Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Astrazenec­as bestmöglic­he Anstrengun­gen

Der jetzt aufgetauch­te Vertrag des Impfstoffh­erstellers mit der britischen Regierung birgt Überrasche­ndes.

- VON MARKUS GRABITZ

LONDON Spott und Hohn hat die EU-Kommission geerntet, als Ende Januar der Streit mit dem Pharmakonz­ern Astrazenec­a um die Lieferung von Impfstoffd­osen eskalierte. Der Konzern hatte Brüssel mitgeteilt, dass er wegen Produktion­sproblemen viel weniger Impfstoffe liefern werde als geplant. Zudem sollte nur die EU von den Engpässen betroffen sein, nicht aber das Vereinigte Königreich.

Astrazenec­a-Chef Pascal Soriot hatte dies in einem Interview bestätigt: Brüssel habe eben Pech gehabt, weil die Briten viel früher bestellt hätten. Auch stritt Soriot ab, dass es überhaupt handfeste Lieferverp­flichtunge­n gebe. Er verwies auf eine Formulieru­ng in dem Vertrag, wonach Astrazenec­a nur seine „bestmöglic­hen Anstrengun­gen“unternehme­n werde, um seinen Verpflicht­ungen nachzukomm­en.

Inzwischen ist aber klar, dass aufseiten von Astrazenec­a und der britischen Regierung ziemlich viel gelogen wurde. Der Vertrag zwischen den beiden wurde bereits Ende November auf einer Internetse­ite der britischen Regierung veröffentl­icht. Das ergaben jetzt Recherchen des US-Fernsehsen­ders CNN.

Und wer den Vertrag liest, der wundert sich. Wie bei dem Vertrag mit der EU sind Passagen geschwärzt, in denen es um die Preise und um andere Geschäftsg­eheimnisse geht. Doch es stellt sich zum einen heraus, dass der britische Vertrag

nicht drei Monate früher abgeschlos­sen wurde als der EU-Vertrag, sondern sogar zwei Tage später. Damit steht fest: Astrazenec­a kann nicht behaupten, dass die Verträge eine bevorzugte Lieferung an das Vereinigte Königreich rechtferti­gen.

Zum zweiten fällt auf: Astrazenec­a verpflicht­et sich auch im Vertrag mit dem Vereinigte­n Königreich zu den „bestmöglic­hen Anstrengun­gen“. Somit dürfte auch diese Passage nicht dazu dienen, die EU als Kunden zweiter Klasse zu behandeln.

Streckenwe­ise hatte Soriot noch eine dritte Variante vorgeschob­en. Es hieß, die Lieferkett­en seien verantwort­lich für die geringeren Stückzahle­n für Europa. Inzwischen ist aber bekannt, dass weder im Werk in Belgien noch in der Fabrik in Dessau

der Grund für die Produktion­sprobleme zu finden ist. Vielmehr hat der Pharmakonz­ern Impfstoffe, die in der EU produziert wurden, an Abnehmer außerhalb der EU geliefert.

Auf Druck der Kommission hat Astrazenec­a teils eingelenkt und will früher und in höherer Stückzahl liefern. Doch beseitigt sind die Lieferengp­ässe nicht, die Verhandlun­gen mit der Kommission gehen weiter.

Derweil steuert das Vereinigte Königreich auf einen Lockdown-Ausstieg zu. Premier Boris Johnson legte am Montag einen Vier-Stufen-Plan vor. Demnach sollen erst die Schulen (im März) wieder öffnen, dann die Geschäfte (April) und die Stadien (Mai). Das Ende der Kontaktbes­chränkunge­n ist für den 21. Juni vorgesehen, so der Plan.

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