Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Kevin Weggen wird gerne emotional
Seit vier Jahren spielt der 27-Jährige für den Fußball-Regionalligisten SV Straelen. Zu seinen Gefühlsausbrüchen, die er offen auf dem Platz zeigt, steht er. Am Samstag bestreitet er mit dem SVS die Heimpartie gegen den FC Schalke 04 II.
STRAELEN Kevin Weggen bezeichnet sich als Realist. Und das ist er auch, wenn er sich als Fußballer charakterisieren soll. „Ich hasse es zu verlieren und versuche in jedem Spiel, 110 Prozent für die Mannschaft und den Erfolg zu geben“, sagt der Spieler des Fußball-Regionalligisten SV Straelen. „Und ich weiß selbst, dass ich auf dem Platz ein Arschloch sein kann.“So erklärt der 27-Jährige die hitzig geführte Diskussionen mit dem gegnerischen Spieler oder den Unparteiischen. „Doch privat bin ich ein ganz anderer Mensch, das können meine Freunde bestätigen.“
Aus dem damals jungen Kevin Weggen wäre fast ein „Kevinho“geworden, denn geboren wurde er in Beja, einer portugiesischen Provinzstadt im Landesinneren, wo sein Vater
„Ich versuche in jedem Spiel 110 Prozent für die Mannschaft und den Erfolg zu geben“
Kevin Weggen Spieler des SV Straelen
als Soldat stationiert war. Erinnern kann er sich an Portugal nicht mehr, weil die Familie ein Jahr nach seiner Geburt zurück nach Mönchengladbach zog.
Als kleiner Knirps trug er zehn Jahre lang das Trikot mit der Raute und wechselte als B-Jugendlicher in die Bundesliga zu Rot-Weiss Essen, wo er vier Jahre spielte. „Ich bin mit der Sporttasche in der Hand zum Gymnasium gegangen und nach der Schule mit dem Zug zum Training ins Ruhrgebiet gefahren“, sagt er. „Abends haben meine Eltern mich abgeholt, später gab es einen Fahrdienst.“
Als Jugendlicher konnte er in Essen überzeugen und folgte einem lukrativen Angebot des Wuppertaler SV. Doch der junge Mann aus Mönchengladbach erwischte beim WSV eine Zeit, in der der Traditionsklub in eine finanzielle Schieflage geriet. Nach fünf Einsätzen in der Regionalliga fand Kevin Weggen sich in der U 23 in der Oberliga wieder. Diese Erfahrungen ließen bei ihm die Alarmlocken läuten. Schnell gewann er die Einsicht, nicht mehr bedingungslos auf eine Karriere als Fußballprofi zu setzen. Stattdessen befolgte er den väterlichen Rat, parallel zum Sport eine Ausbildung zu machen. Eine Entscheidung, die er auch heute noch als richtig bezeichnet.
Kevin Weggen machte eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann, ohne dabei den Fußball zu vernachlässigen. Doch trotz einiger Vereinswechsel gelang ihm in den nächsten Jahren nicht der ganz große Sprung in den Profifußball. „Das Potenzial wurde mir sehr oft bescheinigt, aber es gehört auch eine Portion Glück dazu. Vielleicht habe ich auch die eine oder andere falsche Entscheidungen getroffen“, sagt er.
In der Saison 2016/17 schaffte der SV Straelen den Aufstieg in die Oberliga. Zur gleichen Zeit lief Kevin Weggens Vertrag beim VfB Lübeck aus – er war vereinslos. Sein bester Kumpel Jannik Stevens hatte sich schon ein halbes Jahr zuvor dem SV Straelen angeschlossen und machte ihm einen Wechsel an die Römerstraße schmackhaft.
„Neben Jannik gehörten auch Aram Abdelkarim und Fabio Ribeiro zur Aufstiegsmannschaft. Das waren sehr gute Bekannte von mir. Ich wusste, wie gut sie Fußball spielen können“, sagt Weggen. „Schon beim Vertragsgespräch habe ich zum Vereinspräsidenten Hermann Tecklenburg gesagt, dass wir aufsteigen werden.“
In seiner ersten Saison beim SVS avancierte Kevin Weggen mit seiner leidenschaftlichen Art, Fußball zu spielen, schnell zum Publikumsliebling. Am Ende der Saison sollte er mit seiner Einschätzung bei Vertragsunterzeichnung Recht behalten. Der SVS hatte den Durchmarsch in die Regionalliga geschafft. Seit nunmehr vier Jahren bildet das Quartett Weggen/Stevens/Abdelkarim/Ribeiro die Korsettstangen der Mannschaft und hat maßgeblich zum sportlichen Aufstieg beigetragen.
Am Samstag, 14 Uhr, wird Kevin Weggen in der Heimpartie gegen den FC Schalke 04 II sein 88. Spiel in der Regionalliga bestreiten. Der Taktgeber des SVS ist sich darüber im Klaren, dass seine Zeit als Fußballer zeitlich begrenzt ist. Zurzeit kann er noch nicht sagen, wie es nach der Saison mit ihm sportlich weitergehen soll. Aber sicher ist, dass er im Mai seine Laura heiraten wird, dass er sich als Familienmensch zwei Kinder wünscht und seine Selbständigkeit als Versicherungskaufmann ausbauen möchte.
Eine klare Prognose, ob der SV Straelen den Klassenerhalt schaffen wird, ist von ihm als Realist nicht zu bekommen. „Für mich steht fest, dass das ganze Team bis zum Schluss voll durchziehen und trotz des ganz guten Tabellenstandes die Ernsthaftigkeit der Lage verstehen muss. Ein Puffer von sieben Punkten ist schnell verspielt“, sagt Kevin Weggen.