Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Rheinliner-Pleite: Busfahrer kämpfen weiter
Das Insolvenzverfahren der Rheinliner GmbH dauert seit mehr als vier Jahren an. Ehemalige Beschäftigte bemühen sich immer noch darum, an ihr Geld zu kommen.
NIEDERRHEIN Aufgeben kommt für Stefan Ziegler nicht in Frage. „Ich ziehe jetzt vors Landesarbeitsgericht“, sagt der Mann aus Wesel. Er streitet gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, die mittlerweile insolvente Omnibus Rheinliner GmbH & Co KG aus Kalkar. Dort war Ziegler als Busfahrer beschäftigt. Und wie einige seiner ehemaligen Kollegen wartet er noch auf Lohn, der ihm zusteht (die RP berichtete).
Am 21. September 2016 wurde, fast ein Jahr nach dem Insolvenzantrag vom 5. November 2015, das Insolvenzverfahren gegen das Busunternehmen eröffnet. Zuvor hatten Ziegler und Kollegen bei Rheinliner-Geschäftsführer Karl Döring, damals wie heute Vorstandsmitglied im Caritasverband Geldern-Kevelaer, versucht, an ihr Geld zu kommen. Schließlich schalteten sie einen Rechtsanwalt ein. Der erwirkte vor dem Arbeitsgericht Wesel, dass der Unternehmer das ausstehende Gehalt plus Zinsen zu zahlen habe. Dieses Versäumnisurteil wurde am 11. September 2015 verkündet. Im November erfolgte eine Kontopfändung durch den Gerichtsvollzieher.
Im April 2017 jedoch forderte der Insolvenzverwalter die Rückzahlung des durch das Arbeitsgericht zuerkannten Geldes. Die Zahlungen seien gemäß §131 Abs 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) anfechtbar. „Sowohl die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses als auch die Zahlung der Drittschuldnerin [die Verbandssparkasse Wesel, Anm. d. Red.] erfolgten nach Insolvenzantragstellung.“Im Dezember 2019 strengte der Insolvenzverwalter vor dem Amtsgericht Geldern eine Klage auf Rückzahlung an, und zwar die erhaltene Summe plus Zinsen, Verzugszinsen und Anwaltsgebühren. Mit Erfolg. Fast alle betroffenen Busfahrer ließen sich daraufhin auf einen Vergleich ein, nach dem sie nur einen Teil zurückzahlen mussten. Nur Ziegler kämpfte weiter, unterlag im Dezember aber in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Wesel.
Ziegler versteht nicht, warum das Arbeitsgericht auf den aus seiner Sicht durch die Sparkasse gemachten Fehler überhaupt nicht einging. Und er kritisiert das Insolvenzverfahren allgemein. Das werde in die Länge gezogen, und das Gesetz an sich sei haarsträubend. Es setze voraus, dass man „als Arbeitnehmer über die Vermögensverhältnisse des Arbeitgebers oder über eine eventuelle Pleite in den nächsten drei Monaten Bescheid zu wissen hat“. Das sei das Gleiche, als könne man in einer Kristallkugel die nächste Ziehung der Lottozahlen voraussagen.
Auch Fritz Pesch aus Kevelaer ist einer der ehemaligen Rheinliner-Busfahrer. Er hat erst durch die Aussage des Insolvenzverwalters im RP-Bericht erfahren, dass man Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden, als Insolvenzgläubiger dann anteilig ausbezahlt werde und die Quote in diesem Verfahren mit 71 Prozent relativ hoch sei. Peschs Schreiben an den Insolvenzverwalter blieb bisher, rund einen Monat später, ohne Antwort.
Ebenso eine Forderung aus der Insolvenzmasse, die ein Ex-Kollege gestellt hat.
Nach dem RP-Bericht meldete sich Annette Simmes aus Wesel. Nach eigenen Angaben gehörte sie zu Dörings Freundeskreis und wartet noch immer auf die von ihm schriftlich zugesagte Rückzahlung eines privaten Darlehens von 13.000 Euro aus September 2014, das damals für die Bezahlung von ausstehenden Gehältern eingesetzt worden sei. Zuletzt appellierte sie im Juli 2015 an Döring, das Geld zurückzuzahlen. „Ich bedauere zutiefst, dass ich dir bisher die 13.000 Euro nicht zurückzahlen konnte“, leitete Döring seine Antwortmail vom 23. Juli 2015 ein, die der Redaktion vorliegt. Er verwies auf einen Hausverkauf, dessen Erlös vom Finanzamt weggepfändet worden sei. Er habe auch „unsere Busse“bei mobile. de zum Verkauf eingestellt. Sein Versprechen: Er werde „jeden hier eingehenden Euro an dich überweisen, damit du möglichst bis 31.07. den vollen Betrag zurück bekommst“. „Alle betroffenen Fahrer legten dem Arbeitsgericht Wesel eine gemeinschaftliche Erklärung vor, in der sie die immer wieder getroffenen Zusagen von Karl Döring zur Zahlung der ausstehenden Gehälter an Eides statt versicherten“, schreibt Simmes. Diese unsägliche Geschichte zu Lasten der Schwächsten im Unternehmen entbehre für sie nicht nur jeden gesunden Rechtsempfindens, sondern vor allem jeden menschlichen Anstandes.
Während Pesch sich an eine Ehrenwortzusage Dörings erinnert, bestreitet dieser jene Zusage. Auf erneute Anfrage verwies Döring am Montag auf seine Erklärung vom 25. November. „Als Geschäftsführer der GmbH habe ich keinem Angestellten Zusicherungen in Bezug auf offene Gehälter gegeben“, nahm Döring damals Stellung. Selbstverständlich habe er versucht, Mitarbeitenden im Rahmen der ihm gebliebenen Möglichkeiten in der Insolvenzsituation behilflich zu sein. „Diese Möglichkeiten waren und sind indessen im Insolvenzverfahren äußerst beschränkt.“Auch habe er keinen Einfluss darauf, wenn der Insolvenzverwalter Gehaltszahlungen anfechte und zurückverlange. „Ich selbst habe durch diese Entwicklung ganz erhebliche wirtschaftliche Schäden erlitten.“