Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Haarige Zeiten
Das Kopfhaar wächst, die Kassen der Salons aber bleiben leer. Ludger Lousee aus Kleve schlägt nun Alarm. Die Friseure würden von der Politik allein gelassen, obwohl die Betriebe alles andere als Corona-Hotspots seien.
KLEVE Wenn Ludger Lousee durch die Stadt spaziert, trifft er immer wieder auf Menschen, denen er am liebsten sofort einen Termin in seinem Friseursalon an der Herzogstraße in Kleve vermitteln würde. Die Haarpracht wuchert, wird grau – und die Schnitte wachsen aus. Doch vorerst darf der 50-Jährige keine Abhilfe schaffen. Mindestens bis zum 14. Februar befinden sich die Salons noch im Corona-Lockdown. „Machen wir uns nichts vor: Viele Läden werden so ruiniert“, sagt Lousee.
Zumal die versprochenen Hilfen nicht so ausgezahlt würden wie erhofft. „Von milliardenschweren Paketen ist die Rede – angefangen bei den Novemberhilfen. Ich weiß, dass die meisten selbständigen Friseure bislang aber noch nicht einen Cent erreicht hat“, sagt Lousee. Zudem gebe es kaum Informationen, wie es weitergehen soll. Der Klever Friseur hoffe nun auf eine prozentuale Pauschale, mit der die gewerblichen Fixkosten gestemmt werden können. „Viele Kosten laufen nämlich weiter. Dabei scheint es dann auch niemanden zu interessieren, wie der Unternehmer selbst seinen Lebensunterhalt finanzieren soll“, sagt Lousee.
Dabei hätten die Friseure im Frühjahr des vergangenen Jahres viel getan, um Hygienekonzepte zu entwickeln und diese umzusetzen. Vielerorts ein kostspieliges Unterfangen. „Da mussten wir alle tief in die Tasche greifen und haben das auch durchaus gerne getan. Schließlich konnten wir so wieder für unsere Kunden öffnen und Haare schneiden“, sagt der Friseurunternehmer, dessen Salon im Schatten der Klever Schwanenburg liegt. Trennwände zwischen den Waschbecken, mehrere Desinfektionsspender, längere Öffnungszeiten oder eine geringere Anzahl von Kunden im Laden – man habe viel getan, doch die Politik habe dieses Engagement nicht honoriert, so Ludger Lousee.
Hinzu komme: Der Schwarzmarkt wuchert dieser Tage. Schon der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks hatte in einem offenen Brief an den Deutschen Fußball-Bund
zuletzt seinen Unmut über frisch frisierte Fußballprofis geäußert. „Einrasierte Scheitel, auf wenige Millimeter getrimmtes Nackenund Schläfenhaar, saubere Konturen. Frisuren, die nur professionelle Friseurinnen und Friseure mit Profi-Equipment schneiden können“, hieß es in dem Schreiben.
Ähnliche Beobachtungen macht Lousee auch in Kleve: „Ich sehe deutlich zu viele frisch rasierte Köpfe, für die ein Friseur gesorgt haben muss.“Auch er selbst habe schon unmoralische Angebote bekommen, unter der Hand die Haarpracht seiner Kunden aufzuhübschen. „Ich lehne das natürlich ab. Aber man hört dabei häufig das Argument: ,Es gibt doch so viele Friseure, die das machen’.“
Auch Julia Kersten sieht auf den Straßen viele nett frisierte Köpfe.
„Wir Friseure sehen, ob jemand bei einem Profi gewesen ist oder ob kurzerhand die Frau oder die Nachbarin Hand angelegt hat“, sagt die Unternehmerin, die ihren Salon „Haarscharf“ebenfalls auf der Herzogstraße führt. Doch offenkundig werde in Kleve auch weiterhin frisiert. Sie selbst habe bislang noch keine Existenzängste. Dennoch sagt
oder ganz ohne Einkommen zurechtkommen“, so der Branchenverband.
Protest Vielerorts war es deshalb auch zu kleineren Demonstrationen gegen den erneuten Lockdown gekommen. Den Kreis Kleve aber erreichten diese Proteste noch nicht.
die Friseurin: „Es wird Betriebe geben, die diese Krise nicht überleben werden. Zumal die Konkurrenzsituation in Kleve groß ist.“Julia Kersten weist darauf hin, dass die Salons zudem zu keinem Zeitpunkt Corona-Herde gewesen seien. Ganz im Gegenteil. „Wir haben immer genau das umgesetzt, was von der Politik gekommen ist“, sagt die Kleverin.
Dirk Kisters, dessen Familienbetrieb „Kisters Coiffeur“an der Römerstraße im vergangenen Jahr sein 50-jähriges Bestehen gefeiert hat, bestätigt, dass die milliardenschweren Hilfspakete der öffentlichen Hand nur sehr schleppend ausgezahlt würden. Im Gegenzug aber würden viele Fixkosten weiter anfallen – darunter auch die Zahlungen ans Finanzamt. „Und man muss doch einmal festhalten, dass Friseure kein Hotspot für Corona sind. Bei all den Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, ist es doch wahrscheinlicher, sich im EOC anzustecken als im Friseursalon“, sagt Kisters unserer Redaktion. Nun aber müsse man gebannt auf das Ende des Lockdowns warten – und Kunden so lange vertrösten. „Wir sind aber, sobald es losgeht, auf Frisur-Notfälle vorbereitet“, sagt Dirk Kisters.