Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Ein Monat, der Borussia verändert hat
Seit Marco Roses Abschied feststeht, hat die Mannschaft jedes Spiel verloren. Die Stimmung im Umfeld erinnert an schlimmste Zeiten.
MÖNCHENGLADBACH Ein Monat ist vergangen seit der offiziellen Mitteilung, dass Marco Rose im Sommer die Borussias tauschen und nach Dortmund wechseln will. Es könnten noch zehn lange Wochen werden, sollten der Verein und der Trainer an ihrem Vorhaben festhalten, die Nummer gemeinsam durchzuziehen. Seit dem großen Knall hat Gladbach alle sechs Pflichtspiele verloren.
Erst am 22. Mai endet die Bundesliga-Saison mit dem Auswärtsspiel bei Werder Bremen. Noch am 15. Februar, als Borussia um 15.08 Uhr über Roses nahenden Abschied informierte, sah es in der Tabelle so aus, als könnten im Weserstadion dann ein Abstiegskandidat und ein Europapokal-Aspirant aufeinandertreffen. Inzwischen ist das Szenario realistischer, dass es zwischen Bremen und Gladbach am 34. Spieltag sportlich um gar nichts mehr geht, vielleicht um ein paar Fernsehgeld-Millionen. Werder ist Zwölfter, Borussia ist Zehnter. Der Nimbus der Einstelligkeit, er wackelt zum Zehn-Jahres-Jubiläum der sensationellen Relegationsrettung unter Lucien Favre.
Der warf im September 2015 nach ebenfalls sechs Niederlagen in Folge hin. Rose verneinte nach dem 1:3 beim FC Augsburg am Freitag, dass er Ähnliches im Sinn habe. „Aber ich kann die Fragen verstehen“, sagte der 44-Jährige. Das sah vor einigen Wochen noch anders aus. Roses von Gereiztheit geprägtes „Sky“-Interview vor dem Derby gegen den 1. FC Köln darf rückblickend als einer der Kipppunkte der Stimmung im Gladbacher
Umfeld bezeichnet werden. Es folgte die Niederlage gegen den Rivalen, ein paar Tage informierte Rose Manager Max Eberl über seine Entscheidung, am besagten 15. Februar erfuhr die Mannschaft davon.
Auf der Pressekonferenz zwei
Tage später wirkte Rose angespannt und ein wenig wortkarg. Seine Entscheidung für den BVB begründete er nur knapp („reizvolle Aufgabe“). Mit verschränkten Armen saß Rose da und leistete sich auch noch einen Freud’schen Versprecher, indem er Dortmund sagte, aber Gladbach meinte. Neben ihm holte Eberl zum Befreiungsschlag aus, seine Rede verdiente sich in den sozialen Netzwerken das Prädikat „bundespräsidial“. Doch die Ergebnisse der folgenden Spiele haben dem Ruck eine äußerst geringe Halbwertzeit beschert.
Seit dem 15. Februar ist viel durcheinander geraten, wer nun warum auf wen sauer ist. Fest steht aber, dass die Ausstiegsklausel in Roses Vertrag und die Tatsache, dass er sie nutzt, eher nachrangig sind. „Er verhält sich vertragskonform, das ist absolut in Ordnung. Was mich stört, ist die Tatsache, dass es ausgerechnet Dortmund ist“, sagte der Fanprojekt-Vorsitzende Thomas Ludwig im Interview mit unserer Redaktion. Als Sprachrohr der Fans hat der FPMG Supporters Club öffentlichkeitswirksam mit Rose gebrochen, aber Ludwig stellte auch klar: „Wir sagen nicht, dass Marco Rose sofort vom Hof gejagt werden muss. Um Gottes Willen, wir fordern keinen Spießrutenlauf und einen Aufstand. Wir als Fanszene sagen nur, dass wir uns nicht mehr damit identifizieren können, dass Marco Rose bei uns auf der Bank sitzt.“
Die Stimmung erinnerte an allerschlimmste Zeiten, als Borussia beinahe zum Fahrstuhlverein mutiert wäre. Seit dem Aus im DFB-Pokal (ausgerechnet gegen den BVB) machen sich eher Resignation und
Gleichgültigkeit breit. „Sehr schnell ist ein Trainer, der bei unserem Verein geliebt wurde, ein Objekt der Wut geworden, ein Feindbild“, sagte Eberl, der sogar einen offenen Brief verfasste, nun im „Sportstudio“, noch so ein Präzedenzfall. Er betonte aber auch: „Ich kann die Fans und ihre Enttäuschung verstehen, weil Marco in seiner Antrittsrede viel von einem gemeinsamen Weg und einer Entwicklung gesprochen hat.“
Etwas Hoffnung verbreitet der Stand der Trainersuche. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte Eberl. Während er die Zukunft plant, muss ihm die Gegenwart allerdings große Sorgen bereiten. Wie groß die Aufräumarbeiten nach der Ära Rose werden, kann aktuell noch niemand absehen. Eberl glaubt an den „Turnaround“. Mit Rose.