Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Nahrungsmittel aus dem Wald
Nahrungswälder bieten nicht nur Nüsse, Kräuter, Beeren, Wurzeln und Samen, sie sorgen auch für eine bessere CO2-Balance. Deshalb setzt sich der Eltener Robin Kampert dafür ein.
EMMERICH Ein Nahrungswald ist ein Ökosystem, das Essen produziert. Nüsse, Wurzeln oder Beeren sind ja bekannt, aber dass man aus Lindenblättern einen schmackhaften Salat herstellen kann und die Blätter des chinesischen Surenbaumes nach Zwiebelsuppe schmecken – das ist für viele neu. Im niederländischen Groesbeek gibt es seit dem Jahr 2008 den Nahrungswald „Ketelbroek“. Das botanische Projekt des Niederländers Wouter van Eck umfasst inzwischen mehr als 400 essbare Arten, deren Ertrag zehnmal höher ist als der der konventionellen Landwirtschaft, ohne dass der Mensch eingreifen muss. „Solche Nahrungswälder bieten einen Lebensraum für Insekten und verschiedene Tierarten. Die Natur trägt mehr dazu bei, CO2 aus der Luft in den Boden zu bekommen, so dass die Ernte dank des gesunden Bodens letztlich mehr bringt als die traditionelle Landwirtschaft“, sagt Robin Kampert, den Nahrungswälder seit seinem Studium faszinieren. Sein Ziel ist es, auch am Niederrhein und darüber hinaus in Deutschland solche Wälder aufzubauen. Kampert steht mit van Eck in Kontakt. „Er versicherte mir seine Mithilfe beim Anlegen eines Nahrungswaldes in Deutschland.“Und auch der EU-Vizepräsident der Grünen/EFA Bas Eickhout hat zugesagt, sein Vorhaben zu unterstützen.
Der 26-Jährige Robin Kampert wuchs in Elten auf. Nach seinem Abitur am Willibrord-Gymnasium wollte er „etwas mit Natur“machen und entschied sich für das Studium „MSc Forest and Nature conservation“im niederländischen Wageningen, wobei er viel über Nahrungswälder lernte. „Ich habe mit Landschaftsarchitekten aus Gent an einem großen Nahrungswaldprojekt auf einem Landgut in Brügge gearbeitet“, erzählt Kampert, der zweisprachig aufwuchs. Im September dieses Jahres beendete er das Studium. Er gibt hochbegabten Schulkindern wöchentlich Unterricht im Nahrungswald in Wageningen.
In der klassischen Landwirtschaft trifft man in der Regel Monokulturen an, so wird ein ganzer Acker mit Salat oder Mais bepflanzt. In Nahrungswäldern wird dagegen in Permakultur angebaut: Es wird hauptsächlich mit mehrjährigen Pflanzen gearbeitet, so dass aus bis zu neun verschiedenen Vegetationslagen geerntet werden kann. Die Pflanzen werden in langen schmalen Streifen angelegt, beispielsweise ein Streifen mit Schnittblumen, ein paar Meter weiter Spargel und daneben ein Streifen Wildzwiebeln. Auf einem Ackerstreifen können Haselnussbäume stehen und darunter Beerensträucher
und Gras oder Kräuter. Richtig kombiniert, halten sich die Pflanzen gegenseitig im Zaum, man braucht nicht viel zurückzuschneiden oder zu jäten. „Dadurch liegt das Land nach der Ernte nie brach, wie es auch in der Natur ist“, erklärt Robin Kampert.
In Groesbeek ist nach diesem Prinzip der größte natürliche Nahrungswald Europas herangewachsen mit großen und kleinen Bäumen, Sträuchern, Kletterern, Krabbeln und Kräutern. Eine Polykultur, die von selbst wächst und keine Pflege benötigt. Gastronomen aus Nimwegen ernten hier die Zutaten für ihr Restaurant. Außerdem bietet der Wald Möglichkeiten zur Erholung und Entspannung. Der Nahrungswald ist heute eine Inspiration für Bauern, Naturliebhaber und Regierungsbeamte, weil er zeigt, wie man mit Natur und Landwirtschaft auf alternative Weise umgehen kann. In den Niederlanden ist der essbare Wald schon ein fester Bestandteil geworden in der Gesellschaft. „Der Green Deal voedselbossen“ist eine Vereinbarung von 32 Organisationen, die gemeinsam das Areal von Nahrungswälder vergrößern wollen.
So etwas wünscht sich Robin Kampert
auch für Deutschland. Er sucht Flächen, auf denen er die Permakultur umsetzen kann und Betreiber dafür. „Das kann ein Waldgarten sein mit drei verschiedenen Vegetationslagen bis hin zu einem großen Nahrungswald, der auch kommerziell betrieben werden kann“, so der Eltener, der bereits zu Mitarbeitern der Stadt Emmerich Kontakt aufgenommen hat, um seine Idee vorzustellen. „Nahrungswälder produzieren gesundes Essen und markieren oftmals den Beginn eines lokalen, biologischen und zirkulären Ernährungssystems. Sie setzen nicht nur auf Nachhaltigkeit, sondern auf Regeneration“, zählt er die Vorteile auf. „Sie speichern mehrere male mehr CO2 als herkömmliche landwirtschaftliche Systeme und können selbst schneller CO2 speichern als natürliche Ökosysteme.“Reguläre Landwirtschaft lauge den Boden aus. Ein Nahrungswald fängt extreme Niederschläge, Hitzewellen und Windstärken ab, reinigt unser Wasser und fängt Feinstaub aus der Luft.
Er bietet Raum für Menschen zum Lernen und Entspannen und trägt bei an der Verbesserung unserer negativen CO2-Balance.
Durch Kurse, Lehrgänge, Schulklassenausflüge und Freiwilligenarbeit habe so ein Wald auch eine wichtige soziale Komponente, sagt Kampert, der gerne auch die Wissenschaft mit ins Boot nehmen möchte. Permakultur sei ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels. Mark Shepard, Landwirt und Autor eines internationalen Bestsellers über Permakultur, erklärt: „Bäume nehmen CO2 auf und wandeln es in Sauerstoff um. Wenn wir weltweit zehn Prozent der landwirtschaftlichen Flächen mit Bäumen bepflanzen, sinkt die CO2-Konzentration auf das Niveau von 1880. Forstet man diese zehn Prozent als Nahrungswälder auf, erhält man zusätzlich Nutzpflanzen.”
Ein Nahrungswald produziere zwar weniger Kalorien pro Hektar als die einjährige Landwirtschaft. „Doch wenn man alle Indikatoren vergleicht, so spricht alles für den Nahrungswald. Deshalb setze ich mich dafür ein“, erklärt Robin Kampert.