Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„Ich habe keine Angst vor einer Infektion“
Ab Montag dürfen wieder alle Kinder die Tageseinrichtungen in NRW besuchen. Eine Erzieherin aus Düsseldorf erzählt, wieso bei ihr die Freude, die Kinder wiederzusehen, die Sorge vor einer Ansteckung überwiegt.
DÜSSELDORF Marisa Grießhaber freut sich, dass jetzt wieder mehr Kinder zu ihr kommen können. Die 38-Jährige leitet die „Wiesel“-Gruppe der Kita „Grafentaler Springmäuse“in Düsseldorf, eine sogenannte T3-Gruppe mit Kindern von drei bis sechs Jahren. „Ich habe keine Angst oder größere Sorge vor einer Ansteckung, weil wieder mehr Kinder kommen. Ich freue mich vielmehr, die Kinder, die lange zu Hause waren, wiederzusehen“, bemerkt die Erzieherin.
Ab diesem Montag dürfen Kinder in Nordrhein-Westfalen wieder in die Kindertageseinrichtungen und die Tagespflege kommen. Trotz der Lockerung bleibt es aber bei einem landesweit pauschal um zehn Wochenstunden gekürzten Betreuungsangebot; die Gruppen in den Kitas müssen fest zusammenbleiben und dürfen nicht gemischt werden. Zwar waren die Kitas auch vorher geöffnet, allerdings in einem Notbetreuungsmodus. Es gab den Appell der Landesregierung an Eltern, ihre Kinder möglichst zu Hause zu betreuen; nur wer das aus beruflichen und privaten Gründen nicht konnte, sollte die Kinder abgeben.
Offenbar aber fühlten sich manche Eltern nicht immer an den Appell gebunden oder hatten eben die genannten Gründe vorzuweisen – in vielen Einrichtungen war es trotzdem regelmäßig ziemlich voll. Auch bei den „Wieseln“von Marisa Grießhaber herrschte während der Notbetreuungszeit kein Mangel an Kindern. „Es kamen schon einige. Wir hatten immer so 15 Kinder in der Gruppe. Zum Vergleich: Wenn wir komplett sind, sind wir 20“, sagt die 38-Jährige. Aber sie habe Verständnis für die Eltern. „Das geht völlig in Ordnung, weil es für die Eltern nun einmal schwer ist, Kundenbetreuung und Homeoffice unter einen Hut zu bekommen“, sagt sie. Aber auch für die Kinder sei es wichtig gewesen, in die Kita zu kommen. „Dadurch
wird niemand vergessen. Man kann so Familien und Kinder auffangen, für die es wirklich schwierig ist – etwa Alleinerziehende.“
Bei Beschäftigten in nordrhein-westfälischen Kindertageseinrichtungen wurden seit Anfang des Jahres knapp 590 Corona-Infektionen festgestellt. Im Januar waren es 402 Infektionen und im Februar bislang 187. Insgesamt gibt es in den Kitas und in der Tagespflege laut Familienministerium rund 168.000 Beschäftigte.
Träger der „Grafentaler Springmäuse“ist das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Matthias Henrichsen-Schrembs vom DRK-Kreisverband Düsseldorf führt die vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen in Kitas unter anderem auf das Verhalten der Eltern in der Pandemie zurück. „Zu 99 Prozent zeigen die Eltern Verständnis und gehen wohlwollend mit der Situation um. Das ist jedenfalls unser Eindruck“, sagt er. Auch gegen die Lockerungen hat er nichts einzuwenden. Die Quote der infizierten Mitarbeiter und Kinder sei während der Pandemie in den DRK-Einrichtungen gering. „Uns als Träger ist es wichtig, dass Kinder, die betreut werden müssen, auch betreut werden. Und darum ist es auch gut, dass man das aufgrund der jetzigen Infektionslage für alle ermöglicht“, so der DRK-Abteilungsleiter für Kinder, Jugend und Familie.
Für die Fachgewerkschaft für Beschäftigte der Kommunen, der Länder sowie der privatisierten Dienstleistungsunternehmen,
Komba, kommt der NRW-Öffnungsplan für die Kitas allerdings zu schnell. Auch der Verband Bildung und Erziehung betonte, Infektionsschutz müsse im Mittelpunkt stehen. Es dürfe „keine Hürden geben, die Stundenanzahl, wenn nötig, zu reduzieren“. Die Gewerkschaft Verdi kritisierte, dass der von ihr geforderte Kita-Notbetrieb sowie die Erstellung eines Stufenplans nicht umgesetzt wurden. Verdi fordere deshalb, eine Notbetreuung unter Berücksichtigung spezieller Bedürfnisse von Eltern und Kindern aufrechtzuerhalten, Beschäftigte zu impfen und Risikogruppen gezielt zu schützen.
Die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag sieht keine Vorteile für die Eltern. „Die Rücknahme
des Minister-Appells, Kinder nicht in die Kita zu bringen, bedeutet für Eltern in erster Linie: Sie können ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die zusätzlichen Kinderkrankentage zurückgreifen, wenn sie aufgrund der Pandemie ihre Kinder noch nicht wieder in die Kita geben wollen“, so der familienpolitische Sprecher Fraktion, Dennis Maelzer.
Grießhaber fühlt sich in der Kita gut geschützt. „Wir setzen alle erforderlichen Hygiene-Richtlinien um“, sagt sie. Die Kinder aus verschiedenen Gruppen haben keinen Kontakt zueinander, die Erzieherinnen meiden einander, Teambesprechungen finden nicht in einem Raum statt. Die Eltern dürfen die zweigeschossige Kita „Springmäuse“derzeit nicht betreten, sondern nur aufs Gelände kommen, um ihre Kinder zu bringen und abzuholen. Die „Wiesel“-Gruppe befindet sich im Obergeschoss, die Eltern bringen ihre Kleinen über eine Außentreppe zur Eingangstür des Gruppenraums. „Die Eltern passen gut auf mit den Abständen und warten geduldig an der Tür“, sagt Grießhaber. Einen Wunsch hat sie: „Es wäre schön, wenn wir Mitarbeiter schneller geimpft werden könnten als vorgesehen.“