Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Vom Messdiener zum Priester
Lars Rother hat sich entschieden. Sein Beruf ist unmittelbar an die katholische Kirche geknüpft. Warum ihn Armut, Keuschheit und Gehorsam nicht abschrecken, erklärt der 28-Jährige im Gespräch.
Erst Messdiener und Vertretungsorganist in St. Maria Magdalena Geldern, dann Priester. War der Weg vorgezeichnet?
LARS ROTHER Das würde ich nicht sagen. Direkt nach dem Abitur war es eher ein Ringen und eine Ungewissheit, ob ich den Weg einschlagen möchte. Aber ich war mir sicher, dass ich es ausprobieren möchte.
Gibt es eine Art Probejahr?
ROTHER Es gibt das Propädeutikum, das ist eine Einführung in die Priesterausbildung. Vom Pflegepraktikum bis zum Einblick in die Arbeit der Pfarrgemeinde war alles dabei. Teil davon war auch eine Reise in das Heilige Land. Man sagt immer so salopp, das ist das fünfte Evangelium. Aber es ist tatsächlich so, dass es eine andere Dimension hat, wenn man die Bibeltexte vor Ort liest. Im Propädeutikum, bei mir war das ein halbes Jahr, habe ich Gleichgesinnte kennengelernt, die auch den Gedanken hatten, Priester zu werden. Da sind Freundschaften entstanden.
Wurden Sie von Freunden oder Verwandten gefragt, warum Sie ausgerechnet für die katholische Kirche arbeiten wollen? Immerhin steht die aktuell wegen der Missbrauchsskandale sehr in der Kritik.
ROTHER Die meisten meiner Freunde und Bekannten sind tatsächlich eher nicht-praktizierende Katholiken und Protestanten. Da sind die Skandale in der Kirche eher weniger das Thema, sondern es geht um den persönlichen Kontakt oder den gelebten Glauben. Da wird zum Beispiel gesagt: „Den Pfarrer mag ich, der grüßt mich immer.“Es geht um das Zwischenmenschliche.
Die Skandale sind so gar kein Thema?
ROTHER In meinem Freundeskreis in der Heimat nicht. Die Skandale sind bei kirchennahen Personen mehr präsent. Sie sind auch Thema in der Priesterausbildung. Es geht dabei um Strukturen und kirchenpolitische Fragen. Letzten Endes ist das auch richtig so, denn es ist nun mal traurige Realität. Und als baldiger Amtsträger der Kirche werde ich ein Stück weit den Kopf hinhalten müssen und mache mir natürlich auch meine Gedanken und äußere diese auch.
Welche Frage hat Sie persönlich besonders umgetrieben bei der Aufnahme der Priesterausbildung? ROTHER Vor allem war da die Frage: Kann ich das? Ein Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam?
Haben Sie darauf eine Antwort gefunden?
ROTHER Es ist klar, dass es nicht so einfach ist. Nicht in einer Partnerschaft zu leben, später nicht ein eigenes Haus zu haben, das entspricht nicht gerade dem, was populär ist. Aber: Es ist ja eine freiwillige Verpflichtung, die ich eingehe. Zunächst ist es die Lebensform Jesu gewesen, dem ich mit meinem Leben nachfolgen will. Ganz praktisch habe ich einen Schlüssel für mich gefunden: Ich verstehe es so, dass ich mich solidarisch erkläre mit den Menschen, die auch allein oder arm durchs Leben gehen, oft unfreiwillig. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich, wenn ich verheiratet wäre, weniger Zeit für die Menschen habe, um die ich mich als Priester kümmern soll. Ich merke jetzt schon, dass ich nicht danach schaue, wann die 40 Stunden in der Woche voll sind. Das, was es zu tun gibt, wird getan. Auch wenn Zweisamkeit schön ist, so gibt mir die Lebensform als Priester eine große Freiheit, was die Verfügbarkeit angeht.
Pastor Arndt Thielen aus Geldern sagte, dass es schon etwas Besonderes und sehr selten ist, dass sich ein junger Mensch für den Priesterberuf entscheidet. Wie sehen Sie das? ROTHER Ich sehe natürlich auch, dass es einen Nachwuchsmangel gibt. Das betrifft aber nicht nur die Priester, sondern auch andere pastorale Berufe. Das hängt sicher auch zusammen mit dem Gläubigenrückgang, unter anderem bedingt durch die Skandale in der katholischen Kirche.
Wie könnte die Kirche der Zukunft aussehen?
ROTHER Was ich als Chance sehe, sind geistliche Zentren. Ein grundsätzliches Vorbild sind unsere Klöster, zu denen Menschen bewusst hinfahren, um geistlich aufzutanken und Ruhe zu finden. Ich verstehe geistliche Zentren als Orte, an denen bestimmte Charismen ausgelebt werden, Stille oder Lobpreis eine besondere Rolle spielen. Solche Zentren haben große Kraft und können ein neues Feuer fürs Christentum bringen. Ich will dadurch die klassische Gemeinde aber nicht schmälern.
Wie sieht die Realität aus? Wie geht es für Sie jetzt weiter?
ROTHER Derzeit befinde ich mich zur Vorbereitung auf das Diakonat im Priesterseminar in Münster. Am 18. April ist meine Diakonweihe. Dann geht es für mich zurück in die Pfarrgemeinde St. Martinus und Ludgerus in Sendenhorst, wo ich bereits ein Jahr meinen Dienst tun durfte.
Auch Pastor Arndt Thielen und Gefängnispfarrer Hans-Gerd Paus waren dort Kapläne, Pastor Peter Hennesen Pfarrverwalter. Es gibt also eine sehr enge Verbindung zwischen Geldern und Sendenhorst.
ROTHER Ja, das stimmt. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber irgendwie ist das interessant. Ich bin ein echter Geldrianer, also in Geldern geboren und aufgewachsen, und mag meine Heimatstadt und den Niederrhein sehr.
Wie wichtig ist denn der Ort für
Ihre Arbeit?
ROTHER Überall sind Menschen, die ihren Glauben leben wollen. Am Ende bleibt der zwischenmenschliche Kontakt das entscheidende, und was das angeht, bin ich mit Sendenhorst sehr zufrieden.