Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Neuer Chef für den Klever Tiergarten
Der 26-jährige Martin Polotzek übernimmt die Geschicke von Dietmar Cornelissen, der Stellvertreter wird. Der Familienpark erweitert gerade eine Adler-Voliere – und fiebert bereits Neugeborenen entgegen.
KLEVE Im Tiergarten geht es dieser Tage laut zu. Aus beinahe allen Gehegen fiept und blökt es, wenn Besucher sich nähern. Die Lamas, Ziegen und Füchse scheinen sich über jeden Gast zu freuen – auch über die Vertreter der Presse. Immerhin herrscht ansonsten ungewohnte Tristesse an der Tiergartenstraße. Der Familienpark ist wegen Corona geschlossen und wird es wohl noch einige Wochen bleiben. „Die Tiere vermissen die Besucher. Sie vermissen die Streicheleinheiten und die Extra-Fütterungen“, sagt Dietmar Cornelissen, bisheriger Betriebsleiter des Tiergarten.
Sein Nachfolger ist seit Montag im Amt. Der 26-jährige Tiermediziner
Martin Polotzek übernimmt die Geschicke in Kleve. Zuvor wirkte der gebürtige Rheinland-Pfälzer im Tiergarten Schönbrunn in Wien. „Vom Tiergarten in Kleve hatte ich schon gehört, bevor ich mich mit der Stelle hier beschäftigt habe“, sagt Polotzek. Kollegen aus dem Kölner Zoo hätten ihn darauf aufmerksam gemacht, dass die Stelle als Tiergarten-Chef in der Kreisstadt frei würde. Der untere Niederrhein sei ihm bereits bekannt gewesen, immerhin habe er als Kind zahlreiche Urlaube in Kevelaer verbracht. „Natürlich ist der Schritt aus einer 1,8-Millionen-Metropole nach Kleve eine Umstellung. Aber ich finde das Konzept des Familienparks sehr spannend. Außerdem habe ich in den ersten Tagen bereits gemerkt, dass hier eine familiäre Arbeitsatmosphäre herrscht“, sagt Polotzek. Er sei der Überzeugung, dass Menschen den 350 Tieren an der Tiergartenstraße deutlich näher seien als jenen in den Großstadt-Zoos.
Sein Vorgänger Dietmar Cornelissen, der seit 1993 im Tiergarten arbeitet und seit 1996 in führender Position aktiv ist, wird Mitglied des Teams von Martin Polotzek bleiben. Er habe schlichtweg einen Schritt kürzertreten wollen. Schließlich sei die Arbeit mit Tieren seine große Leidenschaft, dafür umso weniger Buchhaltung und Geschäftsführung. Den Teil überlasse er nun gern Martin Polotzek. Dietmar Cornelissen wird künftig genauso wie Christine Oster als stellvertretender Betriebsleiter in Erscheinung treten. „Ich sehe Martin als einen Glücksgriff für den Tiergarten an – gerade auch wegen seines tiermedizinischen Hintergrunds“, sagt Cornelissen.
Der Tiergarten blickt auf ein herausforderndes Jahr mit zwei Corona-Schließungen zurück. Im Frühjahr hatte der Park bereits sechs Wochen geschlossen. Nun fehlen die Besucher seit Mitte November erneut. Das macht sich auch in den Besucherzahlen des Jahres 2020 bemerkbar. Während sonst etwa 85.000 Menschen den Zoo jährlich besuchen, waren es im vergangenen Jahr nur 62.000. „Das sind trotz der Corona-Krise immer noch vergleichsweise gute Zahlen. Dennoch fehlen uns natürlich die Einnahmen der Besucher. Die Schulklassen sind uns beispielsweise komplett weggebrochen, das schlägt sich entsprechend nieder“, sagt Cornelissen. Allerdings habe der Tiergarten die Umsatzeinbuße teils durch Corona-Hilfen der Landesregierung wett machen können.
Der Alltag der Tierpfleger aber scheint dieser Tage deutlich entspannter zu sein. „Es ist aktuell ein schönes Arbeiten“, sagt Cornelissen. Schließlich bestünde kein Termindruck. Ansonsten müsste etwa der Streichelzoo um 9 Uhr herausgeputzt sein, um 10 Uhr würde die Schaufütterung der Seehunde warten. „Diese festen Termine entfallen derzeit. Ansonsten fahren wir aber natürlich unser normales Programm. Die Tiere müssen ja unverändert versorgt werden – egal, ob Besucher kommen oder nicht“, sagt Dietmar Cornelissen. Einzig das Kassenpersonal müsse gegenwärtig nicht tätig sein.
Der Tiergarten aber nutzt die Wochen der Ruhe. So wird aktuell an einer Erweiterung der Voliere für die Weißkopfseeadler gefeilt. Ihr Territorium wird verdoppelt. „Damit setzen wir unseren Einsatz für unsere Vögel fort. Immerhin haben wir erst Ende 2019 eine neue Voliere für die Greifvögel gebaut“, sagt Cornelissen. Allerorts fallen im Tiergarten zudem Tannenbäume auf. Sie nämlich werden von vielen Tieren, etwa von den Ziegen, als Gaumenschmaus angesehen. Händler bringen die Tannen, die sie in der Vorweihnachtszeit nicht haben verkaufen können, alljährlich zum Tiergarten. Die Tiere knabbern die Nadeln ab – und spielen mit den Weihnachtsbäumen. „Jetzt haben wir aber genug Bäume. Ich musste sogar schon Menschen abweisen, die uns weitere Tannen bringen wollten. Spätestens im März sind die Tiere die Nadeln nämlich auch wirklich satt“, sagt Dietmar Cornelissen.
Vor wenigen Wochen erlebten er und seine Kollegen noch einen bewegenden Moment. Die Lama-Stute Annette brachte ein kleines Mädchen zur Welt – ein nicht alltägliches Naturschauspiel an der Tiergartenstraße. Nun fiebern die Tierpfleger bereits weiteren Geburten entgegen. Die Bentheim-Schafe etwa gebären ob ihres dicken Fells auch in den Winter-Monaten. „Bislang habe ich aber noch kein Tier entdeckt, bei dem ich den Eindruck hatte: Es könnte sehr zeitnah losgehen. Das große Frühlingserwachen erwartet uns dann erst wieder ab März“, sagt Dietmar Cornelissen.
Doch er hat noch weiteren prominenten Zuwachs zu vermelden: George Clooney und King Louis sind im Tiergarten eingezogen. Die Pinzgauer Rinder haben auswärtigen Zuwachs bekommen. Das Jungtier aber agierte wenige Augenblicke nach seiner Geburt bereits so stürmisch und forsch, dass es den charakteristischen Namen King Louis erhielt. Ein Huhn wiederum rettete der Familienpark vor der Schlachtung. Dabei hat das Tier einen Farbfehler im Fell, um den ihn viele menschliche Erdbewohner beneiden würden: Eine graue Locke ziert sein Haar. Da war der Name George Clooney naheliegend.