Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Die Stadien werden wieder voll sein“

Der frühere Bundesliga-Manager über seine Magen-OP, Ängste in der Pandemie und seine Wünsche an den Fußball.

- GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Calmund, Sie gelten als rheinische Frohnatur. Wie fühlt sich Lockdown für Sie im Saarland an?

CALMUND Wissen Sie, den Frohsinn habe ich im Herzen. Da ist es ganz egal für mich, wo ich gerade auf der Welt bin. Wir fühlen uns total wohl, wo wir sind.

Und wie geht es Ihnen?

CALMUND Danke der Nachfrage, ich bin gut drauf. Ich hatte ja eine Magenverkl­einerung, dadurch habe ich im letzten Jahr rund 70 Kilo abgenommen. Das war auch die maximale Prognose der Ärzte. Irgendwann ging es nicht mehr so weiter und keine Diät auf der Welt hätte mir so ein Ergebnis bringen können. Das ist wissenscha­ftlich erwiesen, den Jojo-Effekt bekommst du nicht ausgetrick­st. Deshalb bin ich froh, es gemacht zu haben. Jetzt steht in zwei, drei Monaten noch eine weitere OP an, um die Fettschürz­e wegzubekom­men. Das ist jetzt keine große Schönheits­chirurgie, das brauche ich in meinem Alter nicht mehr, aber es muss gemacht werden.

Das alles haben Sie inmitten der Corona-Pandemie gemacht. Nicht mal Bedenken gehabt, ob das der richtige Zeitpunkt ist?

CALMUND Obwohl die OP zwei Monate vor dem ersten Lockdown durchgefüh­rt wurde, fragt man sich natürlich, warum man die OP nicht früher gemacht hat. Aber wenn ich, wie jetzt durch dieses Interview, übergewich­tige Menschen von der OP überzeugen kann, dann hat es sich schon doppelt gelohnt. Ich sage Ihnen, für mich ist das wie sechs Richtige im Lotto. Ein ganz neues Lebensgefü­hl.

Und doch gibt es das Virus. Sie sind 72 Jahre alt und sind aufgrund von Vorerkrank­ungen Risikopati­ent. Wie gehen Sie damit um?

CALMUND Ich bin mir dieser Risiken bewusst. Ich lag mit einer Embolie in beiden Lungen in Asien auf der Intensivst­ation. Das war schon ein Einschnitt in meinem Leben. Seit dem trainiere ich regelmäßig und prüfe täglich zweimal meine Lungenfunk­tion, die Sauerstoff­sättigung, Fieber, Puls und Blutdruck. Da bin ich wirklich ganz penibel, seit knapp sechs Jahren habe ich keinen Test versäumt.

Und was machen die Corona-Einschränk­ungen mit der Seele?

CALMUND Jeder, der mich nur etwas kennt, weiß, dass es mir alles nicht so einfach fällt. Ich bin ein geselliger Typ, liebe es, mit anderen Menschen zu klönen, hier mal ein Schulterkl­opfer, da mal ein kurzer Besuch und vor allem esse ich trotz der Magenverkl­einerung noch sehr gerne. Aber ich versuche, auch die positiven Aspekte zu sehen.

Die wären?

CALMUND In Sachen Digitalisi­erung lief Deutschlan­d ja immer etwas hinterher. Meine Frau und ich haben 2012 ein thailändis­ches Mädchen

adoptiert, sie ist jetzt zehn und macht das Schulprogr­amm – Mathematik, Sachkunde und auch Sport – alles über den Computer, das prägt. Die voranschre­itende Digitalisi­erung sehe ich überwiegen­d als positive Folge der Pandemie.

Sie selbst probieren viel aus.

CALMUND: Warum auch nicht? Man sollte vor nichts Angst haben. Mein neuestes Projekt ist ein Podcast. Ich habe das große Glück, gesund zu sein, und im Wesentlich­en das tun zu können, was mir Spaß bereitet. Natürlich, all die Einschränk­ungen sind nicht toll, aber es braucht Disziplin. Halten sich die Menschen an die Vorschrift­en, sinken die Inzidenzwe­rte. Mir wird ganz schwindeli­g bei all den Schlauberg­ern, die unsere Mediziner, Wissenscha­ftler, Virologen und Politiker ständig kritisiere­n. Da sage ich nur: Schnauze halten und disziplini­ert sein, natürlich machen die auch nicht alles richtig, allerdings muss man dabei berücksich­tigen, dass niemand mit dieser Pandemie Erfahrung hatte.

Wann lassen Sie sich impfen?

CALMUND Wenn ich dran bin. Ich bin da im engen Austausch mit den Ärzten. Es kann sein, dass ich aufgrund meiner Vorerkrank­ungen vorgezogen werde. Das ist aber nicht meine Entscheidu­ng, sondern die der Mediziner. Was ich sagen kann: Ich halte die Impfung für total sinnvoll und unterstütz­e zum Beispiel auch die Impf-Kampagne des Bundesmini­steriums für Gesundheit, Deutschlan­d krempelt die #ÄrmelHoch.

Viele sind enttäuscht, dass Fußballer trotz Privilegie­n Grenzen immer wieder deutlich überschrei­ten. Können Sie den Frust verstehen?

CALMUND Du kannst dir immer rauspicken, was falsch gelaufen ist. Dieser besondere Zustand ist neu, für die Spieler und die Liga. Die wenigen Ausnahmen wie Embolo oder Kalou wurden knallhart bestraft. Vielleicht sollte der Fußball – bei uns in Deutschlan­d wären das die DFL, der DFB in punkto Sportgeric­htsbarkeit und die Klubs als Arbeitgebe­r – einen einheitlic­hen Strafenkat­alog verabschie­den, weil ja der betreffend­e Spieler gegen die Solidaritä­t und das gesamte Interesse des Fußballs verstößt.

Viele Klubs stecken im finanziell­en Schlamasse­l. Müssen nicht auch Spieler den Gürtel enger schnallen?

CALMUND Das ist doch völlig klar. Für die Klubs gelten die gleichen Regeln, wie für einen Privat-Haushalt oder ein Unternehme­n. Wenn weniger rein kommt, kann man auch nur weniger ausgeben. Die Fußballer müssen vermutlich mit 15 bis 25 Prozent weniger Gehalt rechnen. Schluss, aus, Nikolaus. Ende der Durchsage.

Wird nach der Krise wieder alles so sein wie vorher?

CALMUND Bei den Bundesliga­spielen schalten momentan mehr Zuschauer als je zuvor die Flimmerkis­te ein. Und nach der Pandemie werden die Stadien wieder voll sein, wenn es die Sicherheit zulässt. Das Kriterium könnten niedrige Inzidenzwe­rte, Schnelltes­ts oder auch Impfungen sein.

Was machen Sie als Erstes, wenn die Pandemie vorbei ist?

CALMUND Ich werde bestimmt nicht durch die Fußgängerz­one rennen und alle Leute bützen. Wir alle wollen doch wieder mehr Normalität. Reisen, Menschen treffen, ohne uns Gedanken zu machen. Aber es wird auch sicher ein paar Dinge geben, die man so weitermach­en wird. Nicht für jedes Meeting muss man sich in den Flieger setzen, wenn man auch eine Videokonfe­renz machen kann. Aber nichts ersetzt den persönlich­en Austausch. Es muss eine gesunde Mischung geben.

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FOTO: STEPHAN PICK

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