Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Die holländische Eröffnung
In einem Feldtest prüfen die Niederlande Wege, um wieder Besuche bei Sportund Kulturveranstaltungen zu ermöglichen. Erste Events der Reihe sind bereits erfolgt.
NIJMEGEN Es müssen besondere Umstände sein, wenn ein renommierter Sportjournalist eine Beleidigung, die mit dem Geschlechtsorgan eines Hundes zu tun hat, euphorisch als „Katharsis“feiert. So geschehen am Sonntag, als Willem Vissers, Ikone der Fußball-Berichterstattung der Tageszeitung „Volkskrant“, den „althergebrachten Schlachtruf“begrüßte, der „nach fast einem halben Jahr ohne Fußball aus rund 200 Kehlen“zu hören war.
Ort des Geschehens: De Goffert, das Stadion des NEC Nijmegen. Dass ein Zweitligaspiel gegen den Aufstiegsaspiranten De Graafschap (Endstand 1:2) vorübergehend zum Zentrum des niederländischen Fußballs wurde, liegt an den 1500 Zuschauern, die erstmals wieder zugelassen waren. Wie ein weiteres Zweitliga-Match in Almere nächsten Sonntag gehört das Spiel zu einer Reihe von Pilot-Veranstaltungen, die eine schrittweise Rückkehr zum öffentlichen Leben unter Auflagen vorsieht. „Fieldlab“ist der Name dieses Projekts, was auf ein Laboratorium verweist und auf den Feldversuch, der dieses Frühjahr unter dem Motto „Back to Live“in den Niederlanden stattfindet. Gemeinsam suchen Veranstalter und Regierung
nach einem Weg, wieder Publikum zuzulassen.
Den Auftakt bildete vergangene Woche eine Konferenz im BeatrixTheater in Utrecht mit 500 Teilnehmern. Am gleichen Ort vor gleich großem Publikum trat am Samstag Kabarettist Guido Weijers auf. In den kommenden Wochen sollen Konzerte und ein Musikfestival folgen.
In Deutschland hat man die CoronaMaßnahmen im Nachbarland bisweilen als lasch oder halbherzig abgetan. Der Realität entspricht dies nicht unbedingt, wie etwa die Sperrstunde zeigt, die bis Ende März verlängert werden soll. Das gilt auch für die acht Veranstaltungen der Fieldlab-Reihe: „Was sich hier vollzieht, ist Wissenschaft. Fußball im Laboratorium“, kommentierte Reporter Vissers das Spiel in Nijmegen.
Im Detail sieht das so aus: Ein negativer Corona-Test ist Zugangsvoraussetzung für Zuschauer, die obligatorisch eine App installieren müssen, an die ihre Eintrittskarte gekoppelt ist. Mithilfe eines Chips werden Bewegungen und Kontakte aufgezeichnet, fünf Tage nach der Veranstaltung erfolgt ein weiterer Corona-Test. Rund zehn symptomfreie Besucher des Spiels in Nijmegen wurden durch den Test im Vorfeld diagnostiziert. Dass von den 1500 Tickets nur 1200 verkauft wurden, dürfte auch an den strengen Auflagen liegen. Der Begeisterung im Stadion tat dies am Sonntag keinen Abbruch.
Emotional und euphorisch verlief auch die Rückkehr von Kabarettist Guido Weijers auf die Bühne in Utrecht – trotz der Prozedur mit Vorab-Tests, Temperatur-Messen am Eingang und allerlei Fragen, denen das in Bereiche eingeteilte Publikum unterzogen wurde. Diese unterschieden sich etwa dadurch, ob sie „Mondkapjes“(Gesichtsmasken) trugen oder nicht, wie viel
Abstand sie halten und ob sie sich in der Pause frei bewegen durften oder auf ihrem Platz bleiben mussten. Alle Daten werden aufgezeichnet. „Hoffentlich sind wir heute Teil der Lösung“, bemerkte der Protagonisch, Guido Weijers.
Der Auftakt ist ermutigend und unterstreicht den Enthusiasmus von Fieldlab-Manager Pieter Lubberts. „Wir zeigen, dass die Niederlande weltweit die Initiative in der Veranstaltungsbranche übernehmen“, wird er auf der Website des TV-Senders VPRO zitiert. Die Resonanz des Publikums sei „explodiert“und zeuge von einem großen Bedürfnis. Insgesamt
hätten sich 63.000 Interessierte für die Veranstaltungsreihe angemeldet, sodass man die Tickets habe verlosen müssen.
Zu einem Feldexperiment gehören aber auch ungewünschte Entwicklungen. So meldete der Lokalsender RTV Utrecht, nach der Pilot-Konferenz vergangene Woche sei eine an der Organisation beteiligte Person positiv auf Covid-19 getestet worden. Über weitere Infektionen ist bislang nichts bekannt. Mehrere Besucher, die per App eine Meldung empfingen, wonach sie mit einer infizierten Person in Kontakt waren, wurden negativ getestet.