Küche leckere Ausserhaus-Gerichte zu.

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