Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Weniger quatschen, mehr kaufen
Der Wochenmarkt ist der einzige Ort abseits der großen Supermärkte, an dem Menschen sich noch mit Lebensmitteln eindecken können. Doch bis zuletzt war der Marktbesuch auch ein gesellschaftliches Ereignis. Das ist nun vorbei.
KLEVE Wenn einer beurteilen kann, wie sich das Besucheraufkommen auf dem Klever Wochenmarkt entwickelt hat, ist es der Niederländer Gerard Jan Bartels. Seit Jahrzehnten steht er mit seinem Fischhandel „Litjes“auf dem Wochenmarkt an der Linde. „Es sind seit dem erneuten Lockdown nicht deutlich mehr Besucher auf dem Markt unterwegs. Doch die Kunden, die zu uns kommen, kaufen mehr ein. Sowieso sind viele unserer Kunden langjährige Stammkunden“, sagt Gerard Jan Bartels, der aus dem niederländischen ´s-Heerenberg stammt. Er ist einer von acht Händlern, die ihre Stände und Buden ab 8 Uhr für Besucher öffnen. Sofort strahlen die Verkäufer Energie aus, ihre Auslagen sind üppig und bunt gestaltet. Bis in die frühen Mittagsstunden wird an der Linde gehandelt.
So könnte man den Eindruck gewinnen, auf dem Markt sei alles wie vor der Corona-Krise. Ganz so ist es aber nicht. Eine Institution nämlich fehlt dieser Tage: Nils Roth und seine Kaffeebude. Er sagte unserer Redaktion vor einigen Tagen: „Ich sehe meine Bude auch als einen gesellschaftlichen Treffpunkt. Der ist aber in Corona-Zeiten nicht möglich.“So postiert er sich mit seinen Kaffee-Spezialitäten in diesen Wochen nicht auf dem Markt. Apropos Corona. Die Maskenpflicht nehmen die Kunden offenkundig sehr ernst. Es gibt kaum einen Klever, der ohne Maske auf einen Verkaufsstand zuläuft. Und spätestens in der Schlange hängt die Mund-Nasen-Bedeckung im Gesicht. Die neue Normalität eben. „Das ist doch mittlerweile ein Automatismus geworden. Wenn ich aus dem Auto aussteige, schaue ich erst, wo meine Maske ist. Das ist genauso wie der Griff nach dem Gurt, wenn man ins Auto einsteigt“, sagt Johanna Durst, die ihre Einkaufstasche am Samstag mit Blumen füllt.
Auch Gerard Jan Bartels bestätigt, dass die Kunden sich sehr diszipliniert an die Maskenpflicht halten würden. „Wenn ich selbst Fisch frittiere, habe ich keine Maske auf. Es sei denn, die Kunden wünschen das unbedingt. Dann ziehe ich sie gerne auf“, sagt der Unternehmer. Noch immer sind die Klassiker aus dem Nachbarland die Verkaufsschlager bei „Litjes“: Backfisch und Kibbeling. In diesen Wochen steht Gerard Jan mit seinem Sohn Youri im mobilen Geschäft. Er soll das Familienunternehmen bald übernehmen, es wäre die vierte Generation. „Es wird aber immer schwieriger, mit den billigen Preisen der großen Supermärkte zu konkurrieren. Die Leute schätzen aber weiterhin unsere hohe Qualität. Das ist das Markenzeichen, mit dem wir überzeugen“, sagt Youri Bartels. Mit dem Geschäft steht das Vater-Sohn-Gespann unter anderem auch in Uedem, Sonsbeck oder Goch. Der Wochenmarkt in Kleve ist traditionell der Wochenabschluss.
Wenige Meter weiter wartet Ernst Honig auf Kundschaft. Er bringt Obst, Gemüse und Eier an den Mann. „Am Anfang des neuen Lockdowns gab es tatsächlich viele neue Besucher auf dem Markt, gerade auch jüngere Menschen kamen zu uns“, so der Gocher. Dieser Trend aber sei mittlerweile abgeebbt. Der Altersdurchschnitt der Gäste sei dennoch in den vergangenen Monaten rapide gesunken. „Viele Jüngere gehen in der Corona-Zeit für ältere Menschen einkaufen. Sie schreiben
Ernst Honig Händler dann einen Einkaufszettel und bekommen die Lebensmittel von Verwandten oder Nachbarn nach Hause geliefert“, sagt Honig.
Einer der Jüngsten, die am Samstag auf den Wochenmarkt an der Linde spazieren, ist Johannes Flohr. Der Student kauft Äpfel, Kohl und Käse ein. Immerhin sei die Qualität der Ware besser als jene der Supermärkte, so Flohr. „Meine Eltern sind schon früher mit mir zum Markt gegangen. Ich kenne das also und habe die Tradition übernommen“, erklärt der 27-Jährige. Es sei allerdings schade, dass man in diesen Monaten nicht für eine Plauderei verweilen könne. Normalerweise begegne man nämlich immer einem Bekannten, der Markt ist ein regelrechter Treffpunkt. „Damit geht dem Markt aktuell natürlich eine Charaktereigenschaft verloren, die ihn auszeichnet“, sagt Johannes
Flohr. Gesprächspartner findet er nicht. Dafür aber ist die Einkaufstüte voll. Die Händler dürfte es freuen.
„Am Anfang des neuen Lockdowns gab es tatsächlich viele neue Besucher auf dem Markt“