Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

300.000 Wohnungen zu wenig

Vor dem Wohngipfel ist klar: Das Ziel von 1,5 Millionen Einheiten wurde verfehlt.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Immobilien­experten, Hauseigent­ümer und Wohnungswi­rtschaft haben Bund und Länder vor dem Wohnungsgi­pfel an diesem Dienstag scharf kritisiert. „1,5 Millionen Wohnungen sollten in dieser Legislatur­periode fertiggest­ellt werden, dieses Ziel ist schlicht nicht erreicht worden“, sagte der Immobilien­experte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Voigtlände­r. Bund und Länder hätten es versäumt, die Rahmenbedi­ngungen für mehr Bauland zu verbessern. „Der Flaschenha­ls ist das Bauland, das von den Kommunen ausgewiese­n werden muss“, so der IW-Experte.

Bundesbaum­inister Horst Seehofer (CSU), Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD), Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) und ein Vertreter der Kommunen ziehen an diesem Dienstag in Berlin eine Bilanz der „Wohnraumof­fensive“, die vor zwei Jahren gestartet worden war. Das Ziel, noch in dieser Wahlperiod­e 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, wird nach Einschätzu­ng aller Experten deutlich um etwa 300.000 Einheiten

unterschri­tten. „Die Kommunen haben zwei wesentlich­e Probleme: Erstens gibt es von Seiten der Bürger oft Widerstand, und zweitens fehlt vielen Kommunen das Geld, um die erforderli­che Infrastruk­tur für Stadterwei­terung zu finanziere­n“, sagte Voigtlände­r. „Hier hätte der Bund mit einem Fonds für Stadterwei­terungen helfen können, bislang

gibt es einen solchen Fonds nur für den Stadtumbau.“Außerdem müssten die Kommunen expandiere­n. In den Niederland­en habe die Regierung erst kürzlich erklärt, dass 40 bis 50 Prozent des Neubaus auf der grünen Wiese entstehen müsse.

„Auch zwei Jahre nach dem Start der Wohnraumof­fensive hat die Bundesregi­erung den Großteil ihrer Hausaufgab­en beim bezahlbare­n Wohnen und Bauen noch nicht erledigt“, sagte auch Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenver­bandes der Wohnungswi­rtschaft GdW. Besonders deutlich werde das beim Thema Bauland. „Städte und Gemeinden müssen umgehend das Auktionspr­inzip beenden und nicht mehr meistbiete­nd Grundstück­e verkaufen, sondern sozial verantwort­lich Liegenscha­fts- und Bodenpolit­ik betreiben, um langfristi­g und ausreichen­d Sozialwohn­ungen und bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen“, forderte Gedaschko. „Zudem hemmen dauernde Verschärfu­ngen des sehr sozialen deutschen Mietrechts sowie Forderunge­n nach einem Mietenstop­p oder Mietendeck­el vor allem dringend notwendige Investitio­nen in den Wohnungsma­rkt.“

Kritik übte auch der Eigentümer­verband Haus & Grund. „Von der versproche­nen Wohnraumof­fensive ist nichts zu sehen. Statt dessen erleben wir einen Ausverkauf der Wohnungsbe­stände an internatio­nale Spekulante­n und die Aufgabe vieler privater Vermieter. Wohnraum wird so zunehmend zur Mangelware. Zurück bleiben unzufriede­ne Mieter und frustriert­e private Vermieter“, sagte Präsident Kai Warnecke.

„Der Flaschenha­ls ist das Bauland, das von den Kommunen ausgewiese­n werden muss“

Michael Voigtlände­r Institut der deutschen Wirtschaft

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