Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Ein bisschen Hoffnung in Arabien
Im Jemen tobt ein brutaler Krieg, der Hunger und Tod über Millionen gebracht hat. Die neue Politik der USA schafft zumindest die Chance einer politischen Lösung. Aber der Weg ist lang, denn im Jemen kämpfen viele Akteure.
Nach sechs Jahren Krieg gibt es einen Hoffnungsschimmer für den Jemen. Die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, die amerikanische Unterstützung für die saudische Offensive im Jemen einzustellen, reicht zwar alleine nicht aus, um das Leid der Zivilbevölkerung zu beenden. Doch Bidens Kursänderung ermöglicht mehr Hilfe für das kriegszerstörte Land und den Beginn eines politischen Prozesses. Zudem haben alle Beteiligten inzwischen eingesehen, dass sie den Krieg nicht gewinnen können. Der Weg zum Frieden bleibt trotzdem steinig.
Saudi-Arabien führt im Jemen eine internationale Koalition, die gegen die Huthi-Rebellen kämpft. Die schiitischen Huthis haben große Gebiete im Norden und Westen des Jemen einschließlich der Hauptstadt Sanaa unter Kontrolle und greifen Saudi-Arabien immer wieder mit Raketen und Drohnen an. Unterstützung erhalten die Rebellen vom Iran – dadurch wird der Jemen-Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Teheran und der sunnitischen Führungsmacht Saudi-Arabien. Mehr als 100.000 Menschen sind in dem Krieg bisher umgekommen, vier von fünf der rund 30 Millionen Menschen im Land sind auf Hilfe von außen angewiesen. Die Corona-Pandemie verschlimmert die Lage zusätzlich.
Biden will den Saudis keine Waffen für den Krieg mehr liefern. Die USA helfen Saudi-Arabien aber weiter bei der Abwehr von Huthi-Luftangriffen und setzen auch den Kampf gegen den Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida fort. In diesem Konflikt machen sie Fortschritte: Der regionale Al-Kaida-Chef Chalid Batarfi sitzt seit einem halben Jahr in Haft, wie aus jetzt veröffentlichten UN-Dokumenten hervorgeht.
Mit seiner Kursänderung löst Biden nicht nur ein Wahlkampfversprechen ein. Die neue Jemen-Position ist eine Abkehr von einer Politik, die sein früherer Chef Barack Obama begonnen und Donald Trump fortgesetzt hatte.
Die Hilfe für die Saudis im Jemen ist in den USA seit Jahren umstritten, weil amerikanische Rüstungsgüter – insbesondere moderne Munition – gegen Zivilisten eingesetzt wurden. Zudem nutzten die Saudis bei Luftangriffen die Daten amerikanischer Aufklärungsflugzeuge. US-Unterstützung erhielt Saudi-Arabien auch bei der Blockade jemenitischer Häfen. Trump beendete 2018 den Einsatz von Tankflugzeugen für saudische Kampfjets, hielt am Rest der militärischen Unterstützung aber fest.
Ob die USA jetzt neben den Munitionsund Waffenlieferungen auch ihre Beteiligung an der Hafenblockade aufgeben, ist noch nicht bekannt. Biden sagte, Amerika entziehe „offensiven Operationen im Jemen“die Unterstützung. „Dieser Krieg muss aufhören.“Mit dem Einsatz des Jemen-Beauftragten Timothy Lenderking und Unterstützung der Uno will der Präsident erreichen, dass im Jemen ein Waffenstillstand ausgerufen wird und dass politische Gespräche zwischen den Huthis und der von Saudi-Arabien unterstützten jemenitischen Regierung beginnen.
In einer weiteren Geste an die Huthis und den Iran kündigte Bidens Regierung an, die in den letzten Wochen der Trump-Präsidentschaft vollzogene Einstufung der Huthis als Terrorgruppe rückgängig zu machen. Trumps Entscheidung hatte es Hilfsorganisationen erschwert, Versorgungsgüter in die Huthi-Gebiete zu bringen, weil sie sich durch Vereinbarungen mit einer Terrororganisation strafbar machen könnten.
Der Iran begrüßte Bidens Initiative. Die Uno schickte ihren Jemen-Beauftragten Martin Griffith zu seinem ersten
Besuch in den Iran, um Möglichkeiten für weitere Friedensschritte auszuloten. Auch die Huthis zeigten sich optimistisch. Die positiven Ansätze könnten jedoch leicht durch neue Gewalt zunichte gemacht werden. Experten weisen darauf hin, dass nach dem Stopp der US-Waffenlieferungen die eigentlichen Bemühungen um ein Ende des Krieges erst beginnen. Eine Einigung nur zwischen den Huthis und der jemenitischen Regierung wäre nicht ausreichend, schrieb die Jemen-Expertin Nadwa Dawsari auf Twitter: Viele andere Milizen im Land müssten ebenfalls eingebunden werden.
Dawsari sieht zudem das Risiko, dass die Huthis einen Waffenstillstand wie bereits früher nutzen könnten, um sich neu zu formieren und ihren Einfluss auszuweiten. Tatsächlich schickten die Huthis trotz der Gesten der USA erneut vier bewaffnete Drohnen in den saudischen Luftraum, wo sie abgefangen wurden. Washington forderte die Rebellen auf, die Angriffe einzustellen. Kritiker von Bidens Jemen-Politik werfen der Regierung einen Versuch zur Besänftigung des Iran vor, mit dem die Regierung in Teheran nur noch weiter zur Aggression ermuntert werde.
Nicht nur der Iran könnte den USA Probleme bereiten. Eine wichtige Aufgabe wird darin bestehen, einen gesichtswahrenden Ausweg für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman zu finden, der den Jemen-Krieg im März 2015 in der Hoffnung auf einen raschen Sieg begonnen hatte. Salmans Bruder, der saudische Vize-Verteidigungsminister Chalid bin Salman, zeigte sich bereits erfreut über Bidens Ankündigung, sich mit „Angriffen des Iran und seiner Stellvertreter“zu befassen.
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die Saudi-Arabien bis 2019 zur Seite standen, spielen bei der Suche nach Frieden eine Rolle. Die Emirate bewaffnen Separatisten im Süden Jemens und sind damit zu einem Konkurrenten der Saudis geworden. Biden und die Uno stehen vor einer komplizierten Aufgabe.
„Dieser Krieg muss aufhören“
Joe Biden US-Präsident