Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Impfstart trotz Schnee-Chaos geglückt
Das Impfzentrum des Kreises Kleve im Wunderland Kalkar hat seine Arbeit aufgenommen. Trotz widrigster Umstände durch starken Schneefall nahmen die über 80-Jährigen ihre Termine wahr. Fahrer waren fast immer Angehörige.
KALKAR Aus Wachtendonk ist die alte Dame mit ihrer Tochter angereist. „50 Kilometer hin und 50 zurück bei diesem Wetter“, sagt sie kopfschüttelnd. Aber froh darüber, dass sie die weite Fahrt auf sich genommen haben, ist Katharina Jakobs. Und sie will sich auch in drei Wochen noch einmal auf den Weg machen, denn danach hat sie einen sehr guten Schutz gegen das Virus, das ihr und der ganzen Welt das Leben seit fast einem Jahr so schwer macht. „Jetzt hab’ ich wieder Hoffnung, dass alles bald besser wird“, sagt sie.
Landrätin Silke Gorißen begrüßte die ersten Impflinge im Impfzentrum des Kreises persönlich. Und sie überreichte allen, die das Vakcin gespritzt bekamen, zum Dank für ihr Mitmachen und ihren Einsatz ein Alpenveilchen im Topf. „Ausgerechnet bei einer solchen Wetterlage zu beginnen ist natürlich eine Extra-Herausforderung“, sagte Gorißen. Sie erlebte mutige Senioren, die sich vom Schneetreiben nicht abhalten ließen, und Angehörige, die dafür großes Verständnis hatten und ihre älteren Verwandten gerne begleiteten. „Ich habe gestern noch mit den Bürgermeistern gesprochen und nur von einem einzigen Fall gehört, wo jemand nach einem Ehrenamtler fragte, um ihn nach Kalkar zu bringen. Die allermeisten Senioren haben sich offensichtlich selbst geholfen.“
So wie Elisabeth und Heinrich Sprünken aus Straelen, die sogar selbst gefahren sind. Willi und Christa Klöster aus Nütterden waren ebenfalls unter den ersten Geimpften. Reinhold Putzer aus Kleve war sogar damit einverstanden, sich während der Impfung fotografieren zu lassen. Seine Tochter Sabine Frenzel stand dabei strahlend im Hintergrund. „Ich bin so erleichtert, dass es endlich so weit ist. Meinen Vater zu fahren und demnächst auch die Mutter war eine Selbstverständlichkeit. Sie haben früher alles für uns getan, jetzt sind wir an der Reihe“, sagt sie.
Bevor der Pieks, bei dem Putzer nicht einmal zwinkerte, von Dr. Farhad Eghtessadi verabreicht wurde, musste der Gast, wie die Patienten in Kalkar genannt werden, am Empfang seinen Ausweis und seine ausgedruckte Terminbestätigung vorlegen. Vom Parkplatz war der Klever samt Begleitung in einem Shuttle-Bus, der den ganzen Tag über fährt und das auch im Sommer tun wird, zum Eingang gebracht worden. Dort wird die Temperatur gemessen, hängen Desinfektionsspender und gibt es Ansprechpartner für alle denkbaren Fragen. Vielleicht tut ein
Glas Wasser Not, wo ist die Toilette, wird vielleicht unerwarteterweise ein Rollstuhl benötigt? Für alles ist vorgesorgt. „Wir haben monatelang am Konzept gefeilt und fühlen uns jetzt gut vorbereitet“, erklärt Jürgen Baetzen, der Leiter des Fachbereichs Rettungsdienst beim Kreis Kleve. Er ist der Chef im Ring, alle medizinischen Fragestellungen verantwortet Dr. Larsen Seydel, der ärztliche Leiter des Zentrums. Er berichtet, dass ein Großteil der Bewohner von Altenheimen inzwischen durch geimpft ist und er sehr beruhigt sei, dass nun auch zu Hause lebende Senioren mit dem Vakcin versorgt werden können. Die ganz neue Entwicklung, nach der bereits am Mittwoch der AstraZeneca-Impfstoff Kalkar erreichen soll, läst ihn ebenfalls auf eine baldige Entspannung der Lage hoffen. „Pflegepersonal und Rettungsdienstler sind nach der jüngsten Coronaschutzverordnung jetzt ebenfalls in Gruppe 1. Deshalb können wir diese Personengruppen, sofern sie zwischen 18 und 65 Jahre alt sind, ab Mittwoch ebenfalls impfen.“Für die ersten Tage, an denen jeweils 260 Dosen des AstraZeneca-Serums zur Verfügung stehen, sind die Impflinge schon informiert, kurzfirstig werde in Regie des Kreises (unabhängig von der Kassenärztlichen Vereinigung) ein elektronisches Einladungssystem zur Verfügung gestellt, das die Terminvergabe viel einfacher machen soll. Weitere Informationen dazu kämen in den nächsten Tagen.
