Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Neue Zeiten im Klever Kreistag
Silke Gorißen ist als erste Landrätin vereidigt worden – ein Amt nimmt ihr der Kreistag aber überraschend ab. Die neue Listenverbindung lässt ihre Muskeln spielen, verzockt sich aber auch. Künftig dürfte es deutlich mehr enge Entscheidungen geben.
KREIS KLEVE Neue Zeiten brechen an in der Kreis Klever Politik – nach außen wird das am deutlichsten durch die erste Landrätin im Amt, Silke Gorißen, die am Mittwoch in der konstituierenden Sitzung des Kreistags vereidigt wurde. Sie freue sich auf gute und zielführende Sitzungen, sagte Gorißen zu Beginn. „Fangen wir an mit der Arbeit.“Unterstützt wird sie dabei auch von ihren drei neuen, jungen Stellvertretern: Stefan Welberts aus Kleve (SPD), David Kerkenhoff aus Kalkar (CDU) und Paula Backhaus aus Uedem (Grüne) werden Gorißen und den Kreis künftig bei Veranstaltungen repräsentieren. Einen stellvertretenden Landrat aus dem Südkreis Kleve gibt es damit nicht.
Neue Zeiten, das wurde im Klever Berufskolleg deutlich, brechen aber auch politisch an. Die Listenverbindung aus SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern, die einst über den gemeinsamen Landratskandidaten Peter Driessen zusammengefunden hat, bildet mit Norbert Hayduk von der Linkspartei die neue Mehrheit im Parlament. Zur Erinnerung: Sie kommt künftig auf 31 Stimmen, die CDU auf 27, die AfD auf zwei. Mit der Stimme der Landrätin gibt es insgesamt also 61 Stimmen im Kreistag.
Die Liste wird auch mehrheitlich die Vorsitzenden der Ausschüsse stellen. Dennoch war man im Vorhinein bei allen Parteien bemüht, Einigkeit zu erreichen. So hatte es Absprachen der Fraktionsvorsitzenden gegeben – und das teilweise bis zur letzten Minute. Davon unbenommen war dann aber die Überraschung, die sich hinter Tagesordnungspunkt 15 verbarg: Am deutlichsten ließ die Liste nämlich bei der Besetzung des Verwaltungsrates der Sparkasse RheinMaas ihre Muskeln spielen. Dort hinein entsendet der Kreistag normalerweise die Landrätin als die im Gremium zu wählende Vorsitzende. Ohne vorherige Ankündigung beantragte die Verbindung jedoch, dass dieses Amt künftig Ralf Klapdor übernehmen solle. Er bringe durch seine berufliche Erfahrung die notwendige Voraussetzungen mit, sagte Klapdor. „Da ich noch nicht so wahnsinnig viele Ämter habe wie die Landrätin, wäre das eine Besetzung, über die man nachdenken sollte.“Und der Grüne Andreas Mayer pflichtete ihm bei: „Aus unserer Sicht wäre diese Besetzung ein großer Gewinn für die Sparkasse und den Kreis Kleve.“Klapdor könne „neue Fachkompetenz von außen einbringen“. Silke Gorißen wiederum machte deutlich, dass ihr sehr daran gelegen wäre, wenn die Position in ihren Händen bleibt. „Es geht um ganz wichtige Interessen des Kreises Kleve“, sagte Gorißen. Und der CDU-Fraktionsvorsitzende Paul Düllings sprach von einem „Affront“des Kreises gegenüber den anderen Teilnehmern im Verwaltungsrat. „Wir sehen keinerlei Veranlassung, von dieser Vereinbarung abzulassen“, sagte Düllings, der wiederholt darauf hinwies, dass bei der Entscheidung das Wohl des Kreises Kleve zu berücksichtigen sein. Die Liste setzte sich trotzdem in geheimer Abstimmung durch, der Kreis entsendet künftig Ralf Klapdor als zu wählenden Vorsitzenden in das Gremium. Und das, obwohl der Liste ein Grünen-Abgeordneter bei der Sitzung fehlte. 30 Abgeordnete Stimmten für Klapdor, 29 dagegen, es gab eine Enthaltung.
Zwei weitere Posten werden das Leben der Bürger im Kreis zwar mutmaßlich nicht dramatisch verändern, zeigen aber, wie knapp die Mehrheit der Listenverbindung ist: Bei den Musikschulen des Kreises Kleve wollte die Liste den Vorsitzenden des Beirats stellen, die Abstimmung endete aber in einem Patt - jeweils 30 Stimmen für den CDU- und für den Listen-Kandidaten. Der dann folgende Vorschlag Ralf Klapdors, die Abstimmung zu verschieben, sorgte für vereinzeltes Gelächter. Zur Erinnerung: Der Listen-Verbindung fehlte am Mittwoch ein Abgeordneter, der in der kommenden Sitzung wieder anwesend sein könnte. Da der Wahlgang aber bereits eröffnet war, musste das Los entscheiden – und es entschied für die CDU. Auch bei der Abstimmung über die Entsendung des Vertreters in die NIAG-Hauptversammlung gab es ein Patt. Auch hier entschied das Los für die CDU. Selbst wenn in beiden Fällen nur Glück (respektive Pech) im Spiel war – hier hat sich die Verbindung verzockt.
So viel ist nach dem Ende der konstituierenden Sitzung klar: Auf Kreisebene wird es künftig deutlich mehr knappe Entscheidungen geben. Sollte die Listenverbindung
aus SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern mit Unterstützung der Linkspartei über die zweite Sitzung am 17. Dezember hinaus bestehen, wird es für die Christdemokraten schwer, eigene Mehrheiten zu finden. So oder so dürften wir in den kommenden Monaten noch einige geheime Abstimmungen erleben, immer in der Hoffnung der Antragsteller auf Abweichler in den jeweils anderen Reihen.
Es sind eben neue Zeiten angebrochen im Klever Kreistag.