Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Altenheime gespalten bei Corona-Lockerungen
Während sich einige freuen, dass wieder Leben in die Heime kehrt, finden es andere zu früh. Das Virus kann trotz Impfung in die Häuser eindringen.
DÜSSELDORF Keine Maskenpflicht, weniger Tests, mehr Besucher und Aktivitäten – die Lockerungen, die NRW-Gesundheitsminister KarlJosef Laumann (CDU) verkündet hat, sollen wieder mehr Normalität in die Altenheime bringen. Denn, so argumentiert Laumann, es herrsche unter den Bewohnern mittlerweile Herdenimmunität.
Das sieht der Dortmunder Pflegedienstbesitzer Jörg Wunsch anders. „Natürlich sind unsere Bewohner geimpft, aber die Angehörigen nicht. Die können das Virus immer noch ins Haus bringen“, sagt er. Bisher seien nur 70 Prozent der Belegschaft geimpft, der Rest könne sich anstecken. „Und wenn Pfleger fehlen, wirkt sich das auch auf die Bewohner aus“, sagt er. Vergangene Woche hat sich ein Pfleger angesteckt, der draußen mit zwei Kolleginnen Pause machte. Der Pfleger erkrankte an Corona, seine Kolleginnen mussten in Quarantäne. „Singen, tanzen, basteln ist ja schön und gut, aber wie sollen wir das machen, wenn niemand da ist, der das organisieren kann?“, so Wunsch.
Auch in der katholischen Kplus-Gruppe mit Seniorenheimen in Düsseldorf, Haan, Leverkusen und Solingen werden die
Lockerungen als verfrüht empfunden. „Regelmäßig ziehen neue Bewohner in die Seniorenheime, die noch keine Impfung bekommen haben“, sagt eine Sprecherin. Deswegen gehöre die Maske für Bewohner und Mitarbeiter weiterhin dazu. Die angeblich erreichte Herdenimmunität überzeugt sie nicht: „Wir müssen die komplette Herde in den Blick nehmen, nicht nur einen Teil. Dafür sind die Krankheitsverläufe zu schwer und die Virus-Mutanten zu sehr auf dem Vormarsch.“
Anders sieht es Andreas Zeeh von der Diakonie. „Die Lockerungen sind längst überfällig“, sagt er. Gerade für Demenzerkrankte sei es wichtig, dass sie ihre Angehörigen ohne Maske sehen. Durch die hohen Impfquoten sei der Schutz gewährleistet. Auch, weil sich die Mitarbeiter alle drei Tage testen lassen müssen. „Das finden wir bei geimpften
Mitarbeitern zu viel. Weniger Tests würden unsere Pfleger entlasten.“
Die Lockerungen seien angemessen, sagt Frank Johannes Hensel, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW. „Wenn geimpfte Personen geschützt und negativ getestete Personen nicht ansteckend sind, ist es nur folgerichtig, den Umgang dieser Personen miteinander zu erleichtern“, sagt er.