Wie viele Senioren am ersten Tag wegen der schwierigen Straßenverhältnisse nicht kommen würde, war am Montagnachmittag noch nicht zu sagen, die ersten Termine wurden sämtlich wahrgenommen. 204 Impfdosen pro Tag – ausschließlich von Biontech – stehen zur Verfügung, an sechs Tagen pro Woche wird geimpft. „Sobald mehr Impfstoff zur Verfügung stehe, können die Kapazitäten ausgebaut werden: auf 1000 und mehr Impfungen pro Tag“, sagt Jürgen Baetzen. Wenn einige Impfdosen übrig blieben, falls doch nicht alle Eingeladenen erscheinen, sei das kein Problem. Bereits am Morgen hatte die KV Nordrhein darüber informiert, dass diejenigen, die sich witterungsbedingt nciht in der Lage sahen, nach Kalkar zu kommen, am Dienstag zur selben Uhrzeitberüksichtigt würden. „Das ist kein Problem, wir haben genügend Impfstraßen und das Personal, um sie ebenfalls zu versorgen“, so Dr. Seydel. Ebenso wichtig: Das Vakzin, das in spritzfertiger Aufbereitung nur kürzeste Zeit verwendbar ist, kann in seinen Einzelbestandteilen durchaus in einem normalen Apothekerschrank gekühlt bis zum nächsten Tag aufbewahrt werden. „Wir mischen immer erst für so viele Leute an, wie uns gemeldet werden“, erklärt der ärztliche Leiter.
Übriegns hatte keiner derjenigen, die sich nach der Impfung wieder zum Parkplatz zurück bringen ließen, Schmerzen oder Jucken, auch keinen Schwindel oder sonstiges Unwohlgefühl. „Das Schlimmste ist, jetzt durch den Schnee wieder zurück zu müssen“, fand Katharina Jakobs. Bereits am Sonntag hatte das Wunderland Kalkar als Vermieter der genutzten Hallen kräftig vorgesorgt, dass die Impfwilligen und ihre Begleiter das Zentrum überhaupt erreichen konnten. „Wir haben drei Radlader eingesetzt, um die Zufahrt und den Parkplatz möglichst gut zu räumen“, erklärte Wunderland-Geschäftsführer Han Groot-Obbink der Rheinischen Post am Montagvormittag. Selbst der Zirkus, der seit Monaten auf dem Gelände logiert, hat mit Arbeitskräften und schwerem Gerät mitgeholfen. Am Morgen um 7.30 Uhr habe er allerdings beim Kreis angerufen und darauf hingewiesen, dass die Zufahrtstraßen dringend geräumt werden müssten. Manche Straßen seien praktisch nicht befahrbar gewesen. „Wir haben schnell noch die Stadt Kalkar ins Boot geholt und uns von ihrem Bauhof helfen lassen. Vielen Dank dafür, dass auch das so gut geklappt hat“, stellte Silke Gorißen fest.