Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Das Ringen um mehr Transparenz
Als Antwort auf die Maskenaffäre verschärft die Union das Abgeordnetengesetz. Derweil geraten weitere Politiker in den Fokus.
BERLIN In der Unionsaffäre um Maskengeschäfte und Lobbyismus-Vorwürfe will die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit einem neuen Zehn-Punkte-Plan für mehr Transparenz sorgen. Das Papier, auf das sich der Geschäftsführende Fraktionsvorstand am Freitag einigte, sieht deutliche Verschärfungen im Abgeordnetengesetz vor. Ziel ist es, „diese Transparenzoffensive umgehend gesetzlich umzusetzen“, heißt es in dem Plan, der unserer Redaktion vorliegt.
Demnach sollen Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit als Verbrechen hochgestuft und mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet werden. „Wer Abgeordnete besticht oder Abgeordnete, die sich bestechen lassen, begehen kein Vergehen, sondern ein Verbrechen – und das muss sich künftig im Strafgesetzbuch auch genauso abbilden“, heißt es in dem Papier. Zudem soll bezahlte Interessenvertretung für Dritte gegenüber der Bundesregierung oder im Bundestag verboten werden. Bei Verstößen soll ein Ordnungsgeld fällig werden, dessen Höhe in dem Papier nicht definiert ist. „Bundestagsabgeordnete sind Vertreter des gesamten deutschen Volkes – keine Vertreter von Einzelinteressen“, schreibt der Fraktionsvorstand dazu.
Dieses Verbot dürfte künftig auch bei Fällen wie den zuletzt bekannt gewordenen Provisionszahlungen an Unionsabgeordnete bei der Beschaffung von Schutzmasken greifen. Auch die jüngsten Vorwürfe der Interessenvertretung für das autoritär regierte Aserbaidschan dürften unter der Regelung gefasst sein.
Der Zehn-Punkte-Plan sieht auch vor, dass Nebenverdienste ab 100.000 Euro „auf Euro und Cent genau“ angeben werden müssen. Abgeordnete sollen ferner dazu verpflichtet werden, Einnahmen aus Unternehmensbeteiligungen über 25 Prozent anzuzeigen.
Bei der SPD stößt der ZehnPunkte-Plan der Unionsfraktion auf geteiltes Echo. Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte unserer Redaktion: „Es ist gut, dass die Union nach jahrelanger Blockade endlich in Bewegung kommt. Einige ihrer Vorschläge hat sie bei unserem Zehn-Punkte-Plan abgeschrieben.“Am vergangenen Dienstag hatte die SPD ihrerseits einen Plan vorgelegt und beispielsweise die Hochstufung von Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit als Verbrechen vorgesehen. „Unter dem aktuellen Druck zahlreicher Affären in ihren Reihen macht die Union damit nun Schritte in die richtige Richtung, die aber auf halber Strecke verkümmern“, kritisierte Schneider. „Gerade bei den Vorstellungen zu Transparenzpflichten lassen CDU und CSU ihren Abgeordneten, die den moralischen Kompass verloren haben, zu viel Raum für undurchsichtige Geschäfte.“
Besonders strittig zwischen den Koalitionsfraktionen dürfte der
Punkt sein, dass CDU und CSU die Nebeneinkünfte erst jenseits einer Marke von 100.000 Euro genau aufschlüsseln wollen. Das dürfte insgesamt nur eine Handvoll Abgeordnete betreffen. Die SPD hatte keine Grenze genannt und will die betragsgenaue Nennung für alle Nebeneinkünfte. In der kommenden Woche wollen sich die Regierungsfraktionen weiter beraten und eine Linie für Gesetzesanpassungen finden. Danach stehen Gespräche mit der Opposition an.
Die Unionsaffäre hatte sich in den vergangenen Tagen zunehmend ausgeweitet und den Druck auf CDU und CSU massiv erhöht. Neu in den Fokus geraten ist der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU). Er soll im Interesse Aserbaidschans Druck auf einen Hersteller von Beatmungsgeräten ausgeübt haben, damit dieser seine Lieferung an die frühere Sowjetrepublik schneller abwickelt. Bareiß wies den Vorwurf zurück. Er habe „keinerlei Druck“ausgeübt und „keinerlei Gegenleistung“erhalten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich aber räumte er ein, sich bei dem Hersteller von Medizintechnik,
der Firma Löwenstein Medical aus Rheinland-Pfalz, über den Stand der Lieferungen erkundigt und dem „Kollegen in Aserbaidschan“die Informationen weitergeleitet zu haben.
Vorwürfe der Lobbyarbeit für Aserbaidschan hatten bereits am Donnerstag zu politischen Konsequenzen geführt: Der Thüringer CDU-Politiker Mark Hauptmann legte sein Bundestagsmandat nieder, nachdem auch er in den Fokus geraten war. Zudem soll Hauptmann im Frühjahr 2020 Corona-Schutzmasken zu überhöhten Preisen an verschiedene Landratsämter in Thüringen vermittelt haben. Ausgelöst wurde die Unionsaffäre durch die Fälle Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU), die durch die Vermittlung von Maskengeschäften sechsstellige Beträge kassiert haben sollen. Beide Politiker sind aus der Fraktion sowie aus ihren Parteien ausgetreten. Löbel hat ebenfalls sein Mandat niedergelegt, Nüßlein hält weiter daran fest.
Am Freitagabend lief für alle Abgeordneten von CDU und CSU die Frist zur Abgabe einer Transparenzerklärung ab. Der Fraktionsvorstand hatte die 245 Fraktionsmitglieder dazu aufgefordert, schriftlich mitzuteilen, ob sie einen persönlichen oder finanziellen Vorteil im Zuge der Pandemiebekämpfung erzielt haben. Kurz nach dem Ende der Frist dann die Nachricht: „Alle CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten haben diese Erklärung unterschrieben und damit klargestellt, dass sie in der Corona-Pandemie mit aller Kraft dafür gearbeitet haben, die Krise zu bewältigen, Bürgern zu helfen und Unternehmen zu unterstützen, ohne einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen“, teilten Brinkhaus und Dobrindt in einem Brief an die Fraktion mit